Bosch, Betriebsräte

Bosch und VW: Betriebsräte fordern mit Nachdruck Wirtschaftsdaten

22.12.2025 - 17:11:12

Deutsche Industriekonzerne stecken mitten im Umbruch – und die Belegschaft verlangt volle Transparenz. Kurz vor Weihnachten eskalieren die Konflikte um die Informationsrechte der Wirtschaftsausschüsse bei Bosch und Volkswagen. Die Betriebsräte setzen ihr gesetzliches Auskunftsrecht ein, um umfassende Restrukturierungen und Sparpläne zu prüfen. Ein Machtkampf, der das Jahr 2026 prägen wird.

Die Lage bei Bosch ist angespannt. Die Verhandlungen zwischen Konzernführung und Gesamtbetriebsrat über ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm liegen auf Eis. Das teilte Frank Sell, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, am heutigen Montag mit. Geplant waren eigentlich Abschlüsse noch vor den Feiertagen.

Der Technologiekonzern plant einen tiefgreifenden Umbau, von dem weltweit bis zu 22.000 Arbeitsplätze betroffen sein könnten – ein erheblicher Teil davon in Deutschland. Im Zentrum des Streits steht das Recht des Wirtschaftsausschusses, detaillierte Berechnungen zur Rentabilität der Standorte einzusehen. Sell kritisiert, dass das Management keine überzeugenden Alternativen vorgelegt habe.

Der Betriebsrat beruft sich auf § 106 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dieses Gesetz gibt ihm das Recht, vor personellen Maßnahmen Einblick in die „Betriebs- und Produktionsplanung“ zu erhalten. Besonders die großen Standorte in Feuerbach, Homburg und Waiblingen sind betroffen. Klarheit wird hier erst im Januar 2026 erwartet.

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VW plant Gehaltsstopp – Betriebsrat verlangt Nachweise

Parallel zur Krise bei Bosch kämpft der Volkswagen-Betriebsrat mit neuen Sparvorgaben. Ende letzter Woche sickerte durch, dass der Autoriese im kommenden Jahr einen strikten Gehaltsstopp für Tarifbeschäftigte plant. Auch Beförderungen und Boni sollen wegfallen.

Für den Wirtschaftsausschuss bei VW ist nun oberste Priorität, die Notwendigkeit dieser Einschnitte zu prüfen. Das deutsche Arbeitsrecht verlangt, dass der Arbeitgeber die „wirtschaftliche Notwendigkeit“ solcher Maßnahmen nachweist. Die Mitarbeitervertreter fordern daher eine genaue Aufschlüsselung: Wie hoch sind die Einsparungen durch das Effizienzprogramm im Vergleich zu den geplanten Dividendenzahlungen?

Die Situation zeigt die zentrale Rolle des Wirtschaftsausschusses als Brücke zwischen den Finanzzielen des Managements und der Realität der Belegschaft. Mit der Drohung von Werksschließungen über mindestens drei deutschen Standorten ist der frühzeitige Zugang zu Informationen über Produktionsverlagerungen zur wichtigsten Verteidigungslinie für die Beschäftigten geworden.

Das Gesetz: Drei zentrale Informationsrechte im Fokus

Die aktuelle Restrukturierungswelle bringt die gesetzlichen Rechte des Wirtschaftsausschusses deutlich in den Vordergrund. Nach § 106 BetrVG müssen Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern den Ausschuss „rechtzeitig und umfassend“ über wirtschaftliche Angelegenheiten informieren. In den aktuellen Fällen bei Bosch, VW und ThyssenKrupp Stahl – wo Anfang des Monats der Abbau von 11.000 Stellen beschlossen wurde – sind drei Rechte besonders relevant:

  1. Bei Werksschließungen und -verlagerungen darf das Management nicht einfach eine Entscheidung verkünden. Es muss dem Wirtschaftsausschuss vorher die zugrundeliegenden Finanzdaten offenlegen.
  2. Bei Investitionsprogrammen – wie im Bosch-Fall – haben Betriebsräte das Recht zu erfahren, wohin künftige Investitionen fließen. So lässt sich prüfen, ob etablierte Standorte systematisch „ausgehungert“ werden.
  3. Bei Verkäufen und Fusionen muss der Ausschuss über potenzielle Käufer und das künftige Geschäftskonzept informiert werden.

Rechtsexperten beobachten 2025 eine Zunahme von Streitigkeiten darüber, was „umfassende“ Information bedeutet. „Das Management liefert oft aggregierte PowerPoint-Folien. Das Gesetz gibt dem Wirtschaftsausschuss aber das Recht, die Rohdaten zu prüfen“, erklärt ein Arbeitsrechtsexperte.

Analyse: Ein „heißer Winter“ für die Mitbestimmung

Die gleichzeitigen Krisen im industriellen Kern Deutschlands – Automobil (VW), Zulieferer (Bosch), Stahl (ThyssenKrupp) – markieren eine Wende in den Arbeitsbeziehungen. Die offensive Nutzung der Informationsrechte zeigt: Betriebsräte agieren nicht mehr nur reaktiv, sondern werden proaktiv.

„Der Wirtschaftsausschuss ist kein reines Informationsgremium mehr. Er ist die Rechnungskammer der Belegschaft”, kommentieren Branchenbeobachter. Der Zeitpunkt der Ankündigungen – kurz vor Weihnachten – galt historisch als Taktik, um organisierten Widerstand zu bremsen. Die schnellen juristischen Gegenmanöver der Betriebsräte lassen diesen Schachzug nun aber nach hinten losgehen.

Der Gehaltsstopp bei VW setzt zudem ein gefährliches Präzedenz für die anstehenden Tarifverhandlungen 2026. Kann der Wirtschaftsausschuss die Notlage des Konzerns nicht mit harten Zahlen belegt sehen, könnten die Gewerkschaften die Sparmaßnahmen komplett ablehnen. Das Risiko von Streiks im ersten Quartal 2026 wäre real.

Ausblick: Der Weg ins Jahr 2026

Der Fokus im Januar wird auf der Einigungsstelle liegen. Wenn Unternehmen wie Bosch die geforderten Daten nicht liefern, werden die Betriebsräte die Streitigkeiten vor diese Schlichtungsinstanz tragen.

Für die betroffenen Beschäftigten bringt die Weihnachtszeit Unsicherheit, aber auch die Gewissheit, dass ihre Vertreter jedes gesetzliche Mittel ausschöpfen. Der Ausgang der Datenstreits bei Bosch und VW zu Beginn des Jahres 2026 wird die Auslegung der „Informationsrechte“ für das restliche Jahrzehnt prägen. Er wird definieren, wie viel Transparenz deutsche Konzerne ihrer Belegschaft im Zeitalter des Wandels schulden.

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