Adobe, Semrush

Adobe kauft Semrush für 1,9 Milliarden Dollar

23.11.2025 - 10:59:12

Die Woche brachte gleich zwei Paukenschläge für die Digitalwirtschaft: Adobe übernimmt SEO-Gigant Semrush für umgerechnet 1,8 Milliarden Euro, während Brüssel überraschend die strengsten KI-Regeln um anderthalb Jahre verschiebt. Was bedeutet das für europäische Unternehmen?

Während Tech-Konzerne Milliarden in KI-Infrastruktur investieren, versuchen Gesetzgeber noch immer, die Regeln festzulegen. Die Ereignisse dieser Woche zeigen: Die Branche nimmt ethische KI zunehmend ernst – allerdings nicht wegen der Gesetze, sondern weil Verbraucher und Plattformen es erzwingen.

Am Mittwoch verkündete Adobe die Übernahme von Semrush (NYSE: SEMR) für 12,00 Dollar je Aktie – ein satter Aufschlag von 77 Prozent. Doch worum geht es wirklich?

Mit dem Deal sichert sich Adobe Zugang zu den SEO-Daten von über 100 Millionen Domains. Die Integration in die Adobe Experience Cloud verspricht Marketingverantwortlichen erstmals einen ganzheitlichen Blick darauf, wie ihre Marke nicht nur in der Google-Suche, sondern auch in ChatGPT, Claude und anderen Sprachmodellen wahrgenommen wird.

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Passend zum Thema KI-Regulierung – auch wenn Brüssel manche Vorgaben verschiebt, gelten zahlreiche Pflichten der EU-KI-Verordnung bereits jetzt. Unternehmen müssen KI-Systeme korrekt klassifizieren, Kennzeichnungen vornehmen und umfassend dokumentieren, sonst drohen Bußgelder und Reputationsverluste. Der kostenlose Umsetzungsleitfaden erklärt verständlich, welche Schritte Marketing- und Technik-Teams sofort angehen sollten – inklusive Checkliste für die Einordnung Ihrer Systeme. Jetzt KI-Umsetzungsleitfaden herunterladen

“Markensichtbarkeit wird durch generative KI völlig neu definiert”, erklärte Anil Chakravarthy, President der Digital Experience-Sparte bei Adobe. “Wer diese Chance nicht nutzt, riskiert Relevanz und Umsatz.”

Die Botschaft ist klar: Klassisches SEO ist tot. Die Zukunft gehört “Agentic AI” – autonomen KI-Agenten, die Inhalte planen, erstellen und optimieren. Semrush-Chef Bill Wagner formuliert es drastisch: “Marken müssen verstehen, wo und wie ihre Kunden in diesen neuen Kanälen interagieren.”

Für deutsche Marketingabteilungen bedeutet das einen fundamentalen Umbruch. Vergleichbar wäre, wenn SAP plötzlich Google Analytics übernehmen würde – nur dass es hier um die Zukunft der Content-Sichtbarkeit geht.

EU-Kehrtwende: KI-Regeln erst Ende 2027

Während die Privatwirtschaft aufs Gas drückt, tritt Brüssel auf die Bremse. Am Donnerstag präsentierte die EU-Kommission ihr “Digital Omnibus”-Paket – ein überraschender Kurswechsel.

Die schärfsten Bestimmungen des KI-Gesetzes, die eigentlich ab August 2026 greifen sollten, werden nun bis Dezember 2027 verschoben. Betroffen sind vor allem die Regeln für “Hochrisiko-KI-Systeme”. Brüssel begründet dies mit der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit europäischer Startups.

“Wir haben Talente, Infrastruktur und einen großen Binnenmarkt. Aber unsere Unternehmen, besonders die Startups, werden oft ausgebremst”, räumte EU-Tech-Chefin Henna Virkkunen ein.

Das Paket enthält auch eine Reform der DSGVO-Cookie-Banner – jene nervigen Pop-ups, die seit Jahren Nutzer und Publisher gleichermaßen frustrieren.

Doch Rechtsexperten warnen: Die Verschiebung ist kein Freifahrtschein. Das Reputationsrisiko beim Einsatz fragwürdiger KI bleibt bestehen. Unternehmen, die jetzt in Passivität verfallen, könnten 2027 ein böses Erwachen erleben.

TikTok setzt auf unsichtbare Wasserzeichen

Während Regulierer debattieren, schaffen Plattformen Fakten. Am Freitag kündigte TikTok die Einführung unsichtbarer Wasserzeichen für KI-generierte Inhalte an.

Die Technologie basiert auf dem C2PA-Standard (Coalition for Content Provenance and Authenticity) und bettet Metadaten direkt in Bild- und Videodateien ein. Selbst wenn sichtbare Labels entfernt werden, bleibt die KI-Herkunft nachweisbar.

Zusätzlich führt TikTok einen “KI-Regler” ein: Nutzer können künftig selbst steuern, wie viel KI-Content in ihrem “Für Dich”-Feed auftaucht. Diese Kontrolle verschiebt die Verantwortung teilweise zu den Nutzern – ein geschickter Schachzug angesichts wachsender Skepsis gegenüber Algorithmen.

“Diese Einstellung soll Menschen helfen, die vielfältigen Inhalte in ihrem Feed anzupassen”, erklärt TikTok. Übersetzt: Die Plattform lässt das Publikum mit Aufmerksamkeit abstimmen.

Die Ethik-Lücke: Vertrauen versus Können

Trotz technischer Fortschritte klafft in der Praxis eine gefährliche Lücke. Eine am Montag veröffentlichte Studie von SMA Marketing offenbart einen beunruhigenden Befund: Während 90 Prozent der Marketingverantwortlichen behaupten, transparent mit KI umzugehen, legen nur 43 Prozent vollständig offen, wo sie KI einsetzen.

Der Net Promoter Score (NPS) aktueller Ethik-Ansätze liegt bei erschreckenden -26 Punkten – ein Indikator für tiefe Unzufriedenheit.

“Die Branche steht an einem Wendepunkt”, warnt Ryan Shelley, CEO von SMA Marketing. “Die KI-Einführung beschleunigt sich rasant, aber ethische Rahmenbedingungen hinken hinterher. Am besorgniserregendsten ist, dass Marketingfachleute diese Lücke erkennen, aber keinen klaren Weg nach vorne sehen.”

Diese Zahlen zeigen: Tools wie Adobes neue “Agentic AI”-Suite mögen Content-Erstellung erleichtern – doch die interne Governance für verantwortungsvollen Einsatz fehlt vielerorts noch.

Ausblick: Der Weg bis 2026

Die Verschmelzung dieser Trends deutet auf eine “Compliance durch Code”-Zukunft hin.

Integration: Sobald der Adobe-Semrush-Deal Anfang 2026 abgeschlossen ist, dürfte eine Übernahmewelle folgen. Salesforce, HubSpot und andere Marketing-Clouds werden sich eigene “Sichtbarkeitsdaten”-Layer sichern müssen.

Standardisierung: Mit TikToks C2PA-Einführung wächst der Druck auf LinkedIn und Meta, ebenfalls unsichtbare Wasserzeichen zu standardisieren. Nicht gekennzeichneter KI-Content wird künftig algorithmisch abgestraft.

Selbstregulierung: Die Verschiebung der EU-Hochrisiko-Regeln bis Ende 2027 macht die nächsten 24 Monate zum Testfeld freiwilliger Standards. Marken, die jetzt strikte Transparenzprotokolle einführen – vor dem gesetzlichen Zwang –, dürften einen entscheidenden Vertrauensvorsprung aufbauen.

Die Botschaft für deutsche Unternehmen ist eindeutig: Die Werkzeuge werden intelligenter, die Gesetze langsamer – aber die Verbrauchernachfrage nach Transparenz ist unmittelbar. Wer jetzt nicht handelt, verschläft nicht nur einen Trend, sondern riskiert das wichtigste Asset im digitalen Zeitalter: Vertrauen.

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