Deutschland: Cyber-Angriffswelle erschüttert digitale Souveränitätspläne
24.11.2025 - 04:20:12Deutsche Server im Zentrum einer globalen Hacker-Attacke – ausgerechnet jetzt, wo Kanzler Merz und Macron Europa digital unabhängig machen wollen. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität könnte kaum größer sein.
Sicherheitsforscher haben am Wochenende einen massiven Cyber-Spionage-Angriff auf Unternehmensnetzwerke weltweit aufgedeckt. Das Besondere: Die Attacken laufen größtenteils über deutsche Internetinfrastruktur. Die Enthüllung erfolgt nur wenige Tage, nachdem Kanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine historische Initiative zur digitalen Unabhängigkeit Europas im Wert von 12 Milliarden Euro verkündet haben.
Kann Deutschland gleichzeitig digitale Führungsmacht werden und grundlegende Sicherheitslücken stopfen? Die Ereignisse dieser Woche legen nahe: Das wird schwierig.
Am Freitag schlugen Cybersicherheitsexperten von GreyNoise und anderen Threat-Intelligence-Firmen Alarm: Eine koordinierte Brute-Force-Kampagne zielt auf VPN-Portale von Palo Alto Networks ab. Seit Mitte November verzeichnen die Analysten über 2,3 Millionen bösartige Anmeldeversuche. Die Hacker versuchen systematisch, Login-Daten zu erraten und so in Firmennetzwerke einzudringen.
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Für deutsche Regulierungsbehörden besonders brisant: Rund 62 Prozent des schädlichen Datenverkehrs stammt aus einem einzigen deutschen Autonomous System (AS200373), registriert auf die 3xK Tech GmbH. Die Angreifer nutzen ein ausgeklügeltes Botnet, das über die /global-protect/login.esp-Schnittstelle Zugangsdaten durchprobiert.
„Die Konzentration von Angriffsverkehr aus einer deutschen Quelle ist höchst ungewöhnlich und deutet auf eine erhebliche Kompromittierung lokaler Infrastruktur hin”, heißt es in einem Bericht von Cyber Security News vom Freitag. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat sich bislang nicht zu einer Täter-Zuordnung geäußert.
Der Vorfall veranschaulicht einen wachsenden Trend: Cyberkriminelle missbrauchen die digitale Infrastruktur vertrauenswürdiger Nationen wie Deutschland für ihre Angriffe. Durch dieses “Island Hopping” umgehen sie geografische Blockaden und täuschen Sicherheitssysteme.
Merz und Macron: 12 Milliarden für digitale Unabhängigkeit
Die Sicherheitspanne könnte zeitlich kaum ungünstiger kommen. Erst am Dienstag hatte Kanzler Merz den französischen Präsidenten Macron zum EU-Digitalgipfel in Berlin empfangen. Dort präsentierten beide Staatschefs einen „Digitalen Souveränitätspakt” über gemeinsame Investitionen von 12 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren.
Das Programm ruht auf zwei Säulen:
Souveräne KI-Fabriken: Drei neue “AI Giga Factories” in Deutschland und Frankreich sollen große Sprachmodelle auf europäischer Infrastruktur trainieren – unter Einhaltung strenger EU-Datenschutzstandards.
Cloud-Unabhängigkeit: Das Projekt “IPCEI-CIS” (Important Project of Common European Interest – Cloud Infrastructure and Services) soll eine föderierte europäische Cloud schaffen, die mit amerikanischen Hyperscalern konkurrieren kann.
„Digitale Souveränität hat einen Preis, aber digitale Abhängigkeit kostet mehr”, erklärte Merz während des Gipfels. Die Worte klingen angesichts der deutschen Server-Kompromittierung allerdings fast ironisch.
Digitalministerium will EU-KI-Gesetz verzögern
Während die Kanzlei Milliarden für neue Infrastruktur verspricht, bremst das Bundesministerium für digitale Transformation bei der Regulierung. In einem Positionspapier von Ende Oktober, das diese Woche in Berlin intensiv diskutiert wurde, fordert Ressortchef Karsten Wildberger eine einjährige Verzögerung bei der vollständigen Umsetzung des EU-KI-Gesetzes.
Das Ministerium argumentiert, die aktuellen Compliance-Fristen würden deutsche kleine und mittlere Unternehmen überfordern. Der Vorschlag umfasst:
- Erleichterungen für KMUs: Weniger Dokumentations- und Risikobewertungspflichten für kleinere Tech-Firmen
- Streichung von Grundrechte-Folgenabschätzungen: Unternehmen müssten nicht mehr detailliert analysieren, wie ihre KI-Systeme Menschenrechte beeinflussen könnten – ein Punkt, den Kritiker als Aushöhlung des Gesetzes ansehen
- Harmonisierung der Definitionen: Angleichung der Terminologie des KI-Gesetzes an andere EU-Digitalgesetze
„Wir müssen das KI-Gesetz innovationsfreundlich auslegen und umsetzen”, heißt es in dem Dokument. Die deregulatorische Haltung sorgt für Spannungen innerhalb der Koalition, findet aber Zustimmung beim Digitalverband Bitkom.
IT-Sicherheitsmarkt wächst auf Rekordhoch
Die Dringlichkeit zeigt sich in aktuellen Marktzahlen. Laut Bitkom wird der deutsche IT-Sicherheitsmarkt 2025 um 10,1 Prozent wachsen und erstmals die 12-Milliarden-Euro-Marke überschreiten.
Trotz steigender Investitionen bleibt die Bedrohungslage angespannt. Der BSI-Bericht „Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2025″ vom Anfang November beschreibt die Situation als „angespannt”: 26 Prozent mehr neue Malware-Varianten und eine Verdoppelung hochvolumiger DDoS-Attacken im Vergleich zum Vorjahr.
Was jetzt kommt
Deutschland steht am Jahresende vor einer doppelten Herausforderung: Die ehrgeizigen Infrastrukturprojekte der Merz-Regierung umsetzen und gleichzeitig die durch die Palo-Alto-Angriffe offengelegten Schwachstellen schließen.
Branchenexperten erwarten, dass das BSI in den kommenden Wochen schärfere Vorschriften für Hosting-Provider ankündigen wird. Die Debatte über die Verzögerung des EU-KI-Gesetzes dürfte bis Dezember die Brüsseler Agenda dominieren, während Deutschland versucht, Sicherheit und Innovation in Einklang zu bringen.
„Die Ereignisse dieser Woche zeigen: Digitale Souveränität gibt es nicht ohne digitale Sicherheit”, kommentierte ein Cybersicherheitsanalyst die VPN-Attacken. „KI-Fabriken zu bauen ist sinnlos, wenn die grundlegende Netzwerkinfrastruktur löchrig bleibt.”
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