Bangladesh, Regierungs-Software

Bangladesh macht Regierungs-Software zur Open Source

08.12.2025 - 05:29:12

Das südasiatische Land gibt den Takt vor: Wer künftig staatliche IT-Projekte durchführt, muss den Code öffentlich machen. Was nach Bürokratie klingt, könnte eine digitale Revolution auslösen – mit weltweiten Folgen.

Pünktlich zum Wochenende verkündete die Regierung in Dhaka ihre “National Source Code Policy 2025”. Die Kernbotschaft: Jede Software, die mit Steuergeldern entwickelt wird, gehört der Öffentlichkeit. Keine Lizenzgebühren mehr an internationale Konzerne, keine Abhängigkeit von proprietären Systemen. Stattdessen setzt Bangladesch auf ein radikales Prinzip: “Public Money, Public Code” – öffentliches Geld, öffentlicher Code.

Nur wenige Tage zuvor hatte die internationale Standardisierungsorganisation OASIS die Version 1.4 des Open Document Format (ODF) verabschiedet. Ein technisches Detail? Keineswegs. Beide Ereignisse markieren einen Wendepunkt für digitale Souveränität weltweit.

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Die neue Richtlinie aus Dhaka lässt wenig Spielraum. Sämtliche Software, Apps und digitale Dienste, die aus dem Staatshaushalt oder durch Entwicklungskredite finanziert werden, gelten künftig als “nationales Vermögen”. Der Quellcode muss öffentlich zugänglich sein – es sei denn, es gibt gewichtige Sicherheitsgründe.

Selbst in Ausnahmefällen bleibt der Code nicht einfach verschwunden. Er muss in einem zentralen Repository registriert werden, verwaltet vom Bangladesh Computer Council (BCC). Die Behörde übernimmt Versionskontrolle und Sicherheitsprüfungen.

“Erst prüfen, dann entwickeln” – so lautet die neue Devise. Bevor ein Ministerium ein IT-Projekt startet, muss es das nationale Code-Archiv durchsuchen. Gibt es bereits eine passende Open-Source-Lösung, hat Wiederverwertung Vorrang vor Neuentwicklung.

Wer trotzdem lieber neu programmieren lässt, braucht eine schriftliche Begründung. Die Regierung will damit ein verbreitetes Problem lösen: Unterschiedliche Behörden beauftragen private Anbieter mehrfach für nahezu identische Software. Das kostet Millionen und endet oft im Chaos.

Der internationale Standard ODF 1.4 kommt zur rechten Zeit

Zeitgleich zur Politik-Initiative erhielt die technische Grundlage für offene Bürosoftware kräftigen Rückenwind. OASIS Open verabschiedete am 3. Dezember die Version 1.4 des Open Document Format als offiziellen Standard.

ODF ist das native Dateiformat für Open-Source-Programme wie LibreOffice – und eine Alternative zu proprietären Formaten wie .docx oder .xlsx, die Regierungen oft in die Abhängigkeit von Microsoft treiben.

Patrick Durusau, Co-Vorsitzender des technischen Komitees, betonte: “ODF 1.4 ist die Antwort auf neue Herausforderungen. Wir wollen die Erwartungen der Office-Software-Industrie erfüllen.”

Die Neuerungen klingen technisch, haben aber direkte Auswirkungen auf Behörden:

  • Barrierefreiheit: Bessere Unterstützung für Screenreader – unverzichtbar für Inklusion im öffentlichen Dienst
  • Änderungsverfolgung: Zuverlässigere Nachvollziehbarkeit von Bearbeitungen in komplexen Dokumenten
  • Tabellenkalkulation: Erweiterte Formeln für Finanzanalysen und Haushaltsplanung

Die Document Foundation, die Organisation hinter LibreOffice, zeigte sich erfreut. ODF 1.4 festige die Position des Formats als “umfassende Lösung für Büro-Produktivität” – besonders wichtig für die Langzeitarchivierung staatlicher Daten.

Deutschland macht es vor, Bangladesch zieht nach

Der Vorstoß aus Dhaka steht nicht isoliert. Weltweit setzen Regierungen verstärkt auf digitale Souveränität – die Kontrolle über die eigene IT-Infrastruktur, ohne Abhängigkeit von Tech-Giganten.

Das Motto “Public Money, Public Code” stammt ursprünglich von der Free Software Foundation Europe (FSFE). In Deutschland vollzog Schleswig-Holstein im Oktober 2025 die Migration seiner E-Mail-Systeme auf Open Source (Open-Xchange und Thunderbird). Aktuell läuft der Austausch von Microsoft Office durch LibreOffice auf 30.000 Arbeitsplätzen – Abschluss geplant für Ende 2026.

Doch diesmal geht es nicht nur ums Sparen. Die neue Welle der Open-Source-Adoption ist sicherheitsgetrieben. Bangladeschs Richtlinie schreibt explizit vor: kontinuierliche Integration, automatisierte Schwachstellen-Scans, strikte Lizenzprüfung. Das zeigt ein gereiftes Verständnis: Open Source erfordert aktive Wartung und Governance.

Für Entwicklungsländer hat der Kurswechsel handfeste wirtschaftliche Vorteile. Statt jährlich Lizenzgebühren ins Ausland zu überweisen, investiert der Staat in lokale Entwickler. Diese bauen, pflegen und verbessern das nationale Code-Vermögen.

Was kommt als Nächstes?

Die ICT-Division hat die Richtlinie zur Konsultation freigegeben. Branchenexperten, Hochschulen und Entwicklungspartner können noch Stellung nehmen. Die Regierung strebt die volle Inbetriebnahme des nationalen Code-Archivs für Anfang 2026 an.

Anbieter müssen umdenken: Südasiatische Software-Firmen werden ihr Geschäftsmodell anpassen müssen. Statt Lizenzen zu verkaufen, bieten sie künftig Wartungsverträge für staatseigenen Code an.

Interoperabilität wird Trumpf: Mit der “Erst prüfen”-Regel steigt die Nachfrage nach offenen Standards wie ODF 1.4. Das BCC dürfte bald weitere Vorgaben zu Dateiformaten erlassen, damit die “nationalen Vermögenswerte” auch miteinander kommunizieren können.

Globaler Dominoeffekt? Bangladesch reiht sich ein neben Indien (das eine eigene Open-API-Politik verfolgt) und EU-Staaten. Der Druck auf proprietäre Anbieter wächst: Entweder sie öffnen ihre Ökosysteme – oder sie verlieren öffentliche Aufträge.

Die Entwurfsrichtlinie steht seit Montagmorgen auf der Website der ICT-Division zur Einsicht bereit. Das Zusammentreffen einer klaren nationalen Politik und robuster internationaler Standards lässt vermuten: 2026 könnte das entscheidende Jahr für Open Source im öffentlichen Sektor werden.

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