Berlin-Gipfel: Europa will digitale Unabhängigkeit erkämpfen
19.11.2025 - 05:29:12Neun von zehn deutschen Unternehmen sehen sich als abhängig von ausländischen Tech-Konzernen. Beim gestrigen Gipfel zur digitalen Souveränität in Berlin haben Spitzenvertreter aus Politik und Wirtschaft deshalb einen radikalen Kurswechsel gefordert. Das Ziel: Europa soll sich aus der Umklammerung von US-Giganten und chinesischer Staatstechnologie befreien.
Die vom deutschen und französischen Staat initiierte Konferenz lockte über 900 Teilnehmer nach Berlin. Im Mittelpunkt stand eine brisante Frage: Wie kann der Kontinent technologisch eigenständig werden, ohne sich abzuschotten? Die EU-Kommission lieferte gleich eine erste Antwort: Sie kündigte Marktuntersuchungen gegen die Cloud-Dienste von Amazon und Microsoft an.
Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, ließ aufhorchen: Brüssel prüft, ob Amazon Web Services und Microsoft Azure als “Gatekeeper” im Cloud-Bereich einzustufen sind. Was bedeutet das konkret? Als Gatekeeper würden die beiden US-Konzerne strengeren Auflagen unterliegen – von der Interoperabilität ihrer Dienste bis zur Datenfreigabe an Wettbewerber.
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Die Begründung klingt einleuchtend: Cloud-Infrastrukturen bilden das Fundament zahlreicher digitaler Angebote in der EU. Wer hier die Kontrolle hat, bestimmt auch über die digitale Zukunft europäischer Unternehmen. Doch Virkkunen stellte gleichzeitig ein Vereinfachungspaket in Aussicht – den sogenannten “Digital-Omnibus”. Er soll bürokratische Hürden in den Bereichen Daten, Cybersicherheit und KI abbauen.
Wirtschaft schlägt Alarm
Die vom Digitalverband Bitkom vorgelegte Studie sorgte für Aufsehen: 89 Prozent der deutschen Unternehmen fühlen sich von ausländischen Technologien abhängig. “Wir müssen uns aus einseitigen Abhängigkeiten befreien”, forderte Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. Seine Botschaft: Europa braucht nicht nur bessere Regeln, sondern vor allem mehr Tempo.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie und sein französisches Pendant Numeum stimmten in den Chor ein. Ihre Forderungen: Schnellere Genehmigungen, weniger Regulierung, mehr Kapital für Start-ups. Ein besonders umstrittener Vorschlag lautet, europäische Digitalunternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt zu berücksichtigen. Kritiker wittern darin protektionistische Tendenzen – die Befürworter sprechen von strategischer Klugheit.
KI-Gesetz spaltet die Gemüter
Kann Europa zum KI-Vorreiter werden, ohne die Grundrechte seiner Bürger zu opfern? Diese Frage dominierte die hitzigsten Debatten des Gipfels. Der europäische AI Act gilt weltweit als wegweisendes Regelwerk – doch die Wirtschaft fürchtet Innovationsbremsen, während Bürgerrechtler vor Aufweichung warnen.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, versuchte zu beschwichtigen: Die Sorge vor übermäßiger Bürokratie sei unbegründet, da nur wenige KI-Systeme als hochriskant eingestuft würden. “Der AI Act wird keine kreativen Köpfe in Fesseln legen”, versprach er.
Ganz anders sehen das Amnesty International und European Digital Rights. In einem offenen Brief bezeichneten sie den angekündigten “Digital-Omnibus” als potenziell “größten Rückschritt bei digitalen Grundrechten in der Geschichte der EU”. Ihre Befürchtung: Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus könnten wichtige Schutzmaßnahmen heimlich verschwinden.
Zwischen USA und China: Europas Drahtseilakt
Die Anwesenheit von Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstrich die geopolitische Dimension des Gipfels. Europa versucht einen Balanceakt: Weder will es zum technologischen Vasallen der USA werden, noch den staatlich gelenkten chinesischen Weg einschlagen. Die Frage lautet: Gibt es einen dritten, wertebasierten Pfad?
Skeptiker mahnen zur Vorsicht. Die Süddeutsche Zeitung forderte, die EU müsse endlich die Kapitalmarktunion vollenden, um mehr privates Wagniskapital zu mobilisieren. Ohne frisches Geld für Tech-Innovationen bleibe der Gipfel eine weitere Absichtserklärung ohne Substanz.
Was kommt jetzt?
Die kommenden Monate werden zeigen, ob Berlin mehr war als Symbolpolitik. Die Marktuntersuchungen gegen Amazon und Microsoft könnten zu echten Veränderungen im Cloud-Markt führen. Der “Digital-Omnibus” wird im Europäischen Parlament für Zündstoff sorgen – Wirtschaftslobbyisten und Datenschützer stehen bereits in den Startlöchern.
Für Unternehmen bedeutet dies eine Phase der Unsicherheit. Die Umsetzung des AI Acts erfordert Anpassungen, während neue Förderprogramme Chancen für europäische Tech-Firmen schaffen könnten. Der Gipfel hat den Kurs vorgegeben – doch die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt.
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