Frankfurt-News, Marktstimmung

Börse Frankfurt-News: Marktstimmung: Halb voll, halb leer

30.07.2025 - 15:32:50

Börse Frankfurt-News: Marktstimmung: Halb voll, halb leer. Auf die neuesten Entwicklungen in der Zolldiskussion reagieren Anleger mit Rückzug - aus beiden Richtungen inklusive Gewinnen.30. Juli 2025.

Auf die neuesten Entwicklungen in der Zolldiskussion reagieren Anleger mit Rückzug - aus beiden Richtungen inklusive Gewinnen.

30. Juli 2025. FRANKFURT. Das vergangene Wochenende hat wieder einmal gezeigt, dass nicht nur die Teilnehmer an den Finanzmärkten referenzpunktabhängig entscheiden, ob sie also etwas als Verlust oder Gewinn wahrnehmen. Gemeint ist natürlich der sogenannte Zoll-Deal zwischen der EU und den USA, wo es nicht wenige Kommentatoren gab, die alleine einen Zollsatz von 15 Prozent auf die Ausfuhren der EU in die USA - gemessen an den vorher im Raum stehenden 30 Prozent - zumindest mental als Erfolg verbuchten. Wer jedoch noch die Zeit vor dem sogenannten Liberation Day mit einem sehr niedrigen Referenzpunkt im Hinterkopf hatte, muss den Zollsatz von 15 Prozent - abgesehen von vielen anderen Zugeständnissen der EU - als Misserfolg werten.

Und so hatten auch die Börsianer hierzulande zunächst Schwierigkeiten, den sogenannten Zoll-Deal zu bewerten. Am Ende schwächte sich der DAX zeitweise zwar ab, aber zum heutigen Erhebungszeitpunkt bleibt nach einer Handelsspanne von rund 2,4 Prozent seit dem vergangenen Mittwoch nur noch ein Minus von 0,7 Prozent.

Stark gegensätzliche Bewertungen

Auch bei den von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont fand offensichtlich eine recht unterschiedliche Bewertung des Zoll-Deals statt. Denn sowohl das Bullen- wie auch das Bärenlager sind jeweils deutlich geschrumpft. Dass am Ende mit einer Größenordnung von 12 Prozentpunkten eine so starke Bewegung zu den neutral gestimmten Investoren zustande kam, mag zum einen Gewinnmitnahmen in beiden Lagern zu verdanken sein. Zum anderen aber spielten dabei bestimmt auch bevorstehende Ereignisrisiken eine Rolle, etwa die heutige Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank oder der US-Arbeitsmarktbericht, der am kommenden Freitag zur Veröffentlichung ansteht.

Schwerer wiegen dürfte die Befürchtung, dass der Zoll-Deal manchem - trotz gegenteiliger Behauptung - eben doch keine Planungssicherheit garantiert. Aber den Ausschlag für die Positionsschließungen der abgelaufenen Sentiment-Woche dürften vor allem die Einstandspreise der bestehenden Engagements gegeben haben, die Bullen wie Bären zu Gewinnmitnahmen veranlassten. Am Ende geht die Polarisierung zwischen den beiden Lagern deutlich zurück, wobei der Börse Frankfurt Sentiment-Index per Saldo 2 Punkte verliert und sich nunmehr auf einen Stand von -17 befindet.

Ganz anders haben sich auf den ersten Blick die Privatanleger entschieden. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel steigt um 18 Punkte auf einen neuen Stand von +9. Bei genauem Hinsehen muss man allerdings feststellen, dass dieser Stimmungsumschwung zu großen Teilen auf diejenigen zurückgeht, die wir über Social Media befragt haben. Während dort viele Meinungen von bearish auf bullish gedreht wurden, hat sich das Sentiment bei den übrigen Anlegenden zwar auch verbessert, aber längst nicht so stark. Zu großen Teilen sind hier lediglich bearishe Positionen (vermutlich vielfach mit Gewinn) geschlossen worden, und der Hauptstrom geht hier per Saldo vollumfänglich zu den neutral gestimmten Privatanlegern. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist bei dieser Untergruppe zwar gestiegen, befindet sich allerdings mit einem Stand von -21 recht nahe bei den institutionellen Investoren.

Geringe Risikofreude

Am Ende hat sich also mit der heutigen Befragung eine deutliche Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren aufgetan. Dabei fällt auf, dass in beiden Panels der Anteil der neutral gestimmten Investoren deutlich angezogen hat. Vor allem bei den institutionellen Investoren ist die Risikofreude deutlich zurückgegangen, wobei allerdings der Saldo zwischen Pessimisten und Optimisten gegenüber der Vorwoche sogar etwas größer geworden ist - ein Sentiment-Index von -17 spricht nicht gerade für eine ausgewogene Positionierung.

Tatsächlich stellen die Optimisten nur 24 Prozent aller Befragten, ein vergleichsweise niedriger Anteil in diesem Jahr. Mit anderen Worten: Sollte es zu einem plötzlichen Anstieg des Börsenbarometers kommen, wären viele Investoren nicht gut darauf vorbereitet. Indes wäre die Nachfrageseite im Falle eines DAX-Rückgangs vermutlich vor allem zwischen 23.700 und 23.750 Zählern besser als in der Vorwoche ausgestattet. Am Ende ist zumindest für den DAX das Glas eher halb voll als halb leer.

von Joachim Goldberg

30. Juli 2025, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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