BAG-Urteil, Bonus-Ziele

BAG-Urteil macht Bonus-Ziele zur Chefsache

29.12.2025 - 13:54:12

Deutsche Arbeitgeber müssen variable Gehaltsziele für 2026 frühzeitig festlegen. Das Bundesarbeitsgericht verpflichtet bei Verzögerung zur Zahlung des vollen Bonus, unabhängig von der Leistung.

Deutsche Unternehmen riskieren hohe Schadensersatzforderungen, wenn sie variable Gehaltsziele für 2026 nicht rechtzeitig festlegen. Das belegt ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts.

Die Weihnachtsruhe täuscht: Während viele Betriebe geschlossen haben, laufen in Personalabteilungen die Vorbereitungen für das neue Geschäftsjahr auf Hochtouren. Fachanwälte warnen eindringlich vor einer teuren Falle. Wer die Zielvereinbarungen für variable Vergütungen zu spät kommuniziert, muss unter Umständen den vollen Bonus zahlen – unabhängig von der tatsächlichen Leistung. Grundlage ist ein bahnbrechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom Februar 2025, das jetzt die Jahresrückblicke der Rechtsberater dominiert.

„Alles oder Nichts“: Das volle Bonus-Risiko

Der Jahreswechsel markiert eine kritische Deadline. Rechtsgutachten, die am 27. Dezember 2025 veröffentlicht wurden, zeigen: Scheitern die Zielgespräche zum Start der Leistungsperiode, drohen erhebliche Schadensersatzansprüche. Kern des Problems ist die Anreizfunktion variabler Gehälter.

Stellt ein Unternehmen die Ziele zu spät oder gar nicht, ziehen Gerichte eine harte Konsequenz. Sie gehen vermehrt davon aus, dass der Arbeitnehmer 100 Prozent der Ziele erreicht hätte, wären sie rechtzeitig gesetzt worden. Dieses Prinzip, das das BAG in seinem Urteil (Az. 10 AZR 57/24) bekräftigte, verwandelt den leistungsabhängigen Bonus in eine garantierte Zahlung, wenn der Arbeitgeber die Verzögerung zu vertreten hat.

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Viele Chefs glauben fälschlicherweise, Ziele nachträglich festlegen oder auf Aufholklauseln zurückgreifen zu können. Die Rechtsprechung ist jedoch streng: Ist ein signifikanter Teil der Zielperiode – oft mehr als 25 Prozent – verstrichen, ist eine nachträgliche Festlegung rechtlich wirkungslos. Sie kann für die vergangene Zeit nicht mehr motivieren.

BAG-Urteil schließt Schlupfloch

Die Rechtslage für 2026 ist maßgeblich durch das BAG-Urteil vom 19. Februar 2025 geprägt. Der Fall schloss ein potenzielles Schlupfloch. Bisher galten die strengen Haftungsregeln vor allem für gemeinsam vereinbarte Ziele. Das Gericht stellte nun klar: Sie gelten ebenso für einseitige Zielvorgaben durch den Arbeitgeber.

Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen für eine Führungskraft keine individuellen Ziele gesetzt und kommunizierte erst im Oktober – nach drei Vierteln des Jahres – unternehmensweite Vorgaben. Das BAG wertete diese Verzögerung als Verlust der Motivationsfunktion. Der Arbeitnehmer erhielt Schadensersatz in Höhe des Bonus bei 100-prozentiger Zielerreichung.

Die Initiativlast liegt damit eindeutig beim Arbeitgeber, egal ob es um Vereinbarungen oder Vorgaben geht. Bleibt er untätig, trägt er das volle finanzielle Risiko.

Kritische Fristen und die Macht der Dokumentation

Für die Leistungsperiode 2026 ist der Zeitpunkt der Zielsetzung entscheidend. Experten raten, Ziele idealerweise vor Beginn des Geschäftsjahres oder spätestens in den ersten zwei bis drei Monaten final abzustimmen.

Ein Blog für Arbeitsrecht warnte am 27. Dezember, dass Stillschweigen die schlechteste Strategie für Arbeitgeber sei. Bei einseitigen Zielvorgaben habe der Arbeitnehmer keine Verpflichtung, den Chef an seine Pflicht zu erinnern. Die alleinige Haftung verbleibe beim Unternehmen.

Wichtige Grundsätze im Überblick:
* Anreiz erforderlich: Variable Vergütung gilt rechtlich als Bezahlung für konkrete Leistungssteigerung. Nachträglich gesetzte Ziele (etwa im dritten oder vierten Quartal) können bereits erbrachte Leistungen nicht mehr incentivieren.
* Die 25-Prozent-Marke: Eine gesetzliche „harte“ Deadline gibt es nicht. Die Rechtsprechung legt nahe, dass nach Ablauf von 25 Prozent der Periode gesetzte Ziele angreifbar sind. Nach 75 Prozent sind sie praktisch wirkungslos.
* Dokumentation ist alles: Arbeitgeber müssen nachweisen können, dass sie Verhandlungen angeboten oder Ziele rechtzeitig kommuniziert haben.

Branchen unter Druck und der Blick nach vorn

Die strikte Durchsetzung dieser Regeln erzwingt ein Umdenken in HR-Abteilungen. In Branchen mit hohen variablen Gehaltsbestandteilen wie Banken, Vertrieb oder im Top-Management ist der administrative Aufwand enorm, im Januar für tausende Mitarbeiter Ziele festzulegen. Die Kosten des Scheiterns – die Auszahlung voller Boni ohne entsprechende Gegenleistung – sind jedoch ungleich höher.

Einige Unternehmen experimentieren mit mehrjährigen Zielrahmen oder vereinfachten Gewinnbeteiligungsmodellen. Für Positionen, in denen individuelle Leistungssteuerung entscheidend ist, bleibt der jährliche Zielzyklus jedoch Standard.

Rechtsexperten empfehlen für den Start ins Jahr 2026 vier konkrete Schritte:
1. Verträge prüfen: Identifizieren Sie alle Arbeitsverträge mit variablen, zielabhängigen Vergütungsbestandteilen.
2. Früh starten: Beginnen Sie den Zielsetzungsprozess unverzüglich im Januar.
3. Angebote dokumentieren: Bei erforderlichen Vereinbarungen müssen das Angebot des Arbeitgebers und die Einladung zur Verhandlung lückenlos dokumentiert sein.
4. Auffangregelungen sichern: Verträge sollten gültige Ersatzregelungen enthalten (z.B. Bonusorientierung an Unternehmenszielen), deren Wirksamkeit jedoch ebenfalls streng von Gerichten geprüft wird.

Der Fokus auf Vergütungstransparenz und faire Gehaltsstrukturen wird 2026 voraussichtlich noch zunehmen, angetrieben auch durch kommende EU-Richtlinien. Die strenge Haltung des BAG zu variabler Vergütung passt in diesen Trend. Sie schützt Arbeitnehmer vor undurchsichtigen Praktiken.

Das Urteil vom Februar 2025 ist eine letzte Warnung: Die Zeit, in der Zielvereinbarungen als bürokratisches Anhängsel behandelt wurden, ist vorbei. Für deutsche Arbeitgeber lautet die Botschaft zum Jahresbeginn klar: Setzen Sie die Ziele jetzt – oder zahlen Sie den Bonus später in voller Höhe.

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