Arbeitszeugnis: Risiken beim Selbst-Schreiben steigen
17.11.2025 - 15:29:11Die Praxis, dass Mitarbeiter ihr Zeugnis selbst verfassen, gehört in vielen deutschen Unternehmen zum Alltag. Doch diese vermeintlich praktische Lösung birgt erhebliche rechtliche Fallstricke. Aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen: Zwischen Wohlwollen und Wahrheitspflicht lauern Risiken, die beide Seiten teuer zu stehen kommen können.
Für Personalabteilungen mag es verlockend klingen – einfach den scheidenden Mitarbeiter bitten, einen Entwurf zu verfassen. Zeit gespart, Problem gelöst? Weit gefehlt. Die rechtliche Realität sieht deutlich komplizierter aus. Und die jüngsten Urteile machen klar: Wer hier nachlässig agiert, riskiert kostspielige Rechtsstreitigkeiten.
Eine Analyse vom 15. November 2025 bringt es auf den Punkt: Grundsätzlich ist die Zeugniserstellung allein Sache des Arbeitgebers. Die Gewerbeordnung (§ 109 GewO) kennt keine Ausnahmen. Dass Mitarbeiter trotzdem häufig gebeten werden, einen Entwurf zu liefern, ist zwar nicht verboten – doch die Verantwortung bleibt beim Unternehmen hängen.
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Sobald die Unterschrift unter dem Dokument steht, wird der Entwurf zum offiziellen Firmenzeugnis. Der Arbeitgeber haftet ab diesem Moment für jeden Satz. Klingt logisch, wird in der Praxis aber oft unterschätzt.
Die Risiken? Beträchtlich. Ein selbstverfasstes Zeugnis wirkt schnell unglaubwürdig, wenn übertriebenes Eigenlob oder ungewöhnliche Formulierungen auffallen. Personaler beim potentiellen neuen Arbeitgeber haben dafür ein feines Gespür. Noch gravierender: Ein einmal unterschriebenes Zeugnis bindet rechtlich. Wer einem Mitarbeiter im Zwischenzeugnis “stets einwandfreies Verhalten” attestiert, kann kaum Wochen später eine verhaltensbedingte Kündigung für denselben Zeitraum aussprechen.
Umgekehrt gilt: Kein Arbeitnehmer muss einen Entwurf verfassen. Das Verlangen kann abgelehnt werden. Und selbst wenn ein Entwurf vorgelegt wird – es besteht kein Anspruch auf wörtliche Übernahme.
Schlussformel: Nett, aber nicht einklagbar
Ein weiterer Streitpunkt landet regelmäßig vor Gericht: die persönliche Schlussformel. Bedauern über das Ausscheiden, Dank für die Zusammenarbeit, gute Wünsche – was in vielen Zeugnissen steht, ist rechtlich nicht durchsetzbar.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestätigte Anfang November 2025 erneut die langjährige Linie des Bundesarbeitsgerichts: Auf Nettigkeiten besteht kein Rechtsanspruch. Die Begründung? Ein Arbeitszeugnis dient primär der Information Dritter über berufliche Qualifikation. Private Wünsche gehören nicht zum Pflichtinhalt.
Kann ein Arbeitnehmer also klagen, wenn die gewünschte Schlussformel fehlt? Nein. Das Gericht stellte unmissverständlich klar: Wer auf einer persönlichen Formulierung besteht, die der Arbeitgeber nicht aufnehmen will, erhält am Ende ein Zeugnis ohne jeglichen Schlusssatz. Nicht mehr, nicht weniger.
Doch Vorsicht: Auch wenn rechtlich nicht erzwingbar, kann das Fehlen einer Schlussformel negativ auffallen. Personaler interpretieren das oft als versteckten Hinweis auf Probleme. Ein klassisches Dilemma der Zeugnissprache.
Die Note entscheidet – und wer sie beweisen muss
Der heikelste Teil bleibt die Gesamtbewertung. Die Rechtsprechung hat hier ein klares System etabliert: “Zu unserer vollen Zufriedenheit” bedeutet befriedigend (Note 3). Wer besser dastehen will, braucht “stets zu unserer vollen Zufriedenheit” (gut/Note 2) oder “stets zu unserer vollsten Zufriedenheit” (sehr gut/Note 1).
Die entscheidende Frage: Wer muss was beweisen? Das Bundesarbeitsgericht hat die Beweislast klar beim Arbeitnehmer angesiedelt. Wer eine bessere Note als “befriedigend” möchte, muss konkret darlegen und beweisen, warum seine Leistungen überdurchschnittlich waren. Eine hohe Hürde – und genau das macht Zeugnisberichtigungsklagen so aufwendig.
Arbeitgeber müssen gleichzeitig die Wahrheitspflicht beachten. Ein Zeugnis darf weder zu positiv noch zu negativ ausfallen. Diese Balance zu finden, erfordert Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Was jetzt zu tun ist
Für Personalabteilungen heißt das: Standardisierte Prozesse einführen. Auch wenn ein Mitarbeiter einen Entwurf liefert – jede Formulierung muss geprüft werden. Entspricht sie den tatsächlichen Leistungen? Ist sie rechtssicher? Kann sie später zum Bumerang werden?
Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein: Ein Eigenentwurf kann sinnvoll sein, entbindet den Arbeitgeber aber nicht von seiner Pflicht zur Prüfung. Wer schreibt, sollte realistische, gängige Formulierungen wählen und auf das Firmenbriefpapier achten. Übertreibungen fallen auf – und schaden mehr, als sie nutzen.
Bei der Schlussformel gilt: Sie aufnehmen ist eine freiwillige Geste des Arbeitgebers. Erzwingen lässt sie sich nicht. Energie sollte besser in eine korrekte Tätigkeitsbeschreibung und faire Leistungsbeurteilung fließen.
Im Zweifel bleibt die Empfehlung klar: Rechtliche Beratung einholen. Ein fehlerhaftes Zeugnis kostet Zeit, Nerven und Geld – auf beiden Seiten. Die Investition in professionelle Hilfe zahlt sich aus, wenn dadurch langwierige Gerichtsverfahren vermieden werden.
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