Betriebsratswahlen bei Rhenus und Seifert erfolgreich abgeschlossen
09.12.2025 - 22:51:12Mitbestimmung in der Praxis: Zwei Logistikunternehmen zeigen, wie Arbeitnehmervertretung funktioniert – und warum das Thema 2026 noch wichtiger wird.
Die Bedeutung organisierter Arbeitnehmervertretung rückt wieder ins Rampenlicht. Am gestrigen Montag schlossen Beschäftigte der Kontraktlogistiker Rhenus und Seifert in Gaggenau außerordentliche Betriebsratswahlen ab. Der Grund: Die Zahl der Ratsmitglieder war unter die gesetzliche Mindestgrenze gefallen. Ein Vorgang, der exemplarisch zeigt, welche stabilisierende Rolle Betriebsräte in der deutschen Wirtschaft spielen – gerade jetzt, ein halbes Jahr vor den regulären bundesweiten Wahlen im Frühjahr 2026.
Die Wahlen in der Gaggenauer Logistikbranche waren keine Routine. Anders als beim regulären Vier-Jahres-Rhythmus erzwang eine gesetzliche Notwendigkeit den Gang zur Urne: Zu viele Ratsmitglieder waren ausgeschieden, alle Ersatzkandidaten bereits nachgerückt. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt in solchen Fällen keine Gnade – Neuwahlen müssen her, und zwar sofort.
Martin Obst, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Gaggenau, bestätigte gestern die Gültigkeit der Ergebnisse. Seine Bilanz fällt eindeutig aus: „Fast alle gewählten Betriebsräte sind Mitglied der IG Metall.” Die Belegschaft setze klar auf die enge Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft, so Obst. Offenbar erkennen die Beschäftigten den Mehrwert professioneller Unterstützung – gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten.
Gewählt wurde als Personenwahl, nicht per Liste. Der Grund: Es gab keine konkurrierenden Vorschläge. Das vereinfachte Verfahren erlaubte direkte Stimmen für die vertrauenswürdigsten Kandidaten. Pragmatisch, effizient – und rechtlich einwandfrei.
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Mehr als Symbolpolitik: Was Betriebsräte wirtschaftlich bewirken
Doch was bringt ein Betriebsrat eigentlich? Eine heute veröffentlichte Analyse des Branchenbeobachters Haufe liefert klare Antworten. Unternehmen mit aktiven Betriebsräten zeigen messbar höhere Produktivität, bessere Lohnstrukturen und stabilere Beschäftigungsverhältnisse. Die Zahlen sprechen für sich – Mitbestimmung rechnet sich.
Trotzdem klafft eine „Gründungslücke”. Obwohl ab fünf ständigen Beschäftigten das Recht auf einen Betriebsrat besteht, bleiben viele Belegschaften unvertreten. Dabei ist der Betriebsrat das zentrale Instrument der Mitbestimmung mit handfesten Befugnissen:
- Personelles: Mitsprache bei Einstellungen, Eingruppierungen, Versetzungen
- Soziales: Echte Entscheidungsmacht bei Arbeitszeiten, Überstunden, Urlaubsgrundsätzen
- Wirtschaftliches: Informationsrechte über die Finanzlage durch den Wirtschaftsausschuss
Für Rhenus und Seifert bedeutet die Wiederwahl eines vollständigen Rats: Das Management hat einen legitimierten Verhandlungspartner. In volatilen Zeiten kein Luxus, sondern Notwendigkeit.
Wenn Chefs blockieren: Die dunkle Seite der Gründung
Während Gaggenau reibungslos verlief, sieht die Gesamtlage düsterer aus. Der Haufe-Report macht deutlich: Behinderung von Betriebsratswahlen bleibt ein ernstes Problem. Paragraph 119 des Betriebsverfassungsgesetzes stellt die Verhinderung solcher Wahlen unter Strafe – bis zu einem Jahr Haft oder Geldstrafe drohen.
Doch die Praxis? Einschüchterung von Kandidaten, fadenscheinige Kündigungen gegen Wahlinitiator*innen – sogenanntes „Union Busting” existiert auch 2025 noch. Besonders in kleineren, inhabergeführten Firmen stoßen Gründungsversuche auf heftigen Widerstand. Das schreckt ab, verhindert demokratische Teilhabe.
Die erfolgreiche Reorganisation bei Rhenus und Seifert beweist jedoch: Mit den richtigen rechtlichen Instrumenten – oft gewerkschaftlich flankiert – kann der Prozess zügig und rechtssicher gelingen.
Vorgeschmack auf 2026: Das Super-Wahljahr naht
Die Dezemberwahlen sind ein Vorspiel. Zwischen März und Mai 2026 steht das nächste „Super-Wahljahr” an – bundesweit wählen Tausende Betriebe neue Arbeitnehmervertreter*innen. Für noch unvertretene Belegschaften bietet diese Woche eine klare Blaupause:
Drei Schritte zum eigenen Rat:
1. Initiative: Drei wahlberechtigte Beschäftigte genügen, um zur Wahlversammlung einzuladen
2. Schutz: Initiatoren genießen besonderen Kündigungsschutz ab dem Moment der Einladung
3. Umsetzung: Mit gewerkschaftlicher Unterstützung (IG Metall, ver.di) lassen sich selbst komplexe Verfahren meistern
Kann die deutsche Wirtschaft auf dieses Instrument verzichten? Wohl kaum. Digitale Transformation, Fachkräftemangel, struktureller Wandel – all das verlangt nach Co-Management auf Augenhöhe. Der Betriebsrat als Veränderungsbegleiter wird in den kommenden Monaten wichtiger denn je.
Die Gaggenauer Logistiker haben vorgemacht, wie es geht. Ob andere Branchen folgen, zeigt sich spätestens im Frühjahr 2026.
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