Dienstplan-Rechte, Verdi

Dienstplan-Rechte: Ver.di startet Tarif-Offensive im öffentlichen Dienst

30.11.2025 - 22:09:12

Reliefwende oder Service-Kollaps? Die Gewerkschaft ver.di hat am Freitag ihre Forderungen für den kommunalen Nahverkehr vorgelegt – und dabei einen brisanten Schwerpunkt gesetzt: Nicht nur Gehälter, sondern vor allem die Gestaltung von Dienstplänen steht im Zentrum der Tarifforderungen. Was auf den ersten Blick wie ein technisches Detail wirkt, könnte die Machtverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Personalräten grundlegend verschieben.

Die Forderungen kommen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für die öffentlichen Arbeitgeber. Bereits am Mittwoch beginnen die Tarifverhandlungen für die Bundesländer, während der Nahverkehr unter akutem Personalmangel ächzt. Können strikte Dienstplan-Regeln die Lösung sein – oder droht der Kollaps des ÖPNV?

Ver.di-Vertreter übergaben am 28. November ihre Kernforderungen für die neue Tarifrunde im kommunalen Verkehrssektor (TV-N) an die Arbeitgeber in mehreren Bundesländern. Der Clou: Die Gewerkschaft konzentriert sich erstmals massiv auf Arbeitsbedingungen statt primär auf Gehälter.

Anzeige

Passend zum Thema Dienstpläne und Ruhezeiten: Seit der neuen Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung müssen Arbeitgeber Arbeits- und Ruhezeiten rechtssicher dokumentieren – ein Thema, das Dienstplangestaltung und Mitbestimmung direkt betrifft. Dieses kostenlose E‑Book liefert praxisnahe Mustervorlagen, Checklisten und Tipps zur Umsetzung, damit Personalräte und kommunale Arbeitgeber Dienstpläne rechtskonform gestalten und Bußgelder vermeiden. Jetzt E‑Book zur Arbeitszeiterfassung herunterladen

Die stellvertretende Vorsitzende Christine Behle brachte es gegenüber dem Deutschlandfunk auf den Punkt: „Attraktive Arbeitsbedingungen sind der Schlüssel zur Lösung der Personalkrise.” Konkret fordert ver.di:

  • Deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
  • Verlängerte Ruhezeiten zwischen Schichten
  • Höhere Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit

Was zunächst wie klassische Gewerkschaftsrhetorik klingt, hat jedoch eine rechtliche Sprengkraft: Diese Forderungen zielen direkt auf die Mitbestimmungsrechte der Personalräte. Werden engere Dienstplan-Regeln im Tarifvertrag verankert, erhalten Personalräte klare Kriterien, um problematische Dienstpläne abzulehnen.

Bislang standen Personalräte oft unter Druck, suboptimale Pläne wegen Personalmangels zu akzeptieren. Mit festen Tarifnormen bekämen sie eine nahezu unanfechtbare Rechtsgrundlage für ihre Ablehnung.

Personalräte als neue Machtfaktoren

Der Vorstoß beschränkt sich nicht auf den Verkehrssektor. Er spiegelt einen Trend im gesamten öffentlichen Dienst wider: Personalräte nutzen zunehmend ihre Verweigerungsrechte, um chronische Unterbesetzung zu bekämpfen.

Zwar gewähren das Bundespersonalvertretungsgesetz und die Landespersonalvertretungsgesetze bereits Mitbestimmungsrechte bei „Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit” und Dienstplänen. Doch die Praxis sieht anders aus: Arbeitgeber argumentieren regelmäßig mit „dringenden betrieblichen Erfordernissen”, um Einwände zu übergehen.

Die neuen Tarifanforderungen sollen diese Schlupflöcher schließen. Durch die Definition konkreter Entlastungsmetriken – etwa feste Mindestruhezeiten und Schichtlängen-Obergrenzen – im Tarifvertrag selbst würden Personalräte eine „Checkliste” harter Kriterien erhalten. Verstößt ein Dienstplan gegen diese neuen Tarifinhalte, wird das Verweigerungsrecht vor Einigungsstellen praktisch unanfechtbar.

„Wir wollen den Personalrat vom bloßen Beobachter schlechter Dienstpläne zum Hüter durchsetzbarer Entlastungsstandards machen”, erklärte ein ver.di-Sprecher bei der Forderungsübergabe.

Hessen und Länder: Sieben Prozent plus Planbarkeit

Die Entwicklung im Nahverkehr spielt sich vor dem Hintergrund großer Tarifrunden ab. Am 24. November verkündeten der dbb beamtenbund und ver.di ihre Forderungen für den öffentlichen Dienst in Hessen (TV-H), der separat von anderen Bundesländern verhandelt.

Die Gewerkschaften fordern 7 Prozent Gehaltserhöhung (mindestens 300 Euro). Doch dbb-Tarifchef Andreas Hemsing betonte: Es gehe auch darum, den öffentlichen Dienst wieder „wettbewerbsfähig” zu machen – ein Ziel, das untrennbar mit Work-Life-Balance und planbaren Dienstplänen verbunden sei.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), die alle anderen Bundesländer vertritt, bereitet sich auf den Verhandlungsstart am 3. Dezember 2025 vor. Gewerkschaftsführer haben bereits signalisiert, dass „Arbeitszeithoheit” und Freizeitschutz durch verlässliche Dienstpläne neben der 7-Prozent-Forderung diskutiert werden.

Arbeitgeber warnen vor Service-Einschränkungen

Der Fokus auf Dienstplangestaltung hat unmittelbare operative Konsequenzen für öffentliche Arbeitgeber. Kommunale Betriebe und Verkehrsunternehmen warnen: Strengere Dienstplan-Vorgaben könnten bei bestehender Personalknappheit zu Angebotskürzungen zwingen.

„Wenn Personalräte künftig jeden Dienstplan blockieren können, der nicht theoretischen Idealstandards entspricht, drohen häufigere Ausfälle bei Bus und Bahn – einfach weil wir sie nicht legal besetzen können”, warnte ein Vertreter der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA).

Die Gewerkschaftsseite argumentiert gegenteilig: Nur verlässliche Dienstpläne könnten die Personalflucht stoppen. Wer ständig Wochenenddienste und Kurzruhezeiten akzeptieren müsse, suche sich schnell einen Arbeitgeber mit besseren Bedingungen.

Das kommt jetzt

3. Dezember 2025: Erste Verhandlungsrunde für die TdL in Berlin. Beobachter achten darauf, ob Arbeitgeber Bereitschaft zu strukturellen Dienstplan-Änderungen signalisieren.

Januar 2026: Sollte in den ersten Runden keine Einigung erzielt werden, sind nach Ende der Friedenspflicht am 31. Dezember Warnstreiks im Nahverkehr zu erwarten.

Rechtliche Präzedenzfälle: Personalräte sollten Verwaltungsgerichtsurteile genau verfolgen – die neue Tarifsprache wird 2026 vermutlich gerichtlich auf den Prüfstand gestellt.

Die Fronten sind klar: Ver.di hat Dienstplangestaltung erfolgreich als Kernthema etabliert – nicht als administrative Nebensache, sondern als „Investition in die Zukunft” des öffentlichen Dienstes. Für Personalräte könnte das Ergebnis dieser Tarifrunden ihren Handlungsspielraum auf Jahre definieren.

Anzeige

PS: Viele Dienstpläne scheitern an formalen Fehlern – das kann zu Blockaden und rechtlichen Problemen führen. Der kostenlose Leitfaden zur Arbeitszeiterfassung erklärt praxisnah, wie Mindestruhezeiten und Schichtlängen korrekt dokumentiert werden, welche Vorlagen in Verhandlungen helfen und wie Sie Einigungsstellen entgegenwirken. Ein nützliches Werkzeug für Betriebs- und Personalräte in Verhandlungen. Jetzt kostenlosen Leitfaden mit Mustervorlagen sichern

@ boerse-global.de