BSG-Urteile 2025: Klarheit für Ärzte, Schock für Selbstständige

Das Bundessozialgericht hat 2025 mit wegweisenden Urteilen die sozialversicherungsrechtliche Landschaft neu vermessen. Während Ärzte und Anwälte mehr Freiheit gewinnen, müssen Selbstständige ihre Altersvorsorge neu denken.

Ein Jahr der Weichenstellungen

Für Personalabteilungen, Freiberufler und Kliniken war 2025 ein entscheidendes Jahr in der Sozialversicherung. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel lieferte Klarheit in zentralen Streitfragen – mit teils überraschenden Ergebnissen. Die Kernbotschaft: Vertragsbezeichnungen zählen wenig, entscheidend ist die gelebte Arbeitsrealität.

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Mehr Freiheit für Freiberufler (Mai 2025)

Ein Durchbruch für Anwälte, Ärzte und Architekten gelang im Frühjahr. In einem Grundsatzurteil vom 14. Mai 2025 (Az. B 10/12 R 1/24 R) erweiterte das BSG die Befreiungsmöglichkeiten von der gesetzlichen Rentenversicherung.

Konkret ging es um eine Anwältin, die ihren Status auch auf einen zeitlich begrenzten Nebenjob außerhalb ihres Kernberufs ausdehnen wollte. Bisher lehnten die Versicherungsträger solche Anträge häufig ab. Die Kasseler Richter sahen das anders: Das Gesetz erlaube diese Ausdehnung, selbst wenn der Nebenjob parallel zur freiberuflichen Tätigkeit ausgeübt werde.

Was das bedeutet: Freiberufler können nun unbürokratischer zeitlich begrenzte Projekte oder Interim-Management-Aufgaben annehmen, ohne ihren geschützten Status in den berufsständischen Versorgungswerken zu gefährden. Ihre „Versicherungsbiografie“ bleibt geschlossen.

Grundrenten-Ausschluss für Selbstständige (Juni 2025)

Wenige Wochen später traf es Selbstständige und Freiberufler hart. Am 5. Juni 2025 (Az. B 5 R 3/24 R) entschied das BSG, dass freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rente nicht auf die Wartezeit für den Grundrentenzuschlag angerechnet werden.

Ein Selbstständiger, der über 26 Jahre freiwillig eingezahlt hatte, ging leer aus. Das Gericht begründete dies mit der strukturell anderen Situation: Im Gegensatz zu pflichtversicherten Arbeitnehmern könnten freiwillig Versicherte Beitragshöhe und -dauer selbst steuern und sich jederzeit entziehen.

Die Konsequenz: Für viele Selbstständige ist der Weg zur staatlichen Grundrente damit blockiert. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung privater Vorsorge oder des Eintritts in die Künstlersozialkasse.

Gesetzliche Rettung für Notdienst-Ärzte (Dezember 2025)

Die größte Entlastung kam kurz vor Jahresende durch den Gesetzgeber. Nach dem als „Pool-Arzt-Urteil“ bekannten BSG-Beschluss von 2023 drohten vielen Notdienst-Ärzten rückwirkende Sozialversicherungsforderungen – und dem System der Kollaps.

Das „Gesetz zur Kompetenzerweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ schaffte Abhilfe. Mit der Neuregelung in § 95 Abs. 3a SGB V wird für gesetzlich verpflichtende Notdienste eine „Rechtsfiktion der Selbstständigkeit“ geschaffen. Die Tätigkeit wird sozialversicherungsrechtlich wie die hauptberufliche vertragsärztliche Tätigkeit behandelt.

Für Kliniken und Kassenärztliche Vereinigungen bedeutet dies Planungssicherheit für 2026. Verträge müssen nun exakt auf die neue gesetzliche Grundlage Bezug nehmen, um Rückforderungen zu vermeiden.

Ausblick 2026: Die GmbH-Falle bleibt

Ein ungelöstes Problem bleibt die Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern. Die Grundsätze aus den BSG-Urteilen vom Februar 2024 gelten unverändert: Nur wer mehr als 50 Prozent der Anteile hält oder eine im Gesellschaftsvertrag verankerte Sperrminorität, gilt als sicher selbstständig.

Nebenvereinbarungen oder faktische Dominanz reichen nicht aus. Unternehmen sollten zum Jahreswechsel prüfen, ob der Status ihrer Geschäftsführung „auditsicher“ ist. Die „Schönwetter-Selbstständigkeit“ hat vor Gericht keine Chance.

Die wichtigsten Entscheidungen im Überblick

Entscheidung / Ereignis	Datum	Kernaussage
Befreiungserweiterung (BSG B 10/12 R 1/24 R)	14. Mai 2025	Parallele Nebenjobs können für Freiberufler befreit werden.
Grundrenten-Urteil (BSG B 5 R 3/24 R)	5. Juni 2025	Freiwillige Beiträge berechtigen nicht zum Grundrentenzuschlag.
Pool-Arzt-Gesetz (Gesetzesänderung)	19. Dez. 2025	Gesetzliche Fixierung sichert Selbstständigenstatus für Notdienste.

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