Continental, Bosch

Continental und Bosch: Die teure Falle der Eigenkündigung

30.12.2025 - 20:35:12

In der aktuellen Restrukturierungswelle riskieren Beschäftigte bei vorzeitiger Kündigung hohe Abfindungen. Experten raten zum Warten auf spezielle Turbo-Klauseln in Sozialplänen.

Wer in der Krise zu früh kündigt, verliert fünfstellige Abfindungen. Während die deutsche Industrie in eine historische Umbruchphase eintritt, wird eine spezielle Klausel in Sozialplänen zum entscheidenden Streitpunkt für Tausende Beschäftigte.

Frankfurt am Main – Die massive Restrukturierungswelle bei Konzernen wie Continental, Volkswagen und Bosch bringt ein lange unterschätztes arbeitsrechtliches Risiko ans Licht: die sogenannte „Eigenkündigungs-Falle“. Wer in der Unsicherheit eines Stellenabbaus vorsorglich selbst kündigt, um einen neuen Job anzutreten, verzichtet damit oft auf Abfindungen im fünfstelligen Bereich. Der Grund: Klassische Sozialpläne sehen Zahlungen meist nur für betriebsbedingte Kündigungen vor.

Rechtsexperten und Betriebsräte warnen am 30. Dezember 2025 eindringlich davor, in dieser Situation voreilig zu handeln. Die Lösung liegt in speziellen „Turboklauseln“ oder „Sprinterprämien“, die derzeit in Verhandlungen hart erkämpft werden. Sie ermöglichen es Beschäftigten, das Unternehmen frühzeitig zu verlassen – und dennoch die volle Abfindung plus einen Bonus zu erhalten.

Warum die „Turboklausel“ jetzt Gold wert ist

Das Dilemma ist paradox: Gerade die hochqualifizierten Fachkräfte, die in der Automobil- und Zuliefererbranche am schnellsten eine neue Stelle finden, sind die Hauptleidtragenden der geplanten Stellenstreichungen. Kündigen sie jedoch selbst, entfällt der Anspruch auf die Sozialplan-Abfindung. Die aktuelle Dynamik am Arbeitsmarkt macht diesen Konflikt akut.

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„Der Rat für jeden Mitarbeiter in einem umstrukturierenden Unternehmen lautet aktuell: abwarten“, fasst eine arbeitsrechtliche Analyse vom Dezember zusammen. Eine Kündigung vor Unterzeichnung eines Sozialplans gilt als der größte finanzielle Fehler. In den letzten Verhandlungen des Jahres 2025 haben Gewerkschaften wie IG Metall die Aufnahme von Turboklauseln daher zur Standardforderung erhoben. Diese regeln typischerweise:
* Den Erhalt der vollen Basisabfindung (berechnet nach Alter und Betriebszugehörigkeit).
* Eine Sprinterprämie als Bonus für das vorzeitige Verlassen (oft 50-100 % des Bruttogehalts der Restkündigungsfrist).
* Rechtssicherheit durch Verzicht auf die Sperrfrist, um sofort beim neuen Arbeitgeber starten zu können.

Führungswechsel bei Continental unterstreicht Dringlichkeit

Die Brisanz der Thematik zeigt sich exemplarisch bei Continental AG. Am 31. Dezember 2025 endet die Ära von CEO Nikolai Setzer, der das Unternehmen durch eine strategische Neuausrichtung führte. Ab dem 1. Januar 2026 übernimmt Christian Kötz den Vorstandsvorsitz.

Dieser Führungswechsel fällt mit dem Abschluss der Ausgliederung des Automotive-Sektors zusammen. Für die Belegschaft bedeutet dies ein komplexes Geflecht aus Versetzungen und möglichen Stellenstreichungen. Besonders für begehrte Ingenieure in der Automotive-Sparte ist die Rechtslage kritisch: Wechseln sie ohne eine entsprechende Turbo-Vereinbarung zur Konkurrenz, riskieren sie hohe Abfindungszahlungen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Bosch. Der Konzern setzt seinen angekündigten Stellenabbau von rund 13.000 Positionen um, der vor allem den Mobilitätsbereich trifft. Auch hier ringen Betriebsräte darum, freiwillige Abgänge finanziell attraktiv zu gestalten, statt sie zu bestrafen.

Rechtslage: BAG-Urteil schafft Klarheit – mit einer Lücke

Die rechtliche Grundlage wurde 2025 durch ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gestärkt (Aktenzeichen 1 AZR 73/24). Es sicherte Ansprüche aus Sozialplänen auch dann, wenn der Arbeitgeber den Plan selbst anfechtet.

Für die Eigenkündigung gilt jedoch nach wie vor: Fehlt eine explizite Regelung im Sozialplan, entfällt der Anspruch meist, da der „betriebsbedingte“ Kündigungsgrund wegfällt. Die Beweislast liegt hier beim Arbeitnehmer.

Ausblick 2026: Die zweischneidige Freiwilligkeit

Für das kommende Jahr zeichnet sich ein strategisches Tauziehen ab. Für Arbeitgeber sind freiwillige Abgänge zwar attraktiv, um teure Kündigungsschutzprozesse zu vermeiden. Ein zu früher Abgang von Schlüsselpersonal (der „Brain Drain“) kann jedoch laufende Projekte gefährden. Daher werden viele Sozialpläne für 2026 voraussichtlich „Steuerungsklauseln“ enthalten, mit denen Unternehmen bei wichtigen Mitarbeitern ein Vetorecht gegen vorzeitige Abgänge einräumen können.

Angesichts einer prognostizierten Stagnation der deutschen Wirtschaft zu Jahresbeginn 2026 bleibt der Sozialplan das zentrale Dokument für Industriebeschäftigte. Das „Recht auf bezahltes Gehen“ wird einer der bestimmenden arbeitspolitischen Konflikte des neuen Jahres werden.

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