Banken-Revolution, ISO

Banken-Revolution: ISO 20022 zwingt Millionen Kunden in Warteschleife

23.11.2025 - 03:30:12

Die globale Bankenbranche erlebt ein historisches Wochenende. Nachdem gestern die Übergangsfrist für den neuen Zahlungsstandard ISO 20022 endete, fahren Finanzinstitute weltweit ihre Systeme herunter. Millionen Kunden in Großbritannien, Europa und Asien können heute nur eingeschränkt auf ihre Konten zugreifen – der Preis für den größten Infrastrukturumbau seit Jahrzehnten.

Was auf den ersten Blick wie ein weiterer Wartungstag aussieht, markiert tatsächlich einen fundamentalen Wandel: Ab heute müssen sämtliche grenzüberschreitenden Zahlungen im neuen ISO-20022-Format abgewickelt werden. Die alte MT-Technik, jahrzehntelang das Rückgrat des internationalen Zahlungsverkehrs, ist Geschichte. Banken, die nicht rechtzeitig umgestellt haben, riskieren den Ausschluss vom globalen Zahlungsnetzwerk.

Die treibende Kraft hinter dem heutigen Chaos ist SWIFT, der globale Dienstleister für sichere Finanznachrichten. Seit Jahren durften Banken parallel das textbasierte MT-Format und den neuen XML-Standard ISO 20022 nutzen. Diese Gnadenfrist endete gestern, am 22. November 2025, um Mitternacht.

Was bedeutet das konkret? Jede Zahlungsanweisung im alten Format wird ab sofort mit einer “Negativbestätigung” (NAK) abgelehnt – sie erreicht schlicht ihr Ziel nicht. Kein Wunder also, dass IT-Teams weltweit dieses Wochenende durcharbeiten.

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Der neue Standard verspricht eine Revolution: Wo bisher nur rudimentäre Informationen übermittelt wurden, reisen künftig strukturierte Datensätze mit – vollständige Adressen, Verwendungszwecke, präzise Identifikationscodes. Das soll Betrugserkennung verbessern und Transaktionen beschleunigen. Doch zunächst bedeutet es: Systemstillstand.

Großbritannien: TSB und NatWest im Wartungsmodus

In Großbritannien trifft es heute vor allem Kunden von TSB Bank und NatWest. TSB hatte bereits gestern ein achtstündiges Wartungsfenster – heute folgt die zweite Runde. Zwischen 1:00 und 5:00 Uhr GMT waren sowohl Mobile App als auch Internet-Banking komplett offline. Ein Ausmaß, das die Dimension der technischen Umbauten erahnen lässt.

Bei NatWest läuft die Wartung sogar noch länger: Seit gestern Abend 23:30 Uhr GMT bis heute 11:00 Uhr sind Kernfunktionen eingeschränkt. Besonders betroffen: Die Foto-Scheckeinreichung per App. Die Bank versucht zwar, wesentliche Online-Dienste am Laufen zu halten, doch Kunden berichten von sporadischen Ausfällen.

Skandinavien und Europa: Swish kämpft mit Partnerproblemen

Auch Nordeuropa bleibt nicht verschont. In Schweden melden mehrere Banken Probleme mit dem beliebten Zahlungssystem Swish. Die Skandiabanken und Sparbanken Syd führten heute zwischen 2:00 und 6:00 Uhr MEZ geplante Wartungsarbeiten durch – ausgerechnet zu einer Zeit, in der viele Nutzer Sonntagmorgen-Überweisungen tätigen wollten.

Die Botschaft ist klar: Selbst nationale Payment-Systeme müssen sich dem globalen ISO-20022-Standard anpassen, obwohl sie primär für Inlandszahlungen konzipiert sind. Die Verzahnung moderner Finanzsysteme lässt keine Insellösungen mehr zu.

Asien-Pazifik: Die “Big Bang”-Updates sind durch

Während Europa noch mitten in den Umbauten steckt, haben Banken im asiatisch-pazifischen Raum das Gröbste bereits hinter sich. Dank der Zeitverschiebung konnten sie ihre kritischen Updates in der Nacht zu Sonntag durchziehen.

Die Bank of China (BOC) vollzog eine der umfassendsten Migrationen. Ihre Singapur-Filiale legte heute früh zwischen 2:30 und 4:30 Uhr Ortszeit sämtliche Online- und Mobile-Banking-Dienste lahm. Noch drastischer: Das Corporate Online Banking für alle Auslandsbereiche war von Mitternacht bis 6:10 Uhr Peking-Zeit komplett abgeschaltet. Für international agierende Firmenkunden bedeutete das: keine Überweisungen, keine Kontoeinsicht, kompletter Stillstand.

In Indien meldete die Kotak Mahindra Bank Einschränkungen zwischen 3:30 und 4:30 Uhr IST. UPI-Transaktionen – das meistgenutzte Zahlungssystem des Landes – waren ebenso betroffen wie Geldautomaten-Abhebungen über 20.000 Rupien (rund 215 Euro). Die Bank hatte ihre Kunden zwar per E-Mail vorgewarnt, doch die Timing-Wahl zeigt: Selbst eine Stunde Ausfall erfordert wochenlange Vorplanung.

Australiens Bank of Queensland (BOQ) wählte ein zweinächtiges Wartungsfenster. Heute zwischen Mitternacht und 4:00 Uhr AEST waren Internet- und Mobile-Banking nicht erreichbar. Mit Beginn des Geschäftstages am Montag sollen die Systeme wieder stabil laufen – zumindest theoretisch.

Warum gerade jetzt? Die Logik hinter dem Timing

Dass Banken ausgerechnet dieses Wochenende wählten, ist kein Zufall. Wartungen finden traditionell samstags oder sonntags statt, um Geschäftskunden nicht zu treffen. Doch das 22./23. November-Wochenende hatte eine Sonderstellung: Es war das erste nach Ablauf der SWIFT-Frist.

„Der November-Stichtag 2025 ist eine rote Linie für die gesamte Zahlungsverkehrsbranche”, analysieren Branchenexperten. „Banken, die ihre Backend-Systeme nicht rechtzeitig migriert haben, riskieren faktisch den Ausschluss vom globalen Zahlungsnetzwerk. Die Wartungen von heute sind vermutlich die finale Synchronisation, damit am Montag jede Zahlungsanweisung ISO-20022-konform ist.”

Der Unterschied zum alten System? Wo früher ein Freitextfeld für den Verwendungszweck reichte, gibt es jetzt dedizierte Felder für Schuldner- und Gläubigeradressen, Zweckcodes und strukturierte Überweisungsinformationen. Das ermöglicht präzisere Sanktionsprüfungen, schnellere Kontenabstimmung und bessere Betrugsabwehr. Die Kehrseite: Ein Umstellungsaufwand, der jahrelange Vorbereitungen erforderte.

Was Kunden jetzt erwartet: Montag wird der Härtetest

Während in den USA die Wartungsfenster gerade erst beginnen und Europa langsam wieder hochfährt, richtet sich der Blick bereits auf Montag, den 24. November. Dann zeigt sich, ob die Migration geglückt ist – oder ob es zu Verzögerungen und Fehlbuchungen kommt.

Worauf Kunden sich einstellen sollten:

Dienste kehren zurück: Die meisten europäischen Banken, darunter TSB und NatWest, sollten bis heute Mittag wieder vollständig erreichbar sein. Asiatische Institute melden bereits Normalbetrieb.

Transaktions-Staus möglich: Wenn Systeme nach tagelangem Stillstand wieder anlaufen, müssen sie Tausende aufgestaute Zahlungen abarbeiten. Überweisungen könnten sich verzögern, besonders bei grenzüberschreitenden Transaktionen.

Neue Anforderungen: Firmenkunden werden ab dieser Woche Änderungen in Reporting-Formaten bemerken. Manche Zahlungsanweisungen erfordern künftig detailliertere Angaben – etwa strukturierte Rechnungsnummern statt Freitext.

Banken appellieren an ihre Kunden, offizielle Statusseiten im Auge zu behalten und wachsam gegenüber Phishing-Versuchen zu bleiben. Erfahrungsgemäß nutzen Betrüger bekannte Systemstörungen, um gefälschte „Sicherheits-Updates” oder „Verifizierungs-Links” zu verschicken.

Eines ist sicher: Dieser Sonntag markiert das Ende einer Ära – und den Beginn einer Zahlungsinfrastruktur, die für die nächsten Jahrzehnte ausgelegt ist. Ob die Umstellung reibungslos gelang, zeigt sich ab Montagmorgen, wenn die ersten Überweisungen durch das neue System laufen. Spannend wird es allemal.

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