Dienstpläne 2026: Teilzeit-Urteil und KI stürzen Betriebsräte in Krise
01.12.2025 - 01:40:12Neues Gerichtsurteil sichert Teilzeitkräften Überstundenzuschläge zu, während KI-gestützte Schichtplanung die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten herausfordert.

Die Januar-Dienstpläne deutscher Unternehmen stehen auf dem Prüfstand. Ein wegweisendes BAG-Urteil zu Überstundenzuschlägen und der rasante Vormarsch KI-gestützter Schichtplanung zwingen Betriebsräte zu radikalem Umdenken. Die Mitbestimmungsrechte erleben ihre härteste Belastungsprobe seit Jahren.
Rechtexperten und Gewerkschaften appellieren seit heute Morgen eindringlich an Arbeitnehmervertreter: Kein Dienstplan für Januar 2026 sollte ohne gründliche Prüfung der neuen Rechtslage genehmigt werden. Die Haftungsrisiken sind erheblich.
Paukenschlag aus Erfurt: Teilzeitkräfte gleichgestellt
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 26. November 2025 (Az. 5 AZR 118/23 und 5 AZR 155/22) eine Bombe in die Personalabteilungen geworfen. Die Erfurter Richter erklärten tarifliche Regelungen für rechtswidrig, die Überstundenzuschläge erst ab der Vollzeit-Grenze vorsehen – typischerweise 40 Wochenstunden.
Was bedeutet das konkret? Bisher konnten Arbeitgeber Teilzeitbeschäftigte für zusätzliche Stunden einsetzen, ohne Zuschläge zahlen zu müssen – solange diese nicht die Vollzeit-Schwelle überschritten. Schluss damit: Diese Praxis verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (§ 4 TzBfG).
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Silke Zimmer, Bundesvorstandsmitglied bei ver.di, begrüßte die Entscheidung umgehend als “wichtigen Meilenstein für mehr Lohngerechtigkeit” – insbesondere für die Millionen betroffener Frauen in Teilzeit.
Die Black Box: Wenn Algorithmen Schichten verteilen
Doch nicht nur Lohnfragen sorgen für Aufruhr. Ende 2025 vollzieht sich ein struktureller Wandel in der Art und Weise, wie Dienstpläne überhaupt entstehen. In der zweiten Jahreshälfte haben deutsche Großkonzerne massiv auf “Smart Scheduling” gesetzt – KI-gestützte Software, die Personaleinsatz auf Basis von Nachfrageprognosen optimieren soll.
Das Problem: Diese Algorithmen operieren als “Black Boxes”. Weder Beschäftigte noch Betriebsräte können nachvollziehen, nach welcher Logik einzelne Schichten zugeteilt werden. Das kratzt empfindlich am Mitbestimmungsrecht aus § 87 BetrVG.
Aktuelle Entwicklungen im Dezember 2025:
- Transparenzoffensive: Nach einem Bundesratsbeschluss vom Juli 2025 zur Modernisierung der KI-Mitbestimmung fordern Betriebsräte nun vollständige Offenlegung aller Algorithmus-Parameter
- Algorithmus-Audits: In mehreren großen Automobil- und Logistikunternehmen blockieren Arbeitnehmervertreter automatisierte Dienstpläne, bis der Arbeitgeber darlegt, wie der Algorithmus “Mitarbeiterwünsche” gegen “Kosteneffizienz” abwägt
- “Human in the Loop”: Zahlreiche Betriebsvereinbarungen aus dem späten 2025 enthalten mittlerweile eine “Human-Review-Klausel” – KI-Vorschläge bleiben Entwürfe, bis Manager und Betriebsrat sie explizit bestätigen
Kann Software überhaupt mitbestimmen? Diese Frage beschäftigt derzeit die Arbeitsgerichte intensiver denn je.
Gefährliches Terrain für Gründungsinitiativen
Die angespannte Lage verschärft sich durch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom August 2025 (Az. 10 SLa 2/25): Der besondere Kündigungsschutz für Initiatoren von Betriebsratsgründungen greift nicht während der sechsmonatigen Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 KSchG).
Gerade in Start-ups und Gig-Economy-Betrieben – wo chaotische Dienstplangestaltung am häufigsten vorkommt – erschwert diese Rechtsprechung die Organisierung erheblich. “Das Zeitfenster für Gründungsinitiativen ist schmaler als viele dachten”, kommentiert Arbeitsrechtler Dr. Thomas Klebe. “Wer missbräuchliche Schichtpraktiken durch einen Betriebsrat bekämpfen will, muss strategisch äußerst präzise vorgehen.”
Countdown zu einem turbulenten 2026
Die Kombination aus “Überstunden-Urteil” und “KI-Revolution” lässt einen konfliktreichen Jahresstart erwarten. Für Betriebsräte steht enorm viel auf dem Spiel – nicht zuletzt mit Blick auf die anstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026.
Handlungsempfehlungen für Betriebsräte (Stand: Dezember 2025):
- Sofort-Audit der Januar-Dienstpläne: Prüfen, ob die neuen BAG-Grundsätze zu Teilzeit-Zuschlägen in den Lohnabrechnungen korrekt abgebildet sind
- Betriebsvereinbarungen aktualisieren: Bestehende Regelungen zu “Flexibler Arbeitszeit” müssen unverzüglich nachverhandelt werden – diskriminierende Zuschlagsschwellen sind zu streichen
- KI-Transparenz einfordern: Bei automatisierten Tools formale Darstellung der Entscheidungskriterien nach § 80 Abs. 3 BetrVG verlangen – notfalls mit externer Sachverständigenunterstützung
Die amtierenden Arbeitnehmervertreter müssen jetzt beweisen, dass sie diese komplexen technischen und rechtlichen Herausforderungen meistern können. Kein Wunder also, dass die Nervosität in den Gremien spürbar steigt.
Hinweis: Dieser Artikel bietet allgemeine Informationen zu aktuellen Rechtsentwicklungen und stellt keine Rechtsberatung dar. Betriebsräte sollten bei konkreten Streitfällen rechtlichen Beistand konsultieren.
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