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Agentic AI erobert deutsche HR-Abteilungen – mitten im Wirtschaftsabschwung

22.11.2025 - 11:11:12

Berlin/München – Die letzten Wochen des Jahres 2025 konfrontieren Personalabteilungen mit einem Paradox: Während Technologiekonzerne und Beratungsfirmen die „Agentic AI” als nächste Produktivitätsrevolution feiern, verschlechtert sich die wirtschaftliche Realität in Deutschland dramatisch. Doch was bedeutet das konkret für Unternehmen?

Aktuelle Daten des ifo-Instituts und der Deutschen Bundesbank aus den vergangenen 72 Stunden bestätigen: Die digitale Transformation beschleunigt sich, doch der Wirtschaftsmotor stottert gefährlich. Für HR-Verantwortliche hat sich das Mandat für 2025 damit zugespitzt: Hightech-Effizienzmaßnahmen einführen und gleichzeitig eine Belegschaft beruhigen, die von Insolvenzängsten und strukturellem Stellenabbau verunsichert ist.

Der entscheidende Wandel: Künstliche Intelligenz entwickelt sich vom kreativen Werkzeug zur Agentic AI – autonomen Systemen, die komplexe Arbeitsabläufe eigenständig steuern und ausführen.

Der globale Gehaltsabrechnungsriese ADP lieferte am 17. November mit seinem 2026 HR Trends Guide die bislang umfassendste Datenbasis. Das Ergebnis: 84 Prozent der Großunternehmen erwarten, dass KI Prozesse rationalisiert, ohne Mitarbeiter zu ersetzen. Die Debatte „KI versus Arbeitsplätze” scheint sich zugunsten einer Augmentierungsstrategie zu stabilisieren.

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Die operative Realität sieht allerdings anders aus. Anders als die passiven Chatbots der Jahre 2023 und 2024 übernehmen Agentic-AI-Systeme proaktiv Aufgaben. 66 Prozent der Großkonzerne verfügen laut ADP bereits über Governance-Strukturen für diese fortgeschrittenen Systeme – kleine und mittlere Unternehmen hinken mit nur 20 Prozent dramatisch hinterher.

Gartner prognostizierte diese Woche auf ihrem Symposium in Sydney (17. November), dass bis 2030 die Hälfte aller aktuellen HR-Aufgaben automatisiert oder von KI-Agenten übernommen wird. Die Beratungsfirma warnt: Die Experimentierphase ist vorbei. CEOs erhöhen den Druck auf Personalverantwortliche, messbare Kosteneinsparungen durch diese Technologien zu liefern. 27 Prozent der Organisationen haben bereits im vergangenen Jahr Stellenprofile neu definiert, um KI-Integration zu ermöglichen.

Insolvenzrisiko steigt auf 8,1 Prozent

Während der technologische Ausblick optimistisch erscheint, verdüstern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland rapide. HR-Abteilungen müssen vom „War for Talents” auf Krisenmanagement umschwenken.

Am Freitag, 21. November, meldete das ifo-Institut einen besorgniserregenden Anstieg der Unternehmensunsicherheit. Der Anteil deutscher Firmen, die ihre wirtschaftliche Existenz als „akut bedroht” ansehen, kletterte auf 8,1 Prozent im November – nach 7,3 Prozent im Oktober.

„Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen dürfte in den kommenden Monaten auf hohem Niveau verharren”, erklärte Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen, in der Freitags-Pressemitteilung. Der Einzelhandel ist mit 15 Prozent besonders exponiert, doch auch der Industriesektor – das Herzstück des deutschen Arbeitsmarktes – bleibt mit 8,1 Prozent unter Druck.

Der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Donnerstag, 20. November, bestätigt diese Einschätzung. Zwar prognostiziert die Zentralbank ein leichtes Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2025 durch den Dienstleistungssektor, ihre Bewertung des Arbeitsmarktes fällt aber ernüchternd aus: „Keine Verbesserung in Sicht.” Der Bericht betont, dass die Automobilbranche und ihre Zulieferer aktiv Stellen abbauen – ein Dominoeffekt, den HR-Verantwortliche in der Fertigungsindustrie unmittelbar bewältigen müssen.

Der Druck auf das mittlere Management

Die Kollision von Hightech-Erwartungen und wirtschaftlicher Kontraktion erzeugt einen spezifischen Belastungsschwerpunkt: das mittlere Management.

Gartners Analyse vom 18. November identifizierte „mangelnde Führungsqualität” als Hauptursache für Mitarbeiterfluktuation in Australien – ein Trend, der sich laut Analysten global widerspiegelt, auch in Deutschland. Die eigentliche Ursache ist allerdings keine Inkompetenz, sondern Burnout. Führungskräfte werden zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben: Einerseits sollen sie komplexe KI-Strategien umsetzen, andererseits Teams unterstützen, die aufgrund der wirtschaftlichen Lage um ihre Jobs bangen.

„Viele Manager erleben massive Burnout-Symptome, häufig verursacht durch überwältigende administrative Lasten”, konstatieren Gartner-Analysten. KI verspricht Entlastung, doch die aktuelle Übergangsphase erhöht zunächst die Arbeitslast – ein Phänomen, das als „Produktivitätsparadoxon” bekannt ist.

EU-Transparenzrichtlinie: Die Uhr tickt

Zusätzlichen administrativen Druck erzeugt die nahende Frist für die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie.

Rechtsexperten bestätigten diese Woche, dass der Umsetzungsprozess in Deutschland in die kritische Phase eingetreten ist. Am 7. November legte die Sachverständigenkommission ihren Abschlussbericht Bundesministerin Karin Prien vor. Mit der Umsetzungsfrist am 7. Juni 2026 bleiben deutschen Unternehmen weniger als sieben Monate, um ihre Vergütungsstrukturen grundlegend zu überarbeiten.

Die Richtlinie gewährt Beschäftigten das Recht, Gehaltsinformationen einzufordern, und verpflichtet zur verpflichtenden Berichterstattung über den Gender Pay Gap. Für Personalabteilungen bedeutet dies: 2025 muss das Jahr der Datenbereinigung und Pay-Equity-Analyse werden – eine weitere Komplexitätsebene für eine bereits überlastete Funktion.

Das Ende des „mitarbeitergetriebenen” Marktes

Die Konvergenz dieser Trends – Agentic AI, wirtschaftliche Stagnation und regulatorische Verschärfung – signalisiert das definitive Ende des Post-Pandemie-„Arbeitnehmermarktes”. Wir betreten die Ära von „Hightech-Effizienz bei Niedrigwachstums-Realität”.

Die Kluft zwischen Großkonzernen und KMU vergrößert sich dramatisch. Während 66 Prozent der großen Unternehmen über Governance-Strukturen für den sicheren Einsatz von Agentic AI verfügen (ADP-Daten), hinkt der deutsche Mittelstand hinterher. Mit den ifo-Daten zu steigenden Insolvenzrisiken fehlt kleineren Firmen womöglich das Kapital, um in genau jene Technologien zu investieren, die langfristig Personalkosten senken könnten.

Die Beobachtung der Bundesbank zum Stellenabbau in der Automobilbranche legt nahe, dass „Change Management” 2025 häufig ein Euphemismus für Restrukturierung sein wird. HR-Verantwortliche müssen die Implementierung aufregender neuer Technologien mit der schwierigen Aufgabe des Personalabbaus in Einklang bringen – eine Gratwanderung, die hohe emotionale Intelligenz und juristische Präzision erfordert.

Ausblick auf das erste Quartal 2026

Für Anfang 2026 zeichnen sich drei Entwicklungen ab:

Schnelle Rollen-Neugestaltung: Basierend auf den Gartner- und ADP-Berichten wird sich HR vom „Einstellen für Rollen” zum „Einstellen für Kompetenzen” bewegen – insbesondere die Fähigkeit, KI-Agenten zu beaufsichtigen.

Gespannte Sozialpartner-Beziehungen: Sobald die ifo-Insolvenzdaten sich in tatsächlichen Betriebsschließungen niederschlagen, werden Verhandlungen mit Betriebsräten konfliktreicher – besonders beim Einsatz von KI zum Ersatz bisher menschlich erledigter Aufgaben.

Compliance-Hektik: Mit dem Expertenreport zur Entgelttransparenz im Ministerium ist damit zu rechnen, dass Gesetzentwürfe Anfang 2026 im Bundestag debattiert werden. Unternehmen müssen ihre Gehaltsstrukturen unverzüglich auditieren.

Kein Wunder also, dass HR-Verantwortliche das Jahresende 2025 mit gemischten Gefühlen betrachten: Technologisch sind die Möglichkeiten so groß wie nie – wirtschaftlich die Unsicherheiten ebenso.

Quellen: ADP 2026 HR Trends Guide (17. Nov. 2025); ifo-Institut Pressemitteilung (21. Nov. 2025); Deutsche Bundesbank Monatsbericht (20. Nov. 2025); Gartner HR Symposium/Xpo Updates (17.-18. Nov. 2025).

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