BAG-Urteil setzt Wahlvorständen klare Grenzen
19.11.2025 - 14:30:11Nachfrist für Kandidatenlisten? Nur wenn gar kein Wahlvorschlag eingegangen ist. Das Bundesarbeitsgericht schafft Klarheit im Vorfeld der Betriebsratswahlen 2026 – und erhöht den Druck auf frühzeitige Kandidatensuche.
Ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2025 beendet eine jahrelange Unsicherheit: Wahlvorstände dürfen keine zusätzliche Frist für weitere Bewerbungen gewähren, sobald auch nur eine gültige Kandidatenliste vorliegt. Selbst wenn darauf weniger Namen stehen als Sitze zu vergeben sind. Die Entscheidung hat direkte Auswirkungen auf die bundesweiten Betriebsratswahlen 2026 – und zwingt zur frühzeitigen Kandidatensuche.
Im konkreten Fall wollte ein neunköpfiger Betriebsrat in einem Gemeinschaftsbetrieb mit 367 Beschäftigten gewählt werden. Bis Fristende reichte jedoch nur eine Liste mit sechs Bewerbern ein. Der Wahlvorstand setzte daraufhin eine einwöchige Nachfrist – ohne Erfolg. Der Arbeitgeber focht die Wahl an.
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Die Erfurter Richter stellten unmissverständlich fest: Paragraph 9 der Wahlordnung erlaubt eine Nachfrist ausschließlich, wenn überhaupt kein gültiger Wahlvorschlag eingegangen ist. Eine unvollständige Liste reicht bereits aus, um die Tür für Fristverlängerungen zu schließen. Der Wahlvorstand habe keine Befugnis, gesetzlich festgelegte Fristen eigenmächtig zu verändern.
Doch führt dieser Verfahrensfehler automatisch zur Neuwahl? Nein. Das BAG differenziert scharf: Eine Wahl ist gemäß Paragraph 19 BetrVG nur anfechtbar, wenn der Verstoß das Wahlergebnis tatsächlich beeinflussen konnte. In diesem Fall blieb die unzulässige Nachfrist folgenlos – es gingen keine weiteren Bewerbungen ein. Die sechs Kandidaten wurden gewählt, unabhängig von der unrechtmäßigen Fristverlängerung.
Kleinerer Betriebsrat bleibt gültig
Die Entscheidung ergänzt eine weitere wichtige BAG-Rechtsprechung vom 24. April 2024. Damals klärten die Richter: Fehlen von vornherein genügend Kandidaten, scheitert die Wahl nicht. Stattdessen wird ein “kleinerer” Betriebsrat gebildet. Die Gremiengröße reduziert sich dabei stufenweise nach Paragraph 9 BetrVG, bis eine ungerade Mitgliederzahl erreicht ist, für die ausreichend Bewerber zur Verfügung stehen.
Kann eine Wahl also trotz Kandidatenmangel gültig sein? Durchaus. Das Gericht priorisiert klar die Errichtung einer betrieblichen Interessenvertretung gegenüber der Einhaltung der vollen gesetzlichen Gremiengröße. Ein kleinerer, aber existierender Betriebsrat ist besser als gar keiner.
Konsequenzen für Wahlen 2026
Die beiden Urteile schaffen erhebliche Rechtssicherheit vor den regulären Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026. Eine aktuelle juristische Analyse von Hogan Lovells vom 18. November 2025 unterstreicht die Bedeutung: Wahlvorstände müssen die Kandidatensuche deutlich intensivieren – und zwar vor Ablauf der Einreichungsfrist.
Die Hoffnung auf eine Nachfrist? Sobald eine einzige Liste eingereicht wurde, ist diese Tür verschlossen. Das erhöht den Druck auf Gewerkschaften und engagierte Mitarbeiter, frühzeitig für das Ehrenamt zu werben und vollständige Listen zu organisieren. Die Rechtsprechung setzt eindeutige Prioritäten: Durchführung der Wahl und Konstituierung eines Gremiums, auch wenn dieses kleiner ausfällt als ursprünglich vorgesehen.
Sorgfältige Vorbereitung wird Pflicht
Für die kommenden Wahlen gilt: Wahlvorstände müssen die strikte BAG-Auslegung fest in ihre Planungen integrieren. Der Wahlprozess muss von Anfang an korrekt aufgesetzt, Fristen unmissverständlich kommuniziert werden. Gleichzeitig sollten sich Betriebe darauf einstellen, dass auch Betriebsräte unterhalb der Sollstärke rechtmäßig im Amt sind und ihre Mitbestimmungsrechte vollumfänglich ausüben können.
Weitere aktuelle Entwicklungen – etwa die Berücksichtigung des Geschlechtseintrags “divers” in Wählerlisten – zeigen deutlich: Die Anforderungen an rechtssichere Wahlverfahren steigen kontinuierlich. Eine umfassende Kenntnis der aktuellen BAG-Rechtsprechung ist für das Gelingen der Wahlen 2026 unverzichtbar.
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