Bürokratieabbau IV: Digitale Wende im deutschen Arbeitsrecht ab 2025
20.11.2025 - 19:21:12BERLIN – Die Ära der Vertragsunterzeichnung per Kugelschreiber geht zu Ende. Nach Jahren der Kritik macht Deutschland einen Schritt ins digitale Zeitalter: Das am Dienstag finalisierte Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) räumt mit einer der hartnäckigsten Hürden im deutschen Onboarding auf – der obligatorischen Unterschrift mit Tinte auf Papier.
Seit gestern Abend analysieren Rechtsexperten führender Kanzleien wie Baker Tilly und Taylor Wessing fieberhaft die Auswirkungen. Ihr Fazit: Bis zum Inkrafttreten am 1. Januar 2025 müssen Personalabteilungen ihre Prozesse grundlegend umstellen. Zeitgleich verschärft die neue EU-Plattformarbeitsrichtlinie die Anforderungen bei der Einstellung von Freelancern und Gig-Workern.
Für HR-Profis bedeutet das: Weniger Papier, aber mehr Compliance-Aufwand bei der Klassifizierung von Arbeitsverhältnissen.
Zwei Jahre lang kämpften deutsche Personalabteilungen mit der strengen Auslegung des Nachweisgesetzes, das eine handschriftliche Unterschrift für wesentliche Vertragsbedingungen vorschrieb. Diese 2022 verschärfte Regelung galt vielen als Rückschritt in die analoge Steinzeit.
Wie Baker Tilly gestern in einer umfassenden Analyse darlegte, erlaubt das BEG IV künftig die Übermittlung essentieller Vertragsbestandteile in Textform – also per E-Mail oder digitaler Standardsignatur. Die bislang zwingend erforderliche eigenhändige Unterschrift entfällt damit für die meisten Arbeitsverträge.
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„Wir können daher künftig mit einer erheblichen Vereinfachung der Personalverwaltung und der Förderung der Digitalisierung rechnen”, so die Rechtsexperten.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
- Digitale Verträge erlaubt: Standard-Arbeitsverträge können per E-Mail oder elektronischer Signatur (Simple Electronic Signature) rechtswirksam abgeschlossen werden
- Zugangsnachweis erforderlich: Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Dokumente „zugänglich, speicherbar und ausdruckbar” sind und einen Empfangsnachweis anfordern
- Wichtige Ausnahme: Befristete Verträge und nachvertragliche Wettbewerbsverbote benötigen weiterhin die klassische Unterschrift gemäß § 14 TzBfG
Personalverantwortliche sollten ihre Vertragsvorlagen umgehend prüfen. Ein Fehler könnte teuer werden: Wird ein befristeter Vertrag versehentlich digital unterschrieben, ist die Befristung unwirksam – der Vertrag wandelt sich automatisch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis um.
Scheinselbstständigkeit: EU-Richtlinie verschärft Prüfpflichten
Während BEG IV das Onboarding für Festangestellte erleichtert, verkompliziert eine parallele Entwicklung die Zusammenarbeit mit Auftragnehmern. Wie Taylor Wessing heute mitteilte, greift die EU-Plattformarbeitsrichtlinie mit strengeren Vorgaben gegen Scheinselbstständigkeit durch.
Die Richtlinie führt eine gesetzliche Vermutung eines Arbeitsverhältnisses ein, wenn bestimmte Kontrollkriterien erfüllt sind – etwa wenn die Plattform die Vergütung festlegt, die Leistung überwacht oder die Möglichkeit einschränkt, für andere zu arbeiten.
Auswirkungen auf das Onboarding:
- Intensivere Prüfung: Bei der Einstellung von Freelancern oder Selbstständigen muss HR künftig einen rigorosen „Status-Check” durchführen
- Algorithmen-Transparenz: Werden automatisierte Systeme zur Aufgabenverteilung oder Leistungsüberwachung eingesetzt, muss dies gegenüber dem Auftragnehmer offengelegt werden
Unternehmen mit „agilen” Belegschaften oder Freelancer-Pools sollten ihre Onboarding-Checklisten sofort überarbeiten. Das Risiko rückwirkender Sozialversicherungszahlungen und Steuernachforderungen bei falsch klassifizierten Arbeitskräften bleibt im deutschen Arbeitsrecht eine ernste Bedrohung.
Beste Praktiken für die Übergangsphase
Da sich die Regulierungslandschaft diese Woche rasant verändert hat, müssen HR-Verantwortliche von der „administrativen Überlebensstrategie” zur „strategischen Compliance” wechseln. Auf Basis der Leitlinien von Parakar und Rechtsanalysen der letzten 72 Stunden empfehlen sich folgende Best Practices für das restliche vierte Quartal 2024:
Der „Hybrid”-Unterschriften-Workflow
Da die Schriftform-Pflicht für befristete Verträge bestehen bleibt, müssen HR-Systeme einen zweigleisigen Prozess unterstützen:
- Unbefristete Einstellungen: Vollständig digitales Onboarding über sichere Portale (DocuSign, Adobe Sign)
- Befristete Verträge/Praktikanten: Physische Unterschrift oder Einschreiben-Versand weiterhin erforderlich
- Handlungsempfehlung: Vertragsvorlagen im HRIS klar kennzeichnen, um versehentliche digitale Unterzeichnung befristeter Verträge zu verhindern
Digitale Empfangsnachweise etablieren
Nach den neuen Nachweisgesetz-Regeln trägt der Arbeitgeber die Beweislast. Eine simple E-Mail reicht nicht aus, wenn der Arbeitnehmer behauptet, die Bedingungen nie erhalten zu haben.
Best Practice: Implementierung eines automatischen „Empfang bestätigen”-Buttons im Onboarding-Portal, der eine zeitgestempelte Bestätigung des neuen Mitarbeiters protokolliert.
Whistleblower- und DSGVO-Integration
Jüngste Updates betonen die Integration von Compliance-Schulungen in die Onboarding-Phase. Mit dem vollständig aktiven Hinweisgeberschutzgesetz sollten neue Mitarbeiter am ersten Tag über interne Meldekanäle informiert werden. Zudem müssen Datenschutzrichtlinien (DSGVO) zur Verarbeitung von Mitarbeiterdaten transparent kommuniziert werden – nun zulässig via digitaler Dokumentenverteilung gemäß BEG IV.
Ausblick: Was 2025 bringt
Die Verabschiedung des BEG IV markiert einen Wendepunkt für „Deutschland AG”. Die Abschaffung der Unterschriftspflicht bei Standardverträgen dürfte die Time-to-Hire-Kennzahlen im ersten Quartal 2025 signifikant beschleunigen.
Doch die Modernisierung des deutschen Arbeitsrechts ist noch nicht abgeschlossen. Experten erwarten weitere Diskussionen zum Arbeitszeitgesetz und zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung – ein Thema, das nach aktuellen Urteilen des Bundesarbeitsgerichts heiß umstritten bleibt.
Für jetzt ist die Priorität für Personalabteilungen klar: Vertragsvorlagen aktualisieren, Workflows für befristete Verträge separieren und sich auf ein papierloses Onboarding-Erlebnis für Festangestellte ab dem 1. Januar vorbereiten. Die digitale Wende kommt – und sie kommt schneller als gedacht.
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