Arbeitsschutz statt Ausgrenzung: ver.di fordert HIV-Schutz
01.12.2025 - 10:10:12Die medizinische Realität ist eindeutig: Menschen mit HIV können jeden Beruf ausüben. Doch in deutschen Büros und Betrieben herrscht oft noch das Gegenteil – Angst, Unwissenheit und stille Diskriminierung. Pünktlich zum Welt-AIDS-Tag hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft heute eine klare Forderung formuliert: Gesetzliche Schutzmaßnahmen müssen her, um die Lücke zwischen medizinischem Fortschritt und betrieblicher Wirklichkeit endlich zu schließen.
Silke Zimmer, zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, bringt es auf den Punkt: „Menschen mit HIV sind selbstverständlicher Teil der Arbeitswelt – sie verdienen Schutz, Vertraulichkeit und die Chance, ihren Beruf ohne Angst vor Ausgrenzung auszuüben.” Die Gewerkschaft meldet sich damit zum heutigen Aktionstag mit konkreten Forderungen zu Wort. Denn trotz Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berichten lokale Beratungsstellen weiterhin regelmäßig von Diskriminierungsfällen.
Die Bandbreite reicht von unzulässigen HIV-Tests bei Bewerbungsverfahren über Verstöße gegen den Datenschutz bis hin zu systematischem Mobbing. Was steckt dahinter? Oft sind es unbegründete Ansteckungsängste und fehlendes Wissen bei Führungskräften und Personalabteilungen.
Die wissenschaftliche Grundlage ist klar: U=U (Undetectable = Untransmittable). Menschen mit HIV unter wirksamer antiretroviraler Therapie können das Virus nicht übertragen – weder beim ungeschützten Geschlechtsverkehr noch im alltäglichen Kontakt am Arbeitsplatz. „Absolut jeder Beruf kann heutzutage auch mit einer HIV-Infektion ausgeübt werden”, stellen ver.di und die Deutsche Aidshilfe unmissverständlich fest.
Trotzdem schätzen Arbeitgeber häufig das Ansteckungsrisiko oder die Belastbarkeit betroffener Mitarbeitender falsch ein. Das Robert Koch Institut beziffert die Zahl der Menschen mit HIV in Deutschland auf rund 97.000 (Stand Ende 2023). Für die große Mehrheit ist die Infektion eine behandelbare chronische Erkrankung – ohne Auswirkungen auf Produktivität oder Fehlzeiten im Vergleich zu HIV-negativen Kollegen.
Die Angst vor Stigmatisierung zwingt jedoch viele Betroffene, ihren Status zu verschweigen. Diese psychische Belastung widerspricht modernen Arbeitsschutzprinzipien, die explizit den Schutz der mentalen Gesundheit einschließen. Hier entsteht ein Teufelskreis: Je mehr Menschen schweigen müssen, desto weniger Sichtbarkeit gibt es – und desto hartnäckiger halten sich die Vorurteile.
„Gemeinsam. Gerade jetzt.” – Kampagne unter Druck
Die diesjährige Kampagne zum Welt-AIDS-Tag, getragen vom Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit, der Deutschen AIDS-Stiftung und der Deutschen Aidshilfe, steht unter düsteren Vorzeichen. Gesundheitsexperten warnen vor einem „polarisierten gesellschaftlichen Klima” und massiven Mittelkürzungen wichtiger Geberländer – allen voran der USA.
„Viren kennen keine Grenzen”, warnte Dr. Johannes Nießen, kommissarischer Leiter des BIÖG, bereits in der vergangenen Woche. Wenn internationale Hilfsprogramme zusammenbrechen und die globalen Infektionsraten steigen, werden die Auswirkungen – einschließlich neuer Angst und Stigmatisierung – auch Deutschland erreichen. Was hat das mit einem deutschen Büro zu tun? Die Experten argumentieren: Der weltweite Rückschritt bei der AIDS-Bekämpfung befeuert lokale Diskriminierung.
Die Initiative #positivarbeiten der Deutschen Aidshilfe, unterzeichnet von Schwergewichten wie SAP, Deutsche Bahn und der Bundesagentur für Arbeit, gilt als Goldstandard für betriebliches Engagement. ver.di fordert heute: Mehr Unternehmen sollen das Bekenntnis unterzeichnen – und vor allem auch umsetzen. Denn zwischen Absichtserklärung und gelebter Praxis klafft oft eine beträchtliche Lücke.
Konkrete Handlungsfelder für Unternehmen
Für deutsche Arbeitgeber könnte der heutige Vorstoß der Gewerkschaft eine Zäsur bedeuten. ver.dis Forderung nach „strengeren Sanktionen bei Verstößen” deutet darauf hin, dass Gewerkschaften künftig eine aggressivere Haltung vor Arbeitsgerichten einnehmen könnten.
Drei zentrale Punkte für HR- und Compliance-Verantwortliche:
Erstens: Überprüfen Sie Ihre Testrichtlinien. Verpflichtende HIV-Tests sind für nahezu alle Berufe rechtlich unzulässig. Wer bei medizinischen Einstellungsuntersuchungen nicht aufpasst, riskiert erhebliche Haftungsrisiken.
Zweitens: Datenschutz ernst nehmen. Gesundheitsdaten zum HIV-Status unterliegen der höchsten Schutzstufe nach DSGVO. Jeder Verstoß gegen die Vertraulichkeit kann empfindliche Strafen nach sich ziehen.
Datenschutz ist bei sensiblen Gesundheitsdaten keine Formsache – insbesondere nicht beim HIV‑Status. Diese kostenlose Mustervorlage für Vertraulichkeitsvereinbarungen hilft HR‑Verantwortlichen und Betriebsräten, gerichtsfeste Formulierungen zu nutzen, Meldewege zu klären und Verantwortlichkeiten bei Datenlecks verbindlich zu regeln. Sofort einsetzbar und rechtlich geprüft, schützt sie Betroffene vor unerwünschter Offenlegung und gibt Unternehmen klare Handlungsschritte an die Hand. Jetzt rechtssichere Vertraulichkeits‑Vorlage herunterladen
Drittens: Führungskräfte schulen. Die Forderung nach verpflichtenden Trainings zeigt eine Schwachstelle in vielen Organisationen. Vorgesetzte wissen oft nicht, wie sie mit einem „Coming-out” eines Mitarbeitenden umgehen sollen – und reagieren aus Unsicherheit heraus falsch. „Wir erwarten klare gesetzliche Regelungen, tarifvertragliche Absicherungen und betriebliche Maßnahmen, die Diskriminierung wirksam verhindern”, so Zimmer.
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD⁺) meldete sich heute ebenfalls zu Wort und warnte: Ohne erneutes Bekenntnis zu Gesundheitsversorgung und Gleichbehandlung drohe ein gesellschaftlicher Rückschritt. Andre Lehmann vom LSVD⁺-Vorstand betonte, der Kampf gegen AIDS sei auch ein Kampf für Menschenrechte – explizit einschließlich des Rechts auf diskriminierungsfreie Arbeit.
Ausblick: Der Weg bis 2030
Das Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen, die AIDS-Epidemie bis 2030 zu beenden, steht laut aktuellen UNAIDS-Daten „akut auf der Kippe”. Für die deutsche Arbeitswelt werden die kommenden fünf Jahre entscheidend sein.
Sollten ver.dis Forderungen Gehör finden, könnten Novellierungen des AGG oder neue Betriebsvereinbarungen entstehen, die chronische Krankheiten und unsichtbare Behinderungen explizit adressieren. Die Gewerkschaft fordert Unternehmen ausdrücklich auf, Betriebsvereinbarungen mit „klaren Antidiskriminierungsklauseln” abzuschließen.
Während die Kampagne „Gemeinsam. Gerade jetzt.” diese Woche bundesweit anläuft, ist die Botschaft an die Wirtschaft unmissverständlich: Die Medizin hat ihre Hausaufgaben gemacht und HIV beherrschbar gemacht. Jetzt sind Arbeitgeber und Gesetzgeber am Zug, ihren Teil beizutragen. Denn am Ende geht es nicht um Sonderrechte – sondern um die Selbstverständlichkeit, dass jeder Mensch seinen Beruf ohne Angst und Ausgrenzung ausüben kann.
Übrigens: Fehler in Geheimhaltungsvereinbarungen werden häufig erst vor Gericht entdeckt – und können Arbeitgeber teuer zu stehen kommen. Das kostenfreie E‑Book zeigt die fünf häufigsten Formulierungsfallen, liefert gerichtsfeste Klauseln und bietet eine sofort nutzbare Word‑Vorlage, mit der Personalabteilungen sensiblen Gesundheitsstatus verbindlich schützen können. Ideal als Ergänzung zu Betriebsvereinbarungen und Schulungsmaßnahmen. Kostenlose Mustervorlage jetzt herunterladen


