Arbeitszeiterfassung: Deutschland im Wartezustand
14.11.2025 - 16:39:12Die Uhr tickt, doch das Gesetz lässt auf sich warten: Seit Jahren diskutiert Deutschland über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – eine klare Regelung fehlt bis heute. Während Unternehmen in der Schwebe hängen, verstärkt sich die rechtliche Unsicherheit. Wer jetzt nicht handelt, riskiert böse Überraschungen.
Berlin, 14. November 2025 – Die deutsche Wirtschaft wartet weiterhin auf die finale gesetzliche Ausgestaltung der verpflichtenden Arbeitszeiterfassung. Auch im Spätherbst 2025 lässt die Verabschiedung eines neuen Arbeitszeitgesetzes auf sich warten. Für viele Unternehmen bedeutet das: anhaltende Planungsunsicherheit.
Dabei besteht die grundsätzliche Pflicht zur systematischen Erfassung der Arbeitszeit bereits seit einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) 2022. Doch die konkreten Regeln zur Umsetzung und Digitalisierung? Die sind nach wie vor Gegenstand politischer Beratungen.
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Unternehmen stecken in einem Dilemma: Sie müssen handeln, um den aktuellen rechtlichen Anforderungen zu genügen. Gleichzeitig investieren sie möglicherweise in Systeme, die von den endgültigen gesetzlichen Vorgaben abweichen. Eine teure Wette auf die Zukunft.
Die Debatte dreht sich längst nicht mehr um das “Ob”, sondern ausschließlich um das “Wie” der Zeiterfassung. Im Kern geht es um die Balance zwischen Arbeitnehmerschutz, unternehmerischer Flexibilität und dem bürokratischen Aufwand – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
Der vorliegende Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zeichnet zwar ein klares Bild der geplanten Richtung. Doch der genaue Zeitpunkt seines Inkrafttretens? Völlig ungewiss.
Eine Pflicht ohne Spielregeln
Die aktuelle Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung basiert auf zwei entscheidenden Gerichtsurteilen. Den Anfang machte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai 2019 mit seinem sogenannten „Stechuhr-Urteil”. Er verpflichtete die EU-Mitgliedstaaten, Arbeitgeber zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit anzuweisen.
Nachdem der deutsche Gesetzgeber zunächst nicht aktiv wurde, schuf das Bundesarbeitsgericht am 13. September 2022 Fakten. In einem weitreichenden Beschluss stellten die Erfurter Richter fest: Arbeitgeber sind bereits nach geltendem Recht verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen.
Die rechtliche Grundlage? Eine Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes (§ 3 ArbSchG). Damit wurde die Aufzeichnungspflicht, die zuvor nur für Überstunden und Sonntagsarbeit explizit galt, auf die gesamte Arbeitszeit ausgeweitet. Diese Pflicht besteht seitdem – unabhängig von der noch ausstehenden Gesetzesreform.
Elektronisch erfassen – aber mit Ausnahmen
Der seit April 2023 vorliegende Referentenentwurf des BMAS konkretisiert, wie die Regierung die Vorgaben umsetzen will. Das zentrale Element: die Verpflichtung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung. Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sollen grundsätzlich in digitaler Form aufgezeichnet werden. Auch gängige Tabellenkalkulationsprogramme könnten als ausreichend gelten.
Der Entwurf sieht jedoch wichtige Ausnahmen vor:
Kleinbetriebe: Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern sollen von der Pflicht zur elektronischen Erfassung ausgenommen werden können.
Tarifautonomie: Durch Tarifverträge oder auf deren Grundlage in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen soll von der elektronischen Form abgewichen werden können. Auch eine spätere Erfassung, etwa innerhalb von sieben Tagen, wäre dann möglich.
Delegation: Die Aufgabe der Zeiterfassung kann ausdrücklich an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst delegiert werden.
Die Aufzeichnungen müssen laut Entwurf für mindestens zwei Jahre aufbewahrt und den Arbeitnehmern auf Verlangen zugänglich gemacht werden.
Das Ende der Vertrauensarbeitszeit?
Eine der größten Sorgen in der Wirtschaft: das potenzielle Ende der Vertrauensarbeitszeit. Der Gesetzentwurf versucht hier einen Kompromiss. Vertrauensarbeitszeit soll auch künftig möglich sein. Die Pflicht zur Erfassung bleibt zwar bestehen, kann aber vom Arbeitnehmer selbst durchgeführt werden.
Doch es gibt einen Haken: Verzichtet der Arbeitgeber auf die Kontrolle der Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit, muss er durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen gesetzliche Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen bekannt werden. Das stellt hohe Anforderungen an die Systemgestaltung und erfordert klare Regelungen für den Umgang mit Abweichungen.
Zwischen Schutz und Flexibilität
Die Verzögerung im Gesetzgebungsprozess spiegelt die tiefen Meinungsverschiedenheiten zwischen den politischen Akteuren und Sozialpartnern wider. Während Gewerkschaften und Arbeitnehmerschutzorganisationen auf eine strikte Umsetzung der EuGH-Vorgaben pochen, warnen Arbeitgeberverbände vor übermäßiger Bürokratie und dem Verlust flexibler Arbeitsmodelle.
Debatten im Bundestag, wie zuletzt im Oktober 2025, zeigen: Das Ringen um die richtige Balance zwischen Schutz und Flexibilität hält an.
Nicht länger warten
Experten raten Unternehmen dringend, nicht auf die endgültige Verabschiedung des Gesetzes zu warten. Da die grundsätzliche Pflicht zur Zeiterfassung bereits seit dem BAG-Urteil von 2022 besteht, befinden sich Arbeitgeber ohne systematisches Erfassungssystem in einer rechtlichen Grauzone.
Die Prognose: Das Gesetz wird frühestens Ende 2025 verabschiedet. Je nach Unternehmensgröße und geplanten Übergangsfristen würde die Umsetzung bis weit ins Jahr 2026 oder darüber hinaus dauern.
Die proaktive Einführung digitaler Zeiterfassungslösungen, die den wahrscheinlichen Kernanforderungen des Gesetzes entsprechen, erscheint als der sicherste Weg. Wer jetzt handelt, gewährleistet Rechtskonformität und ist für die Zukunft gerüstet.
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