Arbeitszeiterfassung: Bas unter Beschuss – Rechtslage bleibt im Schwebezustand
01.12.2025 - 19:59:12Die Debatte um die Modernisierung des deutschen Arbeitsrechts erreichte am Wochenende einen neuen Höhepunkt. Beim Juso-Bundeskongress in Mannheim sah sich Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) am gestrigen Sonntag scharfer Kritik aus den eigenen Reihen ausgesetzt – zentrale Streitpunkte: Arbeitszeiterfassung und Flexibilisierung.
Für Personalabteilungen bundesweit bleibt die Situation komplex: Die Große Koalition verspricht mehr Flexibilität durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Doch der konkrete Gesetzestext zur digitalen Zeiterfassung? Lässt weiter auf sich warten.
„Sozial-politische Bankrotterklärung” – so hart urteilte die SPD-Jugend am Sonntag über Teile der Koalitionsagenda. Während öffentlich vor allem die Bürgergeld-Anpassungen im Fokus standen, schwelt darunter ein grundsätzlicherer Konflikt: Die im Mai 2025 zwischen Union und SPD vereinbarte Arbeitsmarktreform.
Der Kern des Vorhabens stellt einen Paradigmenwechsel dar. Statt der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeit von acht bis zehn Stunden soll künftig eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gelten. Das würde Arbeitstage von über zehn Stunden ermöglichen, sofern im Wochenschnitt die 48-Stunden-Grenze eingehalten wird.
„Wir müssen unser Arbeitsrecht an die Realität der digitalen, flexiblen Arbeitswelt anpassen”, verteidigte Bas den Kurs bereits im November bei einer Bundestagsbefragung. Diese Flexibilisierung war eine zentrale Forderung der Union in den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr.
Doch ohne strikte digitale Erfassung drohe diese Flexibilität zur Ausbeutung zu werden, warnen Kritiker. „Flexibilität darf nicht Selbstausbeutung bedeuten”, mahnte gestern ein Juso-Delegierter. Das Unbehagen sitzt tief – selbst in der eigenen Partei der Ministerin.
Rechtliche Grauzone: Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Trotz der hochrangigen Politdebatten fehlt der gesetzliche Rahmen für die konkrete Umsetzung der Zeiterfassung. Das „Arbeitszeiterfassungsgesetz” liegt seit dem wegweisenden BAG-Urteil von 2022 in mehrfachen Entwürfen vor – eine finale Fassung aus der Merz-Regierung steht jedoch aus.
Rechtsexperten betonen unmissverständlich: Unternehmen können sich nicht leisten, auf das neue Gesetz zu warten.
Die Compliance-Realität zum 1. Dezember 2025:
- BAG-Urteil gilt weiterhin: Seit September 2022 (1 ABR 22/21) sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit zu erfassen – unabhängig von politischen Verzögerungen.
- Bußgeldrisiko real: Verstöße gegen Arbeitszeitregelungen können bereits jetzt geahndet werden. Bei Missachtung der Erfassungspflicht drohen Bußgelder bis 30.000 Euro, besonders wenn Höchstgrenzen überschritten werden.
- Elektronische Erfassung faktisch Standard: Obwohl der Koalitionsvertrag „unbürokratische” Lösungen für KMU verspricht, führt der Weg – angetrieben durch EuGH-Rechtsprechung (C-55/18) – klar zu elektronischen Systemen. Stift und Papier sind für compliant agierende Unternehmen Vergangenheit.
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Vertrauensarbeitszeit unter Vorbehalt
Ein kritischer Aspekt der laufenden Verhandlungen: die Zukunft der Vertrauensarbeitszeit. Der Koalitionsvertrag stellt explizit klar, dass diese Arbeitsform möglich bleiben soll.
Die Feinheiten liegen jedoch im Detail, wie Rechtsanalysten von Kanzleien wie CMS und DLA Piper betonen: Vertrauensarbeitszeit befreit nicht von der Erfassungspflicht. Sie erlaubt lediglich, den Erfassungsakt an Beschäftigte zu delegieren. Die Verantwortung für ordnungsgemäße Aufzeichnungen und Ruhezeiten bleibt beim Arbeitgeber.
Die Herausforderung für die Regierung? Ein Gesetz zu formulieren, das den EuGH-Anforderungen an ein „objektives, verlässliches und zugängliches System” entspricht, ohne die Vertrauenskultur vieler moderner deutschen Unternehmen zu zerstören. Bas signalisierte bereits spezifische Übergangsregelungen und Ausnahmen zum Schutz dieses Modells – doch die genaue Formulierung dürfte bis weit ins Jahr 2026 debattiert werden.
Was 2026 kommen wird
Nach dem turbulenten Start der neuen Legislaturperiode Mitte 2025 steht die Regierung unter Lieferdruck. Das Arbeitsministerium will Anfang 2026 einen überarbeiteten Entwurf des Arbeitszeitgesetzes vorlegen.
Die entscheidenden Punkte:
- Die 48-Stunden-Woche: Wird die wöchentliche Höchstgrenze absolut, oder kommen Öffnungsklauseln, die Tarifverträge voraussetzen?
- KMU-Ausnahmen: Wie werden „kleine Betriebe” definiert? Frühere Entwürfe nannten Schwellenwerte von 10 oder 50 Beschäftigten.
- Digitale Standards: Schreibt das Gesetz konkrete technische Vorgaben für Zeiterfassungssoftware vor, um Manipulationen auszuschließen?
Die Botschaft für Personalabteilungen ist eindeutig: Die politische Debatte über „12-Stunden-Tage” und „wöchentliche Höchstgrenzen” betrifft zukünftige Möglichkeiten. Die Compliance-Pflicht zur Zeiterfassung ist gegenwärtige Realität.
Wie die hitzigen Debatten in Mannheim zeigen, bleibt der Weg zu einem neuen Konsens steinig. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre aktuellen Systeme robust genug sind – egal, welche Version von „Flexibilität” am Ende Gesetz wird.
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