ASMK, Gender-Forschung

ASMK: Gender-Forschung bei Berufskrankheiten beschlossen

27.11.2025 - 16:49:12

Die Arbeitswelt wird weiblicher – die Arbeitsschutzforschung hinkt hinterher. In München haben die Arbeits- und Sozialminister der Länder heute einen Durchbruch erzielt: Erstmals sollen geschlechtsspezifische Unterschiede systematisch in die Erforschung von Berufskrankheiten einfließen. Doch während dieser Schritt für mehr Gleichstellung im Gesundheitsschutz sorgen soll, entbrannte gleichzeitig ein heftiger Streit über die Flexibilisierung der täglichen Höchstarbeitszeit.

Die 102. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) unter bayerischem Vorsitz endete am Donnerstag mit wegweisenden Beschlüssen zur Modernisierung des Arbeitsschutzes. Die Ergebnisse zeigen: Deutschland ringt um den richtigen Weg zwischen wirtschaftlicher Flexibilität und dem Schutz der Beschäftigten in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt.

Der wohl bedeutendste Beschluss betrifft die geschlechtsspezifische Forschung bei Berufskrankheiten. Brandenburg hatte die Initiative eingebracht – und fand parteiübergreifende Zustimmung. Das Problem: Bislang basieren nahezu alle Grenzwerte für Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz auf Daten männlicher Probanden.

“Es ist höchste Zeit, dass frauenspezifische Belastungen in der Arbeitswelt anerkannt und angemessen berücksichtigt werden”, erklärte Brandenburgs Arbeitsschutzministerin Britta Müller auf der Abschlusspressekonferenz. Nur so könne man faire Anerkennungsverfahren und einen gleichberechtigten Zugang zu Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung garantieren – unabhängig vom Geschlecht.

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Die Konsequenzen dieser Forschungslücke sind erheblich: In frauendominierten Berufen werden Gesundheitsrisiken systematisch unterschätzt. Wie bestimmte Chemikalien oder körperliche Belastungen auf weibliche Körper wirken, wurde jahrzehntelang kaum untersucht. Gewerkschaften und Gesundheitsexperten begrüßten den Beschluss als überfälligen Schritt zur Gleichstellung im Arbeitsschutz.

Wochenarbeitszeit statt Acht-Stunden-Tag?

Deutlich kontroverser verlief die Debatte über die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Bayern hatte als Gastgeber das Thema auf die Agenda gesetzt: Statt der starren Begrenzung auf acht Stunden pro Tag soll künftig eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gelten – so wie es EU-Richtlinien längst erlauben.

Bayerns Sozialministerin und ASMK-Vorsitzende Ulrike Scharf (CSU) warb vehement für den Kurswechsel. “Wir brauchen mehr Flexibilität und weniger Bürokratie bei den Arbeitszeiten”, betonte Scharf. “Die Beschäftigten sollen nicht mehr arbeiten, sondern flexibler. Das dient der Vereinbarkeit von Beruf, Pflege und Familie.”

Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Gewerkschaften und SPD-geführte Länder warnen seit Jahren, dass die Aufweichung der Acht-Stunden-Grenze zu Überlastung führen und Ruhezeiten aushöhlen könnte. Der Kompromiss der Konferenz: Ein “Sozialpartnerdialog” soll klären, wie mehr Flexibilität möglich ist, ohne die hohen deutschen Arbeitsschutzstandards zu gefährden.

Kann das gutgehen? Die Antwort wird entscheidend sein für Millionen Beschäftigte.

Sozialstaat entrümpeln

Neben den Arbeitsschutzfragen einigten sich die Minister auf eine Reform des Sozialstaats. Mehr als 100 verschiedene Sozialleistungen wollen sie vereinfachen und digitalisieren – ein seltener Schulterschluss über Parteigrenzen hinweg.

“Unser Sozialstaat ist am Limit”, fasste Scharf den Konsens zusammen. “Wir müssen das System einfacher, transparenter und effizienter machen. Der Grundsatz muss lauten: So viel soziale Unterstützung wie nötig, so wenig staatliche Bürokratie wie möglich.”

Für Arbeitsschutzbehörden und Arbeitgeber bedeutet das: Weniger Verwaltungsaufwand, mehr Ressourcen für tatsächliche Präventionsmaßnahmen. Die Digitalisierung von Antragsprozessen soll zudem die psychosoziale Stabilität der Belegschaften stärken – wer schneller Unterstützung erhält, bleibt eher gesund und arbeitsfähig.

KI und Exoskelette im Fokus

Die Konferenz griff auch Impulse der A+A-Fachmesse auf, die Anfang November in Düsseldorf stattfand. Dort standen Künstliche Intelligenz und Exoskelette zur Unfallprävention im Mittelpunkt. Verbindliche Regelungen für KI am Arbeitsplatz verabschiedete die ASMK zwar noch nicht – doch die Minister betonten, dass die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) auf diese technologischen Umwälzungen reagieren müsse.

Karl-Josef Laumann (CDU), Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen, brachte es auf den Punkt: “Arbeitsschutz ist nicht mehr nur Helm und Sicherheitsschuhe. Es geht um menschengerechte Arbeitsumgebungen im Zeitalter permanenter Erreichbarkeit.”

Staffelstab an Hessen

Mit dem Abschluss der Konferenz ging der ASMK-Vorsitz an Hessen über. Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) übernahm das symbolische “Steuer” von Ulrike Scharf und kündigte an, die Arbeit an der Sozialstaatsreform fortzuführen.

“Wir werden zusätzlich einen stärkeren Fokus auf die soziale Absicherung der Transformation in der Arbeitswelt legen”, erklärte Hofmann. Die Umsetzung der geschlechtssensiblen Sicherheitsforschung und die Debatte über flexible Arbeitszeiten bleiben 2026 auf der Prioritätenliste.

Die Beschlüsse von München zeichnen eine klare Richtung: hin zu einem datengestützten, inklusiveren Verständnis von Arbeitnehmergesundheit – und einem anhaltenden Ringen darum, wie viel wirtschaftliche Flexibilität mit dem Schutzauftrag des klassischen Acht-Stunden-Tags vereinbar ist. Der legislative Damm könnte bald brechen, möglicherweise durch ein Gesetz, das Flexibilität mit strikter Arbeitszeiterfassung verbindet.

Ob das die Quadratur des Kreises wird oder ein tragfähiger Kompromiss – die kommende Legislaturperiode wird es zeigen.

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