Deutschlands, Gesundheits-Digitalisierung

Deutschlands Gesundheits-Digitalisierung: Erfolg oder Debakel?

09.11.2025 - 14:41:12

Notfall-Reparatur im Bundestag

Während die Regierung ihr digitales Vorzeigeprojekt vorantreibt, formiert sich massiver Widerstand aus den Apotheken. Die elektronische Patientenakte (ePA) dümpelt bei mageren 3% aktiver Nutzer – und das System kämpft mit technischen Problemen. Gleichzeitig drohen Apotheker mit Protesten gegen eine Reform, die ihre Existenz bedroht. Steht Deutschlands Gesundheitswesen vor dem digitalen Kollaps?

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Der Bundestag verabschiedete am 6. November 2025 neue Maßnahmen zur Rettung der ePA. Zeitgleich verschärften Apothekerverbände ihre Warnungen vor der geplanten Apothekenreform und kündigten massiven Widerstand an. Die Regierung muss Mitte Dezember entscheiden – unter enormem Druck.

Die Zahlen sind ernüchternd: Obwohl für rund 70 Millionen Bürger automatisch elektronische Patientenakten angelegt wurden, nutzen sie aktiv gerade einmal 3% der Versicherten. Ein digitales Milliardengrab?

Der Bundestag reagierte am 6. November mit zwei Gesetzesänderungen. Die erste Maßnahme stärkt den Datenschutz: Sensible Abrechnungsdaten bleiben künftig standardmäßig nur für Patienten selbst zugänglich. Verbraucherschützer applaudieren.

Doch die zweite Änderung sorgt für Kopfschütteln: Das Video-Ident-Verfahren zur Identitätsprüfung kehrt zurück. Die Regierung will damit die Aktivierungshürde senken. Sicherheitsexperten warnen jedoch vor einem Rückschritt zu weniger sicheren Authentifizierungsmethoden. Verzweiflung bei den Nutzerzahlen?

Parallel dazu kämpft das System mit massiven technischen Problemen. Arztpraxen, die seit Oktober 2025 verpflichtet sind, Patientendaten hochzuladen, berichten von ständigen Ausfällen der Telematikinfrastruktur (TI). Nordrhein-Westfalen startet jetzt eine wissenschaftliche Studie, um die realen Erfahrungen von Ärzten, Kliniken und Patienten systematisch zu erfassen.

Apotheker in Aufruhr: “Bewusste Zerstörung”

Während die Politik an der digitalen Front feuerlöscht, eskaliert die Lage bei den Apotheken. Der Grund: Eine Reformvorlage, die aus Sicht der Apotheker ihre wirtschaftliche Existenz ignoriert. Das zentrale Problem: Die Regierung weigert sich, die Festgebühr für verschreibungspflichtige Medikamente zu erhöhen – seit 13 Jahren unverändert.

“Diese Phase ist entscheidend für die Verhandlungen”, warnte Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), am 5. November auf einer Kammersitzung in Nordrhein. Er appellierte an Apotheker, direkt mit lokalen Politikern zu sprechen. Die Kabinettsentscheidung steht Mitte Dezember an – und die Stimmung ist explosiv.

Berend Groeneveld, Vorsitzender des Apothekerverbands Niedersachsen, wurde noch deutlicher: Die Bundesregierung nehme “bewusst die Zerstörung des Apothekensystems in Kauf”. Seine Forderung: Sofortige Umsetzung der versprochenen Honorarerhöhung auf mindestens 9,50 Euro pro Packung. Andernfalls drohe “massiver Widerstand”.

Das wackelige Fundament

Alle digitalen Gesundheitsanwendungen stehen und fallen mit der Stabilität der Infrastruktur. Das E-Rezept funktioniert mittlerweile als Arbeitspferd des Systems – über eine Milliarde Rezepte wurden seit der Pflichteinführung im Januar 2024 elektronisch eingelöst. Doch auch hier hakt es gewaltig.

Apothekerverbände kritisieren die Komplexität der Telematikinfrastruktur: Ein einziger Ausfall kann den Zugriff auf E-Rezepte verhindern und die Patientenversorgung gefährden. Die nationale Digitalagentur gematik kündigte am 7. November das nächste Firmware-Update für zentrale TI-Konnektoren an – eine von vielen ständigen Nachbesserungen, um das System überhaupt am Laufen zu halten.

Zwischen Vision und Realität

Deutschlands digitale Gesundheitsstrategie steht vor einer doppelten Bewährungsprobe: mangelnde Nutzerakzeptanz trifft auf fehlende Unterstützung der Leistungserbringer. Die erneute Zulassung weniger sicherer Verifizierungsmethoden zeigt, wie verzweifelt die Regierung nach Erfolgsmeldungen sucht – selbst auf Kosten der Sicherheit.

Noch brisanter: Die Ignoranz gegenüber den wirtschaftlichen Nöten der Apotheker könnte einen Schlüsselpartner im Gesundheitssystem verprellen. Ohne deren Unterstützung droht das gesamte Digitalisierungsprojekt zu scheitern. Kann eine Reform funktionieren, wenn die sie wirtschaftlich ruiniert, die sie umsetzen sollen?

Entscheidung im Dezember

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Regierung noch eine Kehrtwende hinbekommt. Die Apothekenreform steht Mitte Dezember zur Kabinettsentscheidung – mit ungewissem Ausgang. Bei der elektronischen Patientenakte wartet man gespannt, ob die Gesetzesänderungen und technischen Reparaturen endlich die Nutzerzahlen steigern.

Die Studie aus Nordrhein-Westfalen wird entscheidende Erkenntnisse liefern. Am Ende zählt jedoch nur eines: Verdient das milliardenschwere Digitalprojekt das Vertrauen von Patienten und Ärzten? Oder wird es als warnendes Beispiel in die Geschichte eingehen, wie man digitale Transformation nicht angeht?

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