BAG-Urteil, Klarheit

BAG-Urteil schafft Klarheit bei Kündigung Schwerbehinderter in der Probezeit

29.12.2025 - 12:39:12

Ein langjähriger Rechtsstreit um die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer in der Probezeit ist entschieden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt, dass das besondere Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses nicht zwingend erforderlich ist. Diese wegweisende Entscheidung beendet eine Phase der Rechtsunsicherheit und gibt Personalabteilungen Planungssicherheit für 2026.

Am 3. April 2025 fällte das BAG sein Grundsatzurteil (Az. 2 AZR 178/24). Der Tenor: Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen greift erst nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit gemäß § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Erst dann ist auch das Integrationsamt einzubeziehen.

Das Gericht wies damit die Auffassung zurück, § 167 SGB IX stelle einen „versteckten“ Kündigungsschutz während der Probezeit dar. Die Verfahrenspflicht sei untrennbar mit dem allgemeinen Kündigungsschutz verbunden, der in den ersten sechs Monaten nicht gilt. Für Arbeitgeber bedeutet das: Sie können das Arbeitsverhältnis in dieser Phase ohne das aufwändige Präventionsverfahren beenden.

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Ende der „Kölner Linie“: BAG korrigiert Landesarbeitsgericht

Die Klarstellung des BAG war nötig geworden, weil zuvor widersprüchliche Urteile für Verwirrung gesorgt hatten. Besonders die sogenannte „Kölner Linie“ hatte hohe Haftungsrisiken für Unternehmen geschaffen.

Im September 2024 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (6 SLa 76/24) entschieden, das Präventionsverfahren sei auch in der Wartezeit verpflichtend. Diese Auslegung hätte jede Kündigung ohne das Verfahren angreifbar gemacht und potenzielle Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) begründet. Das BAG hat diese Interpretation nun einheitlich korrigiert und bestätigt, dass die Probezeit ihrer Funktion als gegenseitige Erprobungsphase gerecht wird.

Praxistipps für Personaler: Kein Freibrief, aber mehr Klarheit

Rechtsexperten warnen jedoch davor, die Probezeit nun als rechtsfreien Raum zu betrachten. Zwar entfällt die formelle Pflicht zum Präventionsverfahren, der Diskriminierungsschutz nach dem AGG bleibt jedoch uneingeschränkt bestehen.

Personalabteilungen sollten daher weiterhin jede Kündigung in der Probezeit sorgfältig und nachvollziehbar dokumentieren. Können objektive, nicht-diskriminierende Gründe wie mangelnde Leistung oder betriebliche Erfordernisse nachgewiesen werden, ist die Kündigung rechtssicher. Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) kann je nach Einzelfall und Auslegung des § 178 SGB IX weiterhin erforderlich sein.

Expertenmeinung: Fokus verschiebt sich zur Integration

Die Reaktionen auf das Urteil sind gemischt. Während Arbeitgeberverbände die administrative Entlastung begrüßen, sehen Inklusions-Befürworter die Gefahr, dass die Probezeit nun weniger für Integrationshilfen genutzt wird.

Ein aktueller Bericht von kobinet-nachrichten betont, dass der Druck auf Unternehmen steige, die Eingliederung aktiv zu unterstützen, bevor eine Kündigung erwogen wird. Rechtskommentator Henry Spradau sieht einen Paradigmenwechsel: „Der Fokus verschiebt sich von formaler Bürokratie zur substanziellen Qualität des Onboardings.“

Für 2026 erwarten Experten daher eine verfeinerte Personalpraxis. Unternehmen werden ihre Compliance-Checklisten anpassen müssen, um zwischen Mitarbeitern in der Wartezeit und denen mit vollem Kündigungsschutz klar zu unterscheiden. Die Probezeit bleibt eine flexible Testphase – doch Transparenz und Fairness sind der beste Schutz vor rechtlichen Auseinandersetzungen.

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