Arbeitsschutz: Klimaanpassung wird zur Pflicht
01.12.2025 - 03:21:12Die deutsche Arbeitssicherheit steht vor einem Paradigmenwechsel. Mit der offiziellen Erweiterung der Bundesrahmenempfehlungen um Klimaanpassung am 28. November hat die Nationale Präventionskonferenz (NPK) eine Entwicklung vollzogen, die Unternehmen bundesweit betrifft: Klimaresilienz ist nicht länger freiwillige Kür, sondern wird zum Kern des betrieblichen Gesundheitsschutzes.
Parallel dazu verschärfen sich die Anforderungen an den Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz – während gleichzeitig die ersten Wintertage unmittelbare Sicherheitsmaßnahmen erfordern. Die vergangene Woche hat damit gleich mehrere Baustellen für Sicherheitsverantwortliche eröffnet.
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Was bedeutet die Entscheidung der NPK konkret? Ab sofort müssen betriebliche Gefährdungsbeurteilungen systematisch klimabedingte Risiken berücksichtigen. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) formuliert es unmissverständlich: „Klimabedingte Gesundheitsrisiken haben ein beispielloses Ausmaß erreicht.” Diese Einschätzung folgt aktuellen WHO-Warnungen zu den Gesundheitsgefahren des Klimawandels.
Doch welche Unternehmen sind betroffen? Die Antwort überrascht: praktisch alle. Während Baufirmen und Landwirtschaftsbetriebe offensichtlich im Fokus stehen, erstreckt sich die Regelung auch auf Innenarbeitsplätze. Lagerhallen ohne ausreichende Kühlung, Büros mit unzureichender Klimatisierung oder Produktionsstätten mit kritischer Infrastruktur bei Extremwetter – die Liste ist lang.
Zwei Schwerpunkte dominieren die neuen Vorgaben:
Hitzeschutz: Unternehmen müssen umfassende Hitzeschutzpläne entwickeln. Das reicht von technischen Maßnahmen wie Kühlsystemen und Verschattungen über organisatorische Anpassungen – etwa verlegte Arbeitszeiten in den kühleren Morgenstunden – bis hin zu angepasster Schutzkleidung, die auch bei hohen Temperaturen funktioniert.
UV-Strahlung und Extremwetter: Für Beschäftigte im Freien werden verstärkte Schutzkonzepte gegen Sonneneinstrahlung sowie Protokolle für plötzlich auftretende Unwetterereignisse wie Stürme oder Starkregen zur Pflicht.
Branchenexperten rechnen damit, dass diese Vorgaben in den kommenden Monaten eine Welle von Anpassungen in der Fertigungs- und Logistikbranche auslösen werden. Unternehmen sind gut beraten, ihre bestehenden Sicherheitsstandards umgehend zu überprüfen.
Gewaltprävention: Mehr als nur körperlicher Schutz
Einen Tag zuvor, am 27. November, veröffentlichte die DGUV zusammen mit den Unfallversicherungsträgern ein aktualisiertes Präventionskonzept unter dem Motto #GewaltAngehen. Der Hintergrund: besorgniserregende Zunahmen aggressiven Verhaltens gegenüber Beschäftigten, insbesondere im Dienstleistungs- und Gesundheitssektor.
Die neuen Richtlinien erweitern den Gewaltbegriff deutlich. Nicht nur körperliche Übergriffe fallen darunter, sondern ausdrücklich auch verbale Attacken, Bedrohungen und Belästigungen. Was müssen Arbeitgeber jetzt tun?
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Risikoanalyse sozialer Interaktionen: Welche Tätigkeiten setzen Mitarbeiter potenziellen Aggressionen aus? Kundenberatungen, Außendiensteinsätze oder Einzelarbeitsplätze gelten als besondere Risikobereiche.
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Deeskalationstraining: Die DGUV intensiviert die Forderung nach verpflichtenden Schulungen für Mitarbeiter mit Kundenkontakt.
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Nachsorge nach Vorfällen: Psychologische Betreuung nach Gewalterfahrungen soll den gleichen Stellenwert erhalten wie die Versorgung körperlicher Verletzungen.
„Mit einem Präventionskonzept, das typische Risiken adressiert, können Unternehmen ihre Beschäftigten wirksam vor Übergriffen schützen”, betont die DGUV. Dabei reichen technische Maßnahmen wie Trennscheiben oder Notfallknöpfe allein nicht aus – entscheidend sei eine Unternehmenskultur der Nulltoleranz gegenüber Gewalt.
Winter-Pflichten: Rutschgefahr und Beleuchtung
Zum meteorologischen Winterbeginn am 1. Dezember hat das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV zeitnah auf saisonale Risiken hingewiesen. Im Fokus: Wegeunfälle und Sicherheit bei Außenarbeiten unter winterlichen Bedingungen.
Die Vorgaben sind klar definiert:
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Betriebsgelände: Alle Verkehrswege und Parkflächen müssen vor Beginn der ersten Schicht von Eis und Schnee befreit sein.
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Schuhwerk: Das IFA empfiehlt rutschfeste, profilierte Sohlen – in extremen Fällen sogar Schuhspikes für Außenbeschäftigte. „Die Sohle sollte rutschhemmend und profiliert sein”, so IFA-Experte Olaf Mewes.
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Beleuchtung: Bei minimalen Tageslichtstunden im Dezember ist die ausreichende Ausleuchtung aller Außenarbeitsbereiche und Verkehrswege ein kritischer Compliance-Punkt.
Diese Schwerpunktsetzung ist nicht zufällig: Statistiken zeigen, dass Fußgängerunfälle auf glatten Oberflächen zu den Hauptursachen winterbedingter Arbeitsausfälle gehören.
Politischer Streit um Sicherheitsbeauftragte
Die neuen Anforderungen treffen auf eine hitzige Debatte über die Zukunft der Sicherheitsaufsicht in kleinen und mittleren Unternehmen. Seit Oktober 2025 schwelt ein Konflikt zwischen dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) und Sicherheitsorganisationen über Pläne, die Pflicht zur Bestellung von Sicherheitsbeauftragten in kleineren Betrieben zu reduzieren.
DGUV-Direktor Dr. Stephan Fasshauer und andere Kritiker argumentieren: Gerade jetzt, wo Risiken komplexer werden – von Klimastress bis zu psychischen Belastungen –, sei eine Verringerung der Sicherheitsaufsicht kontraproduktiv. Die neuen NPK-Vorgaben zur Klimaanpassung stärken diese Position, denn die Umsetzung derart komplexer Risikbeurteilungen erfordert Fachwissen.
Hinzu kommt: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat kürzlich „digitalen Stress” und Informationsüberflutung als neue Gefährdungen identifiziert. Die psychische Belastung durch „Informationsflut” wurde Ende November als kritischer Bereich für moderne Gefährdungsbeurteilungen eingestuft – ein weiteres Argument dafür, dass Arbeitssicherheit längst nicht mehr nur physische Gefahren umfasst.
Ausblick: Was kommt 2026?
Die Integration der NPK-Klimaempfehlungen dürfte die Compliance-Agenda im ersten Quartal 2026 dominieren. Fachleute erwarten, dass die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) konkrete Checklisten und Umsetzungsleitfäden veröffentlicht, um Unternehmen die Übersetzung der abstrakten Bundesrahmenempfehlungen in operative Schritte zu erleichtern.
Für den Rest des Dezembers empfehlen Experten drei unmittelbare Prioritäten:
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Gefährdungsbeurteilungen aktualisieren: Die neuen Klimaparameter einarbeiten.
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Winterfestigkeit prüfen: Beleuchtungs- und Räumkonzepte für Eis und Schnee verifizieren.
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Gewaltschutzkonzepte überprüfen: Sicherstellen, dass #GewaltAngehen-Maßnahmen sichtbar und aktiv sind – besonders für Personal mit viel Kundenkontakt im geschäftigen Weihnachtsgeschäft.
Mit der Ausweitung des Arbeitsschutzes auf Klimaresilienz und psychologische Abwehr gegen Gewalt wird die Rolle der Sicherheitsbeauftragten anspruchsvoller. Das verstärkt den Bedarf an kontinuierlicher Weiterbildung und starker Unterstützung durch die Geschäftsführung. Kein Wunder also, dass die Debatte um deren Pflichtbestellung gerade jetzt so kontrovers verläuft.
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