BAG ebnet Weg für digitale Gehaltsabrechnung – Betriebsrat bleibt Schlüsselfigur
27.12.2025 - 02:12:11Das Bundesarbeitsgericht hat den digitalen Lohnzettel als Standard etabliert. Doch die Umsetzung liegt in den Händen der Betriebsräte.
ERFURT. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seiner Rechtsprechung 2025 einen Meilenstein für die Digitalisierung der Arbeitswelt gesetzt. In einer Jahresendanalyse vom 25. Dezember werteten Experten das Grundsatzurteil zu digitalen Gehaltsabrechnungen als zentralen Treiber für deutsche Unternehmen. Die Botschaft ist klar: Der Weg zum papierlosen Lohnzettel ist frei, doch der Betriebsrat kontrolliert das Tor zur Umsetzung.
Im Kern steht das Urteil des BAG vom 28. Januar 2025 (Az. 9 AZR 48/24). Es kippt eine jahrzehntealte Praxis. Bisher galt die Aushändigung des Lohnzettels als Bringschuld des Arbeitgebers – er musste das Dokument aktiv zustellen.
Das Gericht revidierte diese Lesart grundlegend. Die Bereitstellung der Abrechnung in einem passwortgeschützten Mitarbeiterportal erfüllt nun die gesetzliche Textform. Entscheidend ist die neue Einordnung: Das Abrufen durch den Arbeitnehmer wird zur Holschuld. Der Arbeitgeber hat seine Pflicht erfüllt, sobald das Dokument im Portal liegt. Ob der Mitarbeiter es herunterlädt oder liest, ist nicht mehr seine Verantwortung.
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Diese Neuinterpretation beendet den gesetzlichen Zwang zum Papierausdruck. Für Unternehmen eröffnet das enormes Potenzial für Effizienz und Kosteneinsparungen in der Personalverwaltung.
Mitbestimmung: Der entscheidende Bremsklotz oder Schutzschild?
Während das „Ob“ der Digitalisierung geklärt ist, bleibt das „Wie“ kompliziert. Die Einführung solcher Systeme unterliegt der strengen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Paragraph 87 regelt, dass technische Einrichtungen zur Überwachung von Verhalten oder Leistung nicht ohne den Betriebsrat eingeführt werden dürfen.
Genau hier liegt der Haken: Moderne Mitarbeiterportale protokollieren Log-in-Zeiten und Dokumentenabrufe. Damit fallen sie unter diese Vorschrift. Das BAG verwies den konkreten Fall zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen. Dort muss nun geklärt werden, welcher Betriebsrat eigentlich mitbestimmt: der lokale Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat oder bei Konzernen der Konzernbetriebsrat.
Diese Frage ist für große Unternehmen mit mehreren Standorten entscheidend. Ist die IT-Infrastruktur zentral auf Konzernebene organisiert, könnte der Konzernbetriebsrat das alleinige Mitbestimmungsrecht haben. Das würde lokalen Gremien ihr Vetorecht nehmen. Der abschließende Spruch des LAG wird für 2026 erwartet und dürfte die nächste große Rechtsdebatte auslösen.
Schutzklausel für die „digitale Spaltung“
Das Urteil ist kein Freibrief für eine rücksichtslose Digitalisierung. Das BAG hat eine wichtige Schutzvorschrift etabliert: Mitarbeiter ohne privaten Internetzugang oder geeignetes Endgerät dürfen nicht abgehängt werden.
Der Arbeitgeber muss für diese Gruppe einen Zugang innerhalb des Betriebs ermöglichen – etwa über einen Terminal, an dem die Abrechnung eingesehen und ausgedruckt werden kann. Jede Betriebsvereinbarung zur digitalen Lohnabrechnung muss solche Offline-Regelungen enthalten. Fehlen sie, kann der Betriebsrat die gesamte Umstellung stoppen.
Zwischen Effizienz und Überwachungsangst
Wirtschaftsverbände begrüßen die Klarstellung als überfälligen Modernisierungsschritt. „Die Einstufung als Holschuld ist ein Game-Changer für die Verwaltungseffizienz“, heißt es in ersten Reaktionen.
Gewerkschaften bleiben dagegen wachsam. Sie betonen, dass die Mitbestimmung verhindern muss, dass die Digitalisierung zum Überwachungsinstrument wird. Die Daten aus den Portalsystemen – wer wann und von wo aus auf welche Dokumente zugreift – sind sensibel. Gewerkschaften raten Betriebsräten, in den Verhandlungen strenge Löschfristen und klare Verbote für die Nutzung zu Leistungskontrollen durchzusetzen.
Die Weichen für 2026 sind gestellt. Die Unternehmen müssen nun die Umsetzung mit ihren Betriebsräten aushandeln. Die Digitaltür steht offen, aber sie lässt sich nur gemeinsam durchschreiten.
Quellen: Legal Tribune Online (LTO) Jahresrückblick (25.12.2025); Haufe Personal Rechtsanalyse (17.12.2025); BAG-Urteil 9 AZR 48/24 (28.01.2025).
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