Frankfurt-News, Demut

Demut ist an der Börse unerlässlich - und fehlt leider in der hiesigen Rentenpolitik, stellt Fondsmanager Roger Peeters fest.

19.08.2025 - 11:09:32

Börse Frankfurt-News: Demut ist immer ein guter Ratgeber, nicht nur für Anleger

Während andere Länder längst auf Kapitaldeckung setzen, wird hierzulande weiter verwaltet statt reformiert. Er fordert mehr Selbstkritik von den Verantwortlichen und mehr Mut zu echten Maßnahmen.

19. August 2025. FRANKFURT (pfp Adisory): Erfahrene Anleger wissen es: Demut zählt zu den wichtigsten Eigenschaften, die Investoren am Kapitalmarkt weiterbringen. Demut hilft kritisch und reflektiert in die Vergangenheit zu schauen. Demut bringt den Anleger dazu, sich nicht auf seinen Erfolgen auszuruhen, sondern auf die Fehler zu schauen, um daraus zu lernen, was man noch besser machen kann. Demütige Anleger wissen, dass Angst und Gier ausgesprochen schlechte Gefühle sind und können entsprechend gut etwaigen Übermut ausbremsen und täglich neu nach guten Ergebnissen streben. In anderen Worten gesagt: Demütige Anleger erreichen mehr.

Auch aus dieser Erfahrung vom Börsenparkett würde ich mir manchmal auch mehr Demut für Felder, hier speziell die Politik und konkret die Debatte um die Stabilität der Rentensysteme. Warum bringe ich speziell dieses Feld mit Demut in Verbindung? Nun, wenn ich sehe, was sich hier in den vergangenen Jahrzehnten eben nicht getan hat, dann war vielleicht genau ein gewisser Mangel an Demut verantwortlich für das Desaster, in dem wir uns mittlerweile befinden.

Ich erinnere mich gut, bereits als ganz junger Gymnasiast vor vier Jahrzehnten in den Schulbüchern beklemmende Grafiken gelesen zu haben, aus denen einfach ablesbar war, ist, dass ohne Gegensteuern die Relation von Einzahlern in Rentensystem (also Werktätigen) und Transferempfängern (also Rentnern) immer wieder zu kippen droht. Und schon damals wurde mir als Schüler (und sicher auch ganz vielen anderen Menschen) klar, dass das nicht gut gehen kann und wird. Lösungswege gibt es natürlich, und hier lagen sie schon vor Dekaden auf der Hand: Eben weil die Menschen dankenswerterweise länger leben, muss sich natürlich auch die Lebensarbeitszeit deutlich verlängern. Selbstverständlich muss es gravierende Unterschiede geben zwischen denen, die Kinder ins System "einbringen" und denen, die diesen Weg nicht gehen, und vor allem muss das System massiv verbreitert werden: Eine einfache Umlage (also kritisch formuliert ein Schneeballsystem) ist ausgesprochen instabil, eine Kapitaldeckung mit Partizipation am wirtschaftlichen Fortschritt war schon damals geboten.

Wir alle wissen, was kam und was nicht kam, ich reiße es nur kurz an: Die Lebensarbeitszeit wurde marginal verlängert und dann wieder von massiven Ausnahmen durchlöchert. Der wichtige "demografische Faktor" wurde einigermaßen vogelwild wieder abgeschafft und die Honorierung von Kindern findet, wenn überhaupt, in Witwenrenten statt, also auf der Empfängerseite. Das System ist sichtbar marode, ein unfassbares Drittel des Bundeshaushalts wird bereits zweckentfremdet, um es zu stützen, Tendenz steigend. Und nirgendwo ist die Evidenz "was wäre wenn" offensichtlicher als beim Thema Kapitaldeckung. Denn etliche andere Länder setzen seit Jahrzehnten auf Pensionsfonds und private Vorsorge und weisen wenig überraschend massiv bessere Ausgangslagen auf. So liegt in Schweden nicht zuletzt durch den Premium-Pensions-Standardfonds AP7 Såfa, in den obligatorisch 2,5% des Einkommens eingezahlt werden, die durchschnittliche Gesamtrente deutlich über der in Deutschland bei etwa gleicher Höhe der rein staatlichen Rente.

Und genau hier sind wir zum ersten Mal beim Thema Demut: Demut hieße ein breites parteiübergreifendes "Ja, wir haben uns geirrt. Wir müssen den Schaden dringend beheben und führen nun Maßnahme x durch, auch wenn sie vielleicht unpopulär ist". Genau das findet aber nicht statt bislang, statt derartigen Eingeständnissen gibt ganz kleine Reförmchen mit wenig Effekt. Dazu zähle ich beispielsweise die nun angestrebte Frühstartrente. Gut sind der Anfang und die Richtung. Klar bemängeln lässt sich sicher der Umfang von geplant 10 Euro im Monat.

Fast noch interessanter in dem Kontext, und da stellen wir zum zweiten Mal die Frage nach Demut: Berichten zufolge will der Staat, konkret das Bundesministerium der Finanzen, hier kleinteilig reinregieren, welche Anlagen gefördert werden und welche nicht. Vorausgesetzt, es stimmt: Woher nehmen sich diese Damen und Herren im Ministerium die Überzeugung, dass sie die besseren Anleger sind? Beim bisherigen "Track Record" des Altersvorsorgesystem ein wahrlich bemerkenswertes Selbstbewusstsein. Hier lässt sich leider konstatieren, dass ein Mehr an Demut dringend geboten wäre.

Von Roger Peeters, 19. August 2025, © pfp Advisory

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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