Sovereign, Cloud

BT startet Sovereign Cloud für britischen Staat

04.12.2025 - 21:13:12

Großbritannien führt eine nationale Cloud-Plattform ein, während die EU ihre digitale Brieftasche vorantreibt. Beide Initiativen zielen auf weniger Abhängigkeit von ausländischer Infrastruktur und mehr Kontrolle über Daten.

Großbritannien und die EU ziehen die Zügel an: Diese Woche brachten wegweisende Entscheidungen für digitale Souveränität – von neuer britischer Cloud-Infrastruktur bis zur EU-Digitalidentität.

London und Brüssel setzen Zeichen in Sachen Datensouveränität. Während BT heute eine neue „Sovereign Platform” für kritische staatliche IT-Systeme präsentierte, treibt die EU parallel ihre digitale Brieftasche voran. Das Ziel auf beiden Seiten des Ärmelkanals: Weniger Abhängigkeit von außereuropäischer Infrastruktur, mehr Kontrolle über Bürgerdaten.

Die Botschaft ist klar – „Cloud First” war gestern, heute heißt es „Sovereign First”. Aber was steckt konkret dahinter?

Anzeige

Viele Behörden und Unternehmen nennen KI inzwischen Priorität Nummer eins – zugleich bringt die EU-KI-Verordnung neue Pflichten, Kennzeichnungen und Dokumentationsanforderungen mit sich, die schnell komplex werden können. Dieser kostenlose Umsetzungsleitfaden fasst die wichtigsten Anforderungen verständlich zusammen, erklärt Risikoklassen, Kennzeichnungspflichten und Übergangsfristen und liefert praktische Checklisten für Entwickler, Anbieter und Entscheider. Jetzt kostenlosen KI-Leitfaden herunterladen

Britische Behörden erhalten dedizierte Cloud-Plattform

BT hat heute eine Cloud-Infrastruktur vorgestellt, die ausschließlich für sensible Regierungs- und Wirtschaftsdaten gedacht ist. Die Besonderheit: Sämtliche Systeme stehen auf britischem Boden, der Betrieb liegt ausschließlich in den Händen sicherheitsüberprüfter britischer Mitarbeiter.

„Souveränität ist nicht nur Compliance oder Risikomanagement – sie ist der Schlüssel, um das Potenzial von KI zu entfesseln und den Betrieb in einer zunehmend unsicheren Welt abzusichern”, erklärte Jon James, CEO von BT Business.

Die Plattform soll künftig verschlüsselte Kommunikation, Cloud-Dienste und KI-Anwendungen hosten. Für britische Behörden bedeutet das: Kritische Daten bleiben im Land und unterliegen ausschließlich britischem Recht. Kein unbemerkter Zugriff durch ausländische Geheimdienste, keine Grauzone bei der Rechtsdurchsetzung.

Das Timing ist kaum Zufall. Erst Montag erhielt die digitale Identität in Großbritannien einen neuen rechtlichen Rahmen.

Digitale Identität wird zum Gesetz

Seit 1. Dezember steht die Nutzung „vertrauenswürdiger” digitaler Identitätsnachweise auf gesetzlicher Grundlage. Der Data (Use and Access) Act schreibt nun verbindliche Standards für zertifizierte Anbieter von Identitätsprüfungsdiensten vor.

Was ändert sich konkret? Wer künftig per App seine Identität nachweisen will – etwa beim Kontoeröffnen oder Automieten – kann sich auf staatlich überwachte Qualitätsstandards verlassen. Die Regierung hofft, damit das Vertrauen der Bürger in digitale ID-Lösungen zu stärken.

Am 2. Dezember trafen sich bereits Vertreter zertifizierter Anbieter mit Regierungsbeamten, um die praktische Umsetzung zu besprechen. Dabei zeigte sich: Die Privatwirtschaft hat bereits massiv in eigene Lösungen investiert – die staatliche Vision einer zentralen oder föderierten Plattform sorgt für Spannungen.

Parallel dazu verkündete die Regierung heute eine weitere Neuerung: Kryptowährungen und andere digitale Assets gelten nun offiziell als persönliches Eigentum. Die Klarstellung soll Besitzern mehr Rechtsschutz bieten und die digitale Ökonomie ins etablierte Rechtssystem integrieren.

EU ringt um einheitliche Digital-Brieftasche

Während London nationale Lösungen vorantreibt, arbeitet Brüssel am großen europäischen Wurf. Am 3. Dezember diskutierten Vertreter der EU-Kommission und Branchenexperten über die European Digital Identity Wallet (EUDIW) – bis 2026 müssen alle Mitgliedstaaten sie ihren Bürgern anbieten.

Das zentrale Problem: Wie verifiziert man Nutzer sicher und gleichzeitig EU-weit einheitlich? Die Kommission hat dazu vom 2. bis 30. Dezember eine öffentliche Konsultation gestartet. Der Entwurf definiert technische Standards für die digitale Identitätsprüfung bei der Ausgabe der Wallet.

„Der Ansatz ist technologieneutral und schließt vollautomatisierte Methoden ausdrücklich ein”, betonte Ronny Khan, leitender Berater der norwegischen Digitalisierungsbehörde. Die Herausforderung: Betrug verhindern, ohne den Zugang zu erschweren.

Die Zeit drängt. Die überarbeitete eIDAS-2.0-Verordnung sieht bereits 2026 grenzüberschreitende Interoperabilitätstests vor. Kann ich mit meiner deutschen Digital-Wallet problemlos in Spanien ein Konto eröffnen oder in Polen ein Auto mieten? Die technische Infrastruktur muss dafür stehen – und zwar bald.

KI-Hunger trifft auf Fachkräftemangel

Was nützt die beste Infrastruktur ohne Know-how? Eine am 3. Dezember veröffentlichte Umfrage von Granicus zeigt: 39 Prozent der britischen Regierungsmitarbeiter sehen künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen als Top-Priorität für die kommenden drei Jahre.

Der Wandel geht über simple Digitalisierung hinaus – Papierprozesse online zu stellen, reicht längst nicht mehr. Gefragt sind intelligente Systeme, die Bürgerbedürfnisse vorhersagen und komplexe Entscheidungen automatisieren.

Doch die Studie offenbart auch eine Kluft: Während Zentralbehörden sich zutrauen, Daten effektiv zu nutzen, hapert es bei lokalen Verwaltungen erheblich. Hier könnten Plattformen wie die von BT ansetzen – sie ermöglichen auch kleineren Behörden Zugang zu fortgeschrittenen Tools, ohne Kompromisse bei der Datensicherheit.

Von der Cloud-Euphorie zur strategischen Unabhängigkeit

Die Ereignisse dieser Woche markieren einen Paradigmenwechsel. Ein Jahrzehnt lang galt „Cloud First” als Mantra – oft mit dem Ergebnis, dass europäische Behörden sich auf außereuropäische Hyperscaler verließen. Diese Phase ist vorbei.

Geopolitische Spannungen und das Bewusstsein für strategische Verwundbarkeit treiben die Abkehr. Digitale Abhängigkeit schafft reale Sicherheitsrisiken – das haben die jüngsten internationalen Krisen deutlich gemacht.

„Die Berliner Erklärung markiert einen weiteren Meilenstein in den Bemühungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten, eine kohärente Vision für ihre digitale Zukunft zu formulieren”, analysierten Rechtsexperten nach den jüngsten EU-Gipfeln. Es geht nicht mehr nur um Effizienz, sondern um die Fähigkeit des Staates, „autonom zu handeln und eigene Lösungen frei zu wählen”.

Die gleichzeitige Stärkung digitaler Identitätsgesetze in UK und EU belegt: Eine funktionierende digitale Wirtschaft braucht eine staatlich garantierte Vertrauensebene.

Was kommt als Nächstes?

Die kommenden Wochen werden entscheidend. Am 30. Dezember endet die Konsultationsfrist für die EU-Standards zur digitalen Identitätsprüfung. Das Feedback der Industrie wird die finalen technischen Vorgaben prägen, nach denen Millionen Europäer künftig auf digitale Dienste zugreifen.

In Großbritannien richtet sich der Blick auf die praktische Umsetzung der Sovereign Platform. Marktbeobachter erwarten die ersten größeren Migrationen sensibler Regierungsworkloads Anfang 2026. Zudem soll Anfang nächsten Jahres eine Konsultation zum nationalen digitalen Identitätssystem starten – aufbauend auf dem diese Woche geschaffenen rechtlichen Fundament.

Der Countdown läuft: Was jahrelang theoretisch diskutiert wurde, wird jetzt zu konkreter Infrastruktur und bindendem Recht. Die globale digitale Landschaft dürfte fragmentierter werden – aber möglicherweise auch deutlich sicherer.

Anzeige

PS: Die EU-KI-Verordnung ist seit August 2024 in Kraft und verlangt jetzt handfeste Maßnahmen von Anbietern und Anwendern. Der kostenlose Leitfaden erklärt praxisnah, wie Sie KI-Systeme richtig klassifizieren, notwendige Dokumentationen aufbauen und Übergangsfristen einhalten, damit Sie Bußgelder und Reputationsschäden vermeiden. Ideal für Behörden-IT, Entwicklerteams und Anbieter von KI-Lösungen. KI-Verordnung-Guide gratis sichern

@ boerse-global.de