Datenschutzbeauftragte, Formular-Verwalter

Datenschutzbeauftragte: Vom Formular-Verwalter zum Cyber-Krisenmanager

23.11.2025 - 09:41:12

Der betriebliche Datenschutz steht vor einem Umbruch. Zwei regulatorische Weichenstellungen innerhalb einer Woche markieren eine fundamentale Neuausrichtung: Der Deutsche Bundestag hat Mitte November das NIS2-Umsetzungsgesetz verabschiedet, fast zeitgleich legte die EU-Kommission am 19. November den finalen Entwurf der „Omnibus IV”-Verordnung vor. Für Unternehmen bedeutet das eine paradoxe Situation – weniger Bürokratie hier, verschärfte Meldepflichten dort. Und mittendrin: der Datenschutzbeauftragte, dessen Rolle sich radikal wandelt.

Die Botschaft ist eindeutig: Wer den DSB noch als Compliance-Feigenblatt betrachtet, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Das NIS2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz macht Ernst mit der digitalen Sicherheit. Rund 30.000 deutsche Unternehmen fallen künftig unter die Kategorie „besonders wichtige” oder „wichtige” Einrichtungen – ein gewaltiger Sprung gegenüber bisher. Die Konsequenz? Cybersicherheit wird zur Chefsache, und der Datenschutzbeauftragte rückt ins Zentrum der operativen Krisenabwehr.

Die neuen Meldepflichten haben es in sich: Erhebliche Sicherheitsvorfälle müssen binnen 24 Stunden als Frühwarnung an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gemeldet werden. Nach 72 Stunden folgt der vollständige Bericht. Klingt machbar? Die Crux liegt im Detail.

Fast jeder Cyber-Vorfall – sei es ein Ransomware-Angriff oder eine Server-Kompromittierung – berührt auch personenbezogene Daten. Damit greifen parallel zwei Meldeketten: Die bekannte DSGVO-Meldung an die Datenschutzbehörde (72 Stunden) und die neue, noch striktere BSI-Meldung. Ohne perfekt abgestimmtes Zusammenspiel zwischen CISO und Datenschutzbeauftragtem werden diese Fristen zur Sisyphusarbeit.

Anzeige

Passend zum Thema Meldepflichten und Verarbeitungsverzeichnis: Viele Unternehmen unterschätzen, wie detailliert ein prüfungssicheres Verarbeitungsverzeichnis sein muss – gerade jetzt, wo NIS2 und DSGVO parallel Meldeketten erzwingen. Eine kostenlose, praxiserprobte Excel‑Vorlage zeigt Ihnen Schritt für Schritt, welche Angaben Aufsichtsbehörden erwarten, wie Sie Doppelmeldungen vermeiden und wie Sie Ihr Verzeichnis in kurzer Zeit prüfungssicher aufbauen. Inklusive Musterfelder, Prüfungs-Checklist und kurzen Erläuterungen zur Risikodokumentation. Jetzt Verarbeitungsverzeichnis-Vorlage gratis herunterladen

Der DSB wird zur ersten Verteidigungslinie im Krisenmanagement – eine operative Rolle, die weit über das bisherige Dokumentieren von Verarbeitungsverzeichnissen hinausgeht.

Brüsseler Entlastungsversprechen mit Haken

Während Berlin die Zügel anzieht, verspricht Brüssel Erleichterung. Der „Omnibus IV”-Entwurf will administrative Hürden abbauen, besonders beim viel diskutierten Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO. Bisher galt die Befreiungsschwelle theoretisch bei unter 250 Mitarbeitern – praktisch griff sie aber fast nie, da die Ausnahme nicht galt, sobald Datenverarbeitung „nicht nur gelegentlich” erfolgte.

Die geplante Reform hebt die Schwelle auf „Small Mid-Caps” mit bis zu 750 Mitarbeitern an. Klingt nach einem Befreiungsschlag für den Mittelstand? Nicht ganz. Die Befreiung greift nur, wenn kein hohes Risiko für die Rechte der Betroffenen besteht.

Was wie eine Erleichterung daherkommt, verschiebt die Aufgabe des DSB fundamental: Statt Listen zu pflegen, muss er nun fundierte Risikoanalysen durchführen, um überhaupt belegen zu können, dass das Unternehmen befreit ist. Die bürokratische Fleißarbeit weicht der analytischen Verantwortung. Aus dem Formular-Verwalter wird der Risiko-Assessor.

Zwei Reformen, eine Richtung: Professionalisierung ist Pflicht

Die zeitliche Koinzidenz der beiden Gesetzesinitiativen ist kein Zufall. Sie offenbaren eine klare Strategie des Gesetzgebers in Berlin und Brüssel: Weniger Papierkram, mehr Sachverstand. Der DSB der Zukunft braucht ein Kompetenzprofil, das drei Säulen vereint:

  • Technisches Verständnis: NIS2 fordert tiefes Wissen über IT-Sicherheitsarchitekturen, Incident Response und Bedrohungslagen.
  • Juristische Expertise: Die neuen „High-Risk”-Bewertungen der Omnibus-Verordnung müssen rechtssicher begründet werden können.
  • KI-Kompetenz: Die Omnibus-Reform soll auch das Zusammenspiel zwischen DSGVO und dem kommenden AI Act harmonisieren.

Experten wie die Plattform activeMind.legal warnen bereits, dass die Reformen zunächst Rechtsunsicherheit schaffen könnten. Neue Definitionen, fließende Übergänge zwischen Regelwerken und die Notwendigkeit, komplexe Risikoabwägungen zu treffen – all das erhöht die Notwendigkeit eines qualifizierten DSB, anstatt sie zu senken.

Der Beratungsmarkt steht vor einer Konsolidierung. Externe Datenschutzbeauftragte, die bisher primär standardisierte Dokumentenpakete verkauften, geraten unter Druck. Gefragt sind Spezialisten, keine Generaldokumentatoren.

Countdown bis 2026: Jetzt handeln oder später zahlen

Das Inkrafttreten des NIS2-Umsetzungsgesetzes wird für Anfang 2026 erwartet – die Uhr tickt bereits. Unternehmen sollten die verbleibenden Wochen nutzen, um ihre Meldeketten zu testen und den DSB zwingend in die Business-Continuity-Pläne (BCM) zu integrieren. Wer im Ernstfall erst nach Kontaktdaten suchen muss, hat schon verloren.

Bezüglich der Omnibus-Reform empfiehlt sich eine vorausschauende Prüfung: Fällt das Unternehmen künftig unter die erweiterte Schwelle der „Small Mid-Caps”? Falls ja, sollte bereits jetzt eine vorläufige Risikobewertung der Verarbeitungstätigkeiten vorbereitet werden, um die potenzielle Befreiung vom Verarbeitungsverzeichnis nachweisen zu können.

Die neue Realität: Risiko statt Routine

Die Entwicklungen dieser Woche zeichnen ein klares Bild: Der Datenschutzbeauftragte wird komplexer, technischer und risikoorientierter. Die Position als reine Formalität zu betrachten, ist keine Option mehr. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur DSGVO-Bußgelder, sondern auch Sanktionen und persönliche Haftungsrisiken für die Geschäftsführung unter dem neuen NIS2-Regime.

Die Botschaft aus Berlin und Brüssel könnte nicht deutlicher sein: Datenschutz ist kein Papierkrieg mehr – er ist Risikomanagement in Echtzeit. Unternehmen, die das verstehen und ihre DSB-Funktion entsprechend ausstatten, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Die anderen werden ihn teuer bezahlen.

Anzeige

PS: Lücken im Verarbeitungsverzeichnis sind häufiger als gedacht und können Bußgelder oder Prüfungsnachfragen nach sich ziehen. Dieser kostenlose Download liefert nicht nur eine editierbare Excel‑Vorlage, sondern auch Hinweise auf häufig fehlende Felder, Musterformulierungen für Verantwortliche und eine kompakte Anleitung zur Nachweisführung gegenüber der Aufsichtsbehörde. Ein schnelles Tool, um Ihre DSB‑Vorbereitung bis zum Inkrafttreten von NIS2 und Omnibus IV zu sichern. Verarbeitungsverzeichnis inklusive Anleitung jetzt herunterladen

@ boerse-global.de