Arbeitszeiterfassung, Deutschland

Arbeitszeiterfassung: Deutschland navigiert zwischen Urteil und Reform

20.11.2025 - 16:21:12

Die deutsche Arbeitswelt steckt im Spagat: Während das wegweisende Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur verpflichtenden Zeiterfassung weiterhin bindend ist, arbeitet die Große Koalition intensiv an einer umfassenden Gesetzesreform. Der aktuelle Stand zum 20. November 2025 zeigt: Unternehmen müssen zwei parallele Realitäten im Blick behalten.

Die Spannung zwischen den strikten Tagesgrenzen des bestehenden Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und dem geplanten flexiblen Wochenmodell der Regierung prägt derzeit die HR-Abteilungen im ganzen Land. Doch was gilt jetzt konkret – und was kommt morgen?

Trotz politischer Reformbemühungen ist die juristische Realität Ende 2025 glasklar: Das Bundesarbeitsgericht-Urteil vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21) hat nach wie vor Bestand.

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Bis der Bundestag die neue Reform formal verabschiedet, gilt das BAG-Mandat uneingeschränkt:

  • Pflicht zur Dokumentation: Arbeitgeber müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Beschäftigten erfassen.
  • Kein Opt-out möglich: Die Verpflichtung gilt unabhängig von der Unternehmensgröße. Die Methode (digital oder analog) können Betriebe derzeit noch selbst wählen – vorausgesetzt, sie ist objektiv, verlässlich und zugänglich.
  • Vertrauensarbeitszeit: Auch bei vertrauensbasierter Arbeitszeitgestaltung entfällt die Dokumentationspflicht nicht. Beide Modelle existieren parallel.

Kernbotschaft: Unternehmen, die darauf warten, dass das neue Gesetz das BAG-Urteil “aufhebt”, gehen ein Risiko ein. Die gerichtliche Vorgabe ist aktuell gültig und wird von den Arbeitsschutzbehörden durchgesetzt.

Koalition plant Paradigmenwechsel: Woche statt Tag

Das Herzstück der laufenden Legislaturperiode bildet der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 9. April 2025. Unter dem Titel “Verantwortung für Deutschland” kündigt die Regierung einen grundlegenden Umbau des deutschen Arbeitsrechts an – mit dem Ziel, sich stärker an der EU-Arbeitszeitrichtlinie zu orientieren.

Die Wochenhöchstarbeitszeit kommt

Die bedeutendste geplante Änderung: Weg von der starren täglichen Höchstarbeitszeit (derzeit acht Stunden, auf zehn verlängerbar).

Der Plan: Die tägliche Obergrenze soll durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzt werden – voraussichtlich 48 Stunden im Durchschnitt.

Das Ziel: Maximale Flexibilität. Beschäftigte könnten beispielsweise an drei Tagen länger arbeiten und dafür ein verlängertes Wochenende genießen – solange die Wochengrenze und die Ruhezeiten (elf Stunden) eingehalten werden.

Aktueller Status: Der Vorschlag steht im Zentrum der Koalitionsagenda, sorgt aber für intensive Debatten über Gesundheitsschutzstandards.

Elektronische Erfassung mit Erleichterungen

Die Koalition hat sich verpflichtet, die Aufzeichnungspflicht gesetzlich zu verankern – allerdings mit wichtigen Entlastungen für die Wirtschaft:

  • “Unbürokratische” Umsetzung: Der Vertrag betont ausdrücklich, dass die elektronische Erfassung praxistauglich gestaltet werden soll.
  • KMU-Ausnahmen: Der Entwurf sieht Ausnahmen und Übergangsfristen für kleine und mittlere Unternehmen vor. Kleinere Betriebe (beispielsweise unter 50 Mitarbeiter) sollen deutlich mehr Zeit zur Anpassung erhalten als Konzerne.
  • Kleinstunternehmen-Befreiung: Es wird über eine dauerhafte Ausnahme für Kleinstbetriebe (unter zehn Mitarbeiter) diskutiert, die weiterhin nicht-elektronische Erfassungsformen nutzen könnten.

Sonn- und Feiertagsarbeit: Keine Revolution in Sicht

Während die Wochenarbeitszeit die Schlagzeilen dominiert, bleiben die Regelungen für Sonn- und Feiertagsarbeit fest in § 9 und § 10 ArbZG verankert.

Das grundsätzliche Sonntagsarbeitsverbot gilt weiterhin mit strengen Ausnahmen:

  • Generelles Verbot: Beschäftigte dürfen an Sonn- und Feiertagen zwischen 0 und 24 Uhr grundsätzlich nicht arbeiten (§ 9 ArbZG).
  • Standardausnahmen (§ 10 ArbZG): Arbeit ist zulässig für systemrelevante Bereiche – darunter Rettungsdienste, Krankenhäuser, Gastronomie und kontinuierliche Produktionsprozesse.
  • Freizeitausgleich: Wer sonntags arbeitet, muss innerhalb von zwei Wochen einen Ersatzruhetag erhalten. Bei Feiertagsarbeit beträgt die Frist acht Wochen.
  • 15 freie Sonntage: Selbst in zulässigen Branchen müssen Beschäftigte mindestens 15 Sonntage pro Jahr frei haben.

Hinweis zur Reform: Der Koalitionsvertrag erwähnt “Flexibilität”, doch eine umfassende Deregulierung des verfassungsrechtlich geschützten Sonntagsschutzes steht nicht zur Debatte. Der Fokus liegt auf flexibler Verteilung der Wochenstunden.

Ausblick: Was Unternehmen jetzt tun sollten

Zum Jahresende 2025 bleibt der Zeitplan für das “Arbeitszeitgesetz 2.0” die zentrale Frage für Personalabteilungen.

Legislativer Prozess: Nach dem Koalitionsvertrag vom April 2025 wird das Bundesarbeitsministerium (BMAS) voraussichtlich bald den finalen Gesetzentwurf zur parlamentarischen Debatte vorlegen.

Betriebsrat-Digitalisierung: Parallel zur Arbeitszeitreform treibt die Koalition die “Digitalisierung der Mitbestimmung” voran – mit dauerhafter Rechtssicherheit für Online-Betriebsratssitzungen und -wahlen.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

  1. Nicht abwarten: Stellen Sie sicher, dass Ihr Zeiterfassungssystem jetzt dem BAG-Urteil entspricht. Pausieren Sie Compliance-Maßnahmen nicht in Erwartung des neuen Gesetzes.

  2. Digital vorbereiten: Die Richtung ist klar: Elektronische Erfassung kommt. Investitionen in digitale Tools jetzt machen Ihr Unternehmen zukunftssicher.

  3. Vertrauensarbeitszeit prüfen: Falls Sie vertrauensbasierte Arbeitszeitmodelle nutzen, überprüfen Sie, ob Ihre Dokumentationsprozesse einer Prüfung nach aktueller Rechtsprechung standhalten würden.

Die deutsche Arbeitswelt befindet sich im Umbruch – doch eins ist sicher: Wer heute handelt, ist morgen auf der sicheren Seite.

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