DGUV Vorschrift 2: Neues Jahr, neue Regeln für Cobot-Sicherheit
31.12.2025 - 20:34:12Ab 2026 erlaubt die reformierte DGUV Vorschrift 2 digitale Sicherheitsberatung, während die Pflicht für Sicherheitsbeauftragte in kleinen Betrieben fallen könnte. Für Cobot-Anwender birgt dies Chancen und Risiken.
Ab dem 1. Januar 2026 gelten neue Spielregeln für die Arbeitssicherheit in deutschen Fabrikhallen. Die reformierte DGUV Vorschrift 2 tritt in Kraft und erlaubt erstmals umfangreiche digitale Sicherheitsberatung. Zeitgleich plant die Bundesregierung, die Pflicht zur Bestellung von Sicherheitsbeauftragten für kleine Betriebe abzuschaffen. Für Unternehmen mit kollaborativen Robotern (Cobots) bedeutet diese Doppel-Entwicklung mehr Flexibilität, aber auch mehr eigene Verantwortung.
Digitale Beratung wird rechtssicher
Die überarbeitete DGUV Vorschrift 2 modernisiert den Arbeitsschutz entscheidend. Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifa) dürfen künftig bis zu 33 Prozent ihrer vorgeschriebenen Beratungsstunden digital leisten. In begründeten Einzelfällen sind sogar 50 Prozent möglich. Diese „IKT-Beratung“ per Video und E-Learning ist ein Paradigmenwechsel.
Für Cobot-Betreiber ergeben sich konkrete Vorteile: Risikobewertungen und Zellenlayouts können nun remote überprüft werden. Auch die theoretische Sicherheitsunterweisung darf auf digitalen Plattformen stattfinden – muss aber durch praktische Unterweisung am Roboter ergänzt werden. Zulässig ist das nur, wenn der Arbeitgeber sicherstellt, dass die Inhalte verstanden und umgesetzt werden.
Passend zum Thema Sicherheitsbewertungen: Viele Arbeitgeber unterschätzen, welche Anforderungen Aufsichtsbehörden an eine Gefährdungsbeurteilung stellen – besonders bei kollaborativen Applikationen. Ein kostenloser Leitfaden mit praxiserprobten Vorlagen, Risikomatrix und Checklisten zeigt Schritt für Schritt, wie Sie rechtssichere Gefährdungsbeurteilungen erstellen, die Prüfungen bestehen und Zeit sparen. Ideal für Sifas und Verantwortliche in KMU, auch im Remote‑Beratungsbetrieb. Jetzt Gefährdungsbeurteilung‑Vorlagen & Checklisten herunterladen
Die neuen Regelungen erweitern zudem den Expertenkreis. Künftig können auch Fachleute aus Arbeitspsychologie und Ergonomie als Sifas anerkannt werden. Das ist besonders für Cobot-Anwendungen relevant, wo die menschliche Interaktion mit dem Roboter ein zentrales Sicherheitsthema ist.
Streitfall Sicherheitsbeauftragte
Während die Digitalisierung voranschreitet, könnte eine andere Säule der betrieblichen Sicherheit wegbrechen. Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am 30. Dezember 2025 berichtete, plant die Ampelkoalition, kleine Unternehmen von der Pflicht zur Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten zu befreien. Das Vorhaben ist Teil eines Bürokratieentlastungsgesetzes und hoch umstritten.
Was bedeutet das für die Unterweisungspflicht? Die Folgen wären gravierend, besonders in kleinen Betrieben, die oft Cobots einsetzen. Der Sicherheitsbeauftragte fungiert als Multiplikator und beobachtet das tägliche Verhalten. Fehlt diese Person, liegt die Last der detaillierten Sicherheitsunterweisung allein beim Unternehmer. Informelle Korrekturen – etwa wenn ein Mitarbeiter in den Arbeitsraum des Cobots greift – entfallen.
Gewerkschaften und Sicherheitsexperten warnen vor einem Anstieg von Arbeitsunfällen. Bei Cobots sei die Gefahr der Sorglosigkeit besonders groß. Der Sicherheitsbeauftragte war oft die Instanz, die darauf achtete, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen eingehalten und Greifer nicht eigenmächtig modifiziert wurden. Fällt diese Kontrolle weg, muss die formale Unterweisung deutlich umfangreicher und häufiger sein.
ISO-Standard setzt auf „kollaborative Applikation“
Parallel zur regulatorischen Entwicklung hat sich 2025 der technische Standard gewandelt. Die überarbeiteten Normen ISO 10218-1 und -2:2025 etablieren den Begriff der kollaborativen Applikation. Entscheidend ist nicht mehr der „sichere Roboter“ an sich, sondern die Sicherheit der gesamten Anwendung aus Roboter, Greifer, Werkstück und Umgebung.
Diese Nuance muss Kern jeder Sicherheitsunterweisung 2026 sein. Die Schulung muss anwendungs- und aufgabenspezifisch erfolgen. Ein Cobot, der ein scharfes Metallteil hält, birgt andere Risiken als derselbe Roboter mit einem Schaumstoffpolster. Mitarbeiter müssen verstehen, warum Geschwindigkeits- und Kraftbegrenzungen (PFL) eingestellt sind und dass Manipulationen strikt verboten sind.
Auch die verschiedenen Stopp-Arten sind zentral. Die Unterscheidung zwischen einem „Schutzstopp“ und einem „Not-Halt“ muss vermittelt werden. Marktberichte zeigen, dass Hersteller wie Universal Robots vermehrt Sicherheitstrainings mit ihrer Hardware bündeln. Das entbindet den Arbeitgeber jedoch nicht von seiner Pflicht zur betriebsspezifischen Unterweisung.
Hybrid-Sicherheitskultur erfordert Kompetenz
Die Gleichzeitigkeit von digitaler Öffnung und möglichem Abbau betrieblicher Sicherheitsstrukturen schafft eine hybride Sicherheitskultur. Die einen gewinnen mehr Werkzeuge, die anderen verlieren wichtige Kontrolleure.
Beobachter erwarten einen Boom für Compliance-as-a-Service-Modelle. Externe Sicherheitsdienstleister könnten die neuen digitalen Möglichkeiten nutzen, um die Unterweisungszyklen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) remote zu managen. Für den Cobot-Markt, der 2026 nach einem flachen Vorjahr wieder an Fahrt gewinnen soll, könnte das die Einstiegshürde senken.
Das rechtliche Risiko bleibt jedoch beim Arbeitgeber. Bei einem Unfall mit einem Cobot ist der Nachweis einer lückenlosen, aktuellen Unterweisung das erste Dokument, das die Behörden anfordern. Die Effizienzgewinne des Jahres 2026 verlangen also mehr denn je Kompetenz von denen, die die Sicherheitsrahmen gestalten.
Das ist jetzt zu tun
Unternehmen mit Cobots sollten zum Jahresstart drei Prioritäten setzen:
- Verträge anpassen: Bei externen Sicherheitsfachkräften müssen die Vereinbarungen um die neuen digitalen Beratungsquoten ergänzt werden.
- Unterweisungsinhalte prüfen: Schulungsmaterial muss auf die Terminologie der „kollaborativen Applikation“ nach ISO 10218:2025 abgestimmt sein. Die Gefahr der Sorglosigkeit im Umgang mit Cobots sollte ein eigenes Modul sein.
- Gesetzgebung beobachten: Der Gesetzentwurf zur Abschaffung der Sicherheitsbeauftragten muss genau verfolgt werden. Falls die Pflicht entfällt, sollten Unternehmen prüfen, ob sie die Rolle freiwillig beibehalten, um das Sicherheitsniveau zu halten.
PS: Angesichts der neuen digitalen Beratungsquoten und der verschärften Normanforderungen sollten Verantwortliche jetzt ihre Gefährdungsbeurteilungen auf Prüfstand stellen. Ein kostenloser Download liefert praxiserprobte Vorlagen, Checklisten und eine Schritt‑für‑Schritt‑Anleitung, damit Ihre GBU bei Betriebsprüfungen und Aufsichtsbehörden Bestand hat — inklusive Hinweisen zu kollaborativen Applikationen. Kostenlose GBU‑Vorlagen & Leitfaden sichern


