BAG, Arbeitnehmer

BAG stärkt Arbeitnehmer: Pausenrecht vor Willkür geschützt

17.11.2025 - 01:39:12

Bezahlte Frühstückspausen dürfen nicht einfach gestrichen werden – diese klare Botschaft sendet das Bundesarbeitsgericht mit einem Urteil aus dem Mai 2025. Die Entscheidung schützt Beschäftigte vor der einseitigen Abschaffung langjähriger Vergünstigungen und zeigt die Grenzen betrieblicher Vereinbarungen auf. Doch was bedeutet das konkret für Millionen Arbeitnehmer in Deutschland?

Der Fall eines Werkstattleiters bei einem kommunalen Verkehrsbetrieb wurde zum Präzedenzfall. Jahrelang erhielten die Mitarbeiter eine 15-minütige bezahlte Frühstückspause – bis Arbeitgeber und Betriebsrat diese Praxis per Betriebsvereinbarung beendeten. Der Werkstattleiter klagte und bekam vom Bundesarbeitsgericht (BAG) recht.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit dem Grundsatz der “Regelungssperre” nach § 77 Absatz 3 des Betriebsverfassungsgesetzes. Kernaussage: Sobald ein Tarifvertrag arbeitsrechtliche Bedingungen regelt, dürfen Betriebsvereinbarungen diese nicht unterlaufen.

Im vorliegenden Fall waren Vergütung und Arbeitsbedingungen bereits durch einen Tarifvertrag abgedeckt. Die bezahlte Pause gilt als Teil der Vergütung – ihre Streichung per Betriebsvereinbarung war damit rechtlich unzulässig. Das BAG stellte klar: Der Betriebsrat hat bei der Abschaffung solcher Leistungen kein Mitbestimmungsrecht, darf aber gleichzeitig nicht zustimmen, wenn ein Tarifvertrag einschlägig ist.

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Betriebliche Übung als Rechtsanspruch

Entscheidend für den Erfolg der Klage war das Konzept der “betrieblichen Übung”. Wenn ein Arbeitgeber über Jahre hinweg konstant eine bestimmte Leistung gewährt, können Beschäftigte darauf vertrauen, dass diese zum festen Bestandteil ihres Arbeitsverhältnisses geworden ist. Keine schriftliche Vereinbarung nötig – die gelebte Praxis schafft Rechte.

Die 15-minütige Frühstückspause war genau so eine Leistung. Jahr für Jahr als Arbeitszeit bezahlt, entwickelte sie sich zu einem stillschweigenden Vertragsbestandteil. Kann der Arbeitgeber das einfach beenden? Das BAG sagt: Nicht unter diesen Umständen.

Bezahlte Pause versus gesetzliche Ruhepause

Das Urteil unterscheidet klar zwischen zwei Pausenarten. Das Arbeitszeitgesetz schreibt unbezahlte Ruhepausen vor: mindestens 30 Minuten bei sechs bis neun Arbeitsstunden, 45 Minuten bei längeren Schichten. Diese dienen der Erholung und unterbrechen die Arbeitszeit.

Die bezahlte Frühstückspause im BAG-Fall war anders konzipiert. Sie galt als kurze, vergütete Erholungszeit während der Arbeitszeit – eine freiwillige Zusatzleistung des Arbeitgebers. Solche bezahlten Pausen entstehen durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder eben durch jahrelange Praxis. Das Gericht machte deutlich: Was einmal etabliert ist, lässt sich nicht beliebig zurücknehmen.

Warnung an kostenoptimierungswütige Unternehmen

Arbeitsrechtler werten die Entscheidung als Signal an Arbeitgeber, die ungeschriebene Benefits streichen wollen. Die Botschaft: Ein Betriebsrat eignet sich nicht als Werkzeug, um höherrangige Tarifvereinbarungen zu umgehen.

Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine betriebliche Übung entsteht: regelmäßige Gewährung über längeren Zeitraum, berechtigte Erwartung der Beschäftigten auf Dauerhaftigkeit, keine anderslautenden Vorbehalte des Arbeitgebers. Das BAG verwies den Fall zurück ans Landesarbeitsgericht Niedersachsen, das nun abschließend klären muss, ob diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind.

Welche Bedeutung hat das Urteil praktisch?

Für tarifgebundene Unternehmen wird die Luft dünn, wenn sie gewachsene Vergünstigungen kappen wollen. Betriebsvereinbarungen taugen nicht als Instrument, um etablierte Leistungen zu beseitigen – jedenfalls nicht, wenn bereits ein Tarifvertrag die Materie regelt.

Beschäftigte und Gewerkschaften erhalten mit diesem Urteil starke Argumente gegen den Abbau von Zusatzleistungen. Die Entscheidung (Az. 1 AZR 120/24 vom 20. Mai 2025) schafft Rechtssicherheit und schützt jahrzehntelange Betriebspraxis vor schnellen Sparmaßnahmen.

Bleibt die Frage: Wird das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die betriebliche Übung im konkreten Fall anerkennen? Die Antwort dürfte richtungsweisend sein für unzählige ähnliche Fälle in Deutschland – und für die Frage, wie viel ein Frühstückskaffee am Arbeitsplatz wirklich wert ist.

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