Arbeitsrecht, Betriebsräte

Arbeitsrecht 2025: Betriebsräte erhalten mehr Kontrolle über KI und digitale Tools

31.12.2025 - 16:15:12

Gerichte und die EU-KI-Verordnung verschärfen die Mitbestimmung bei digitalen HR-Tools. Die Einführung von Personalsoftware erfordert nun zwingend Betriebsvereinbarungen und Transparenz.

Deutsche Unternehmen müssen ihre HR-Software auf den Prüfstand stellen. Neue Urteile und die EU-KI-Verordnung stärken die Mitbestimmung bei digitaler Überwachung massiv.

Berlin, Mittwoch, 31. Dezember 2025 – Das Jahr endet mit einer Zäsur für die Personalarbeit in Deutschland. Gerichte und Gesetzgeber ziehen die Schrauben bei der digitalen Mitarbeiterüberwachung an. Die zentrale Botschaft der letzten 72 Stunden: Selbst scheinbar harmlose digitale Werkzeuge können die volle Mitbestimmung des Betriebsrats auslösen. Gleichzeitig rückt mit der EU-KI-Verordnung ein weiterer, europäischer Regulierungsrahmen in den Fokus, der ab August 2026 voll durchschlägt.

Personalportale gelten als Überwachungswerkzeuge

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) setzt einen klaren Schlusspunkt hinter eine lange Grauzone. Das Gericht entschied (Az. 9 AZR 48/24), dass digitale Personalportale für Gehaltsabrechnungen und Verwaltung als „technische Einrichtungen zur Überwachung“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gelten.

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Die Konsequenz ist weitreichend. Selbst wenn der Arbeitgeber nur digitale Gehaltsabrechnungen verteilen will, löst bereits die technische Eignung des Systems zur Protokollierung von Zugriffszeiten das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. Eine tatsächliche Überwachungsabsicht ist nicht nötig. „Die Zeit von ‚erst einführen, dann verhandeln‘ ist vorbei“, kommentieren Rechtsexperten von Anwalt.de die Entscheidung. Für HR-Abteilungen bedeutet das: Vor der Einführung oder dem Upgrade jeder Self-Service-Plattform sind nun verbindliche Betriebsvereinbarungen über Datenerfassung und Zugriffskontrollen zwingend erforderlich.

EU-KI-Verordnung stufte HR-Systeme als „hochriskant“ ein

Parallel zum nationalen Recht verdichtet sich der europäische Regulierungsdruck. Die EU-KI-Verordnung klassifiziert KI-Systeme im Personalwesen – von der Recruiting-Software bis zur Leistungsbewertung – als hochriskant. Ab August 2026 gelten dafür die vollen Compliance-Pflichten. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 35 Millionen Euro oder sieben Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Für deutsche Unternehmen entsteht eine doppelte Hürde. Die wichtigsten Pflichten der Verordnung sind:
* Grundrechte-Folgenabschätzung: Vor dem Einsatz muss geprüft werden, wie KI-Tools Arbeitnehmerrechte beeinflussen.
* Menschliche Aufsicht: Automatisierte Entscheidungen sind nicht alleinverbindlich; ein „Human-in-the-Loop“ ist gesetzlich vorgeschrieben.
* Protokollierung und Nachvollziehbarkeit: Jeder KI-Entscheidungsweg muss lückenlos dokumentiert werden können.

Diese Transparenzanforderungen spielen den Betriebsräten direkt in die Hände. Sie können nun die technische Dokumentation einfordern, um zu prüfen, ob ein System zur Überwachung taugt oder Diskriminierungsrisiken birgt. Die Mitbestimmung erhält damit eine neue, datengetriebene Argumentationsgrundlage.

KI in der Gehaltsabrechnung: Effizienz trifft auf Datenschutz

Auch im vermeintlich trockenen Feld der Gehaltsabrechnung stellt KI die Compliance auf die Probe. Eine Analyse des Payroll-Dienstleisters Mercans zeigt: KI kann zwar Abweichungen erkennen und regulatorische Vorgaben prüfen, stößt in Deutschland aber schnell an Grenzen.

Der Grund liegt im strengen Datenschutz. Nach DSGVO und nationalem Recht muss die Logik von KI-Systemen stets überprüfbar bleiben. „Blackbox“-Algorithmen sind mit deutschen Transparenzanforderungen kaum vereinbar. Die Empfehlung lautet daher, KI nur als Entscheidungsunterstützung einzusetzen. Jede automatisierte Meldung oder Berechnungsanpassung muss von einer menschlichen Fachkraft validiert werden. Diese Validierungsebene ist kein Nice-to-have, sondern ein juristisches Schutzschild. Sie stellt sicher, dass die finale Verantwortung für korrekte Abrechnungen bei einer identifizierbaren Person liegt – zur Zufriedenheit von Finanzamt und Betriebsrat.

Die Ära der unkontrollierten digitalen Überwachung ist vorbei

Die Entwicklungen der Woche markieren einen Wendepunkt. Was lange als Grauzone „People Analytics“ galt, unterliegt nun klaren Regeln. Für die Einführung von HR-Technologie in Deutschland gilt künftig ein „Doppelschloss“: Erst muss die Software die EU-Vorgaben zu Sicherheit und Transparenz erfüllen. Dann muss sie das Mitbestimmungsverfahren überstehen, in dem Betriebsräte genau diese Transparenz einfordern können.

Die Folge? Der Rollout standardisierter, globaler HR-Software in deutschen Tochtergesellschaften wird sich verlangsamen. Vor allem US-Tech-Anbieter sehen sich mit lokalen Anforderungen an Datensparsamkeit und Erklärbarkeit konfrontiert. Für das erste Quartal 2026 raten Experten allen Unternehmen zu einer Bestandsaufnahme: Welche digitalen Tools sind zur Leistungsüberwachung geeignet? Wo müssen Betriebsvereinbarungen dringend nachverhandelt werden? Die Botschaft ist eindeutig: Die Zeit des unbeschwerten digitalen Monitorings ist in Deutschland vorbei.

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