BAG-Urteil, Sofortige

BAG-Urteil: Sofortige Gleichstellung für befristet Beschäftigte

14.11.2025 - 20:49:12

Das Bundesarbeitsgericht hat eine Grundsatzentscheidung getroffen, die Tarifvertragsparteien unter Druck setzt: Diskriminierende Regelungen gegen befristet Beschäftigte müssen sofort korrigiert werden – ohne Übergangsfrist.

Das Urteil vom 13. November 2025 (Az. 6 AZR 131/25) markiert einen Wendepunkt im deutschen Arbeitsrecht. Wer als befristet Beschäftigter durch tarifliche Regelungen benachteiligt wird, hat ab sofort Anspruch auf dieselben Konditionen wie seine unbefristet angestellten Kollegen. Eine Schonfrist für Gewerkschaften und Arbeitgeber? Fehlanzeige.

Der sechste Senat in Erfurt machte deutlich: Bei Verstößen gegen EU-basierte Diskriminierungsverbote gibt es keine zweite Chance. Die betroffenen Arbeitnehmer müssen unverzüglich „nach oben” angeglichen werden. Was bedeutet das konkret für deutsche Unternehmen?

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Ein Briefzusteller eines großen Logistikunternehmens klagte gegen seinen Arbeitgeber. Die Vorgeschichte: Der Mann war vor Juni 2019 befristet beschäftigt, wurde dann im Juni 2020 fest angestellt. Soweit nichts Ungewöhnliches.

Doch die Tarifvertragsparteien hatten im Juli 2019 die Stufenlaufzeiten für alle ab dem 1. Juli 2019 neu eingestellten Mitarbeiter verlängert. Die Folge: Der Kläger rutschte bei seiner Übernahme in eine langsamere Gehaltsentwicklung als Kollegen, die durchgehend beschäftigt waren.

Das Problem lag auf der Hand. Die Regelung traf faktisch vor allem ehemalige Befristete, die später übernommen wurden. Eine versteckte Benachteiligung? Die Vorinstanzen bejahten das – und das BAG bestätigte diese Einschätzung nun höchstrichterlich.

Klare Kante gegen Ungleichbehandlung

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf § 4 Absatz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Dieses Gesetz setzt EU-Richtlinien um und verbietet ausdrücklich die schlechtere Behandlung befristet Beschäftigter – es sei denn, es gibt sachliche Gründe.

Solche Gründe konnte der Arbeitgeber nicht liefern. Die diskriminierende Klausel wurde für teilweise unwirksam erklärt. Der betroffene Mitarbeiter erhielt das Recht auf die kürzeren, günstigeren Stufenlaufzeiten der Vergleichsgruppe.

Die Botschaft des Gerichts: Gleichbehandlung ist kein theoretisches Ideal, sondern ein praktisch durchsetzbarer Anspruch.

Keine Gnadenfrist für Tarifpartner

Der brisanteste Teil des Urteils: Das BAG verweigerte den Tarifvertragsparteien kategorisch eine Korrekturfrist. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, Gewerkschaften und Unternehmen sollten zunächst die Chance erhalten, die diskriminierende Regel in Verhandlungen zu beseitigen.

Doch die Richter zogen eine scharfe Trennlinie. Bei Verstößen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1) mag eine Übergangsfrist denkbar sein. Bei EU-rechtlichen Diskriminierungsverboten gilt das nicht.

Warum nicht? Diese Verbote haben eine Abschreckungsfunktion. Sie sollen sofort wirken. Eine Gnadenfrist würde diese Funktion untergraben und die Diskriminierung faktisch verlängern. Kein Wunder also, dass das Gericht hier kompromisslos blieb.

Was das für Unternehmen bedeutet

Die Auswirkungen sind erheblich. Arbeitgeber mit ähnlichen gestaffelten Vergütungssystemen in ihren Tarifverträgen sind nun angreifbar. Betroffene Mitarbeiter können sofortige Gleichstellung und möglicherweise Nachzahlungen fordern.

Personalabteilungen stehen vor einer Mammutaufgabe: Tarifverträge und Gehaltspraktiken müssen auf diskriminierende Klauseln gegenüber befristet Beschäftigten durchforstet werden. Die Tarifautonomie stößt dort an ihre Grenzen, wo sie fundamentale Arbeitnehmerrechte verletzt.

Arbeitsrechtler erwarten eine Welle ähnlicher Klagen. Beschäftigte dürften künftig selbstbewusster Lohngleichheit einfordern. Gerade in Branchen mit hohem Befristungsanteil – Logistik, Einzelhandel, öffentlicher Dienst – könnte das Urteil erhebliche Umstrukturierungen auslösen.

Das Urteil ist ein klares Signal: EU-Antidiskriminierungsrecht hat Vorrang – und zwar sofort.

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