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Chat Control: Signal droht mit EU-Ausstieg

08.10.2025 - 07:25:02

Die EU entscheidet über umstrittene Chatkontrolle, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gefährdet. Signal und Meta drohen mit EU-Ausstieg, Deutschland hat Schlüsselrolle in der Abstimmung.

Die Zukunft verschlüsselter Kommunikation in Europa steht vor einer Zerreißprobe. Am 14. Oktober entscheidet der EU-Rat über die umstrittene „Chat Control“-Verordnung – ein Gesetz, das nach Ansicht von Datenschützern und Tech-Konzernen die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zerstören könnte. Der Messenger-Dienst Signal droht bereits mit dem Rückzug aus der EU.

Die offiziell zur Bekämpfung von Kindesmissbrauchsmaterial gedachte Verordnung würde Anbieter dazu verpflichten, private Nachrichten, Fotos und Videos direkt auf Nutzergeräten zu scannen – noch bevor sie verschlüsselt und versendet werden. Eine Überwachungstechnologie, die eine heftige Debatte über die Grenzen zwischen Sicherheit und Privatsphäre entfacht hat.

Streitpunkt: Scanning auf dem Gerät

Im Zentrum der Kontroverse steht das sogenannte Client-Side Scanning. Dabei wird Software auf dem Nutzergerät installiert, die Inhalte auf illegales Material überprüft, bevor diese verschlüsselt übertragen werden. Die dänische EU-Ratspräsidentschaft argumentiert, diese Technologie sei ein notwendiges Werkzeug für Strafverfolger und breche die Verschlüsselung technisch nicht auf.

Doch Cybersicherheitsexperten, Datenschützer und Tech-Unternehmen bezeichnen diese Argumentation als „absurd“. Client-Side Scanning unterlaufe den Zweck der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung fundamental, indem es eine Hintertür für Überwachung schaffe. Die Electronic Frontier Foundation warnt: Sobald Regierungen Zugang zu einem „Ende“ einer verschlüsselten Kommunikation haben, ist diese nicht mehr sicher.

Signal stellt Ultimatum

Der Widerstand der Tech-Branche ist eindeutig. Signal-Präsidentin Meredith Whittaker hat wiederholt erklärt, das Unternehmen werde seine Datenschutz-Prinzipien nicht aufgeben. Sollte Signal zwischen dem Bau einer „Überwachungsmaschine“ und dem EU-Ausstieg wählen müssen, würde das Unternehmen gehen.

Auch Meta, der WhatsApp-Konzern, lehnt den Vorschlag scharf ab. Ein Sprecher betonte, die Pläne „untergraben weiterhin die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und gefährden Privatsphäre, Freiheit und digitale Sicherheit aller Nutzer“. Diese geschlossene Front der großen Messenger-Dienste verdeutlicht die technischen und ethischen Hürden.

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Deutschland als Zünglein an der Waage

Der „Chat Control“-Streit spiegelt den weltweiten Konflikt zwischen Regierungen und Datenschützern wider. Während Länder wie Frankreich und Spanien die Verordnung unterstützen, lehnen Österreich, die Niederlande und Polen sie ab. Deutschlands Position gilt als entscheidend – auf die Bundesregierung wird vor der Abstimmung massiver Druck ausgeübt.

Der Chaos Computer Club warnt vor einem gefährlichen Präzedenzfall: Die Annahme könnte „die Schleusen für Angriffe auf sichere Kommunikationsinfrastrukturen“ weltweit öffnen. Hacker und autoritäre Regime könnten die geschaffenen Schwachstellen ausnutzen.

Entscheidung mit Folgen

Heute berät der Ausschuss der Ständigen Vertreter über den Vorschlag – die Vorentscheidung für die finale Abstimmung am 14. Oktober. Stimmt der Rat zu, beginnen die Verhandlungen mit Europaparlament und Kommission.

Das Parlament hatte 2023 eine Position verabschiedet, die den Schutz der Verschlüsselung stärkt – ein direkter Gegensatz zum aktuellen Ratskurs. Wird „Chat Control“ beschlossen, könnte ein Massenexodus sicherer Messenger-Dienste drohen. Europäische Bürger stünden dann vor einer schwierigen Wahl zwischen Privatsphäre und Zugang zu essentiellen Kommunikationstools.

@ boerse-global.de