Was holt die Börsen aus dem Dornröschenschlaf?
Was holt die Börsen aus dem Dornröschenschlaf?
von Sven Weisenhaus
Die Börsen treten derzeit auf der Stelle. Im Stockstreet-Börsenbrief „Target-Trend-Spezial“ war vorgestern vorbörslich zum DAX zu lesen, dass dieser am Freitag nicht über eine enge Seitwärtstendenz herausgekommen ist, „wobei sich die Handelsspanne – man glaubt es kaum – sogar noch weiter eingeengt hat“. Und weiter: „Es fehlt nicht mehr viel bis wir eine Nulllinie haben und der DAX als klinisch tot gilt.“
Von mehr als 1.000 Punkten auf weniger als 60
Anlass für diese Aussagen war der folgende DAX-Chart:
Er zeigt eine Range von 13.461 bis 14.853 Punkten, also 1.392 Zähler. Von dieser Spanne nutzte der DAX aber zuletzt nur noch die untere Hälfte des blauen Rechtecks, die von 14.505 bis 14.563 Zählern reicht. Er bewegte sich also am Donnerstag und Freitag vergangener Woche nur noch auf einem Raum von gerade einmal 58 Pünktchen. Und über den dargestellten Zeitraum von 6 Handelstagen waren es im Maximum weniger als 300.
Zum Vergleich: Vor zwei Wochen erhielten die Leser des Target-Trend-Spezial folgenden Chart:
Er zeigt eine Spanne von 1.450 Punkten. Und diese hat der DAX in nur 6 Handelstagen fast vollständig ausgenutzt. Der deutsche Leitindex legte in diesem Zeitraum um mehr als 1.000 Zähler zu.
Das zeigt also, wie wenig volatil die aktuelle Marktphase ist. Zwar ist es vorgestern zu nennenswerten Kursverlusten gekommen, diese haben am charttechnischen Bild aber kaum etwas geändert. Und das gilt nicht nur für den DAX.
Selbst Inflationsdaten konnten gestern an den europäischen Märkten nicht für Schwung sorgen. In der Vergangenheit hatten diese mit Blick auf die Geldpolitik der Notenbanken für teils sehr starke Marktreaktionen gesorgt. Doch in den vergangenen Wochen konnte man bereits Gewöhnungseffekte beobachten.
Verbraucherpreise in Deutschland im Vergleich zum Vormonat gesunken
Dabei waren die vorläufigen Daten zur Entwicklung der Verbraucherpreise in Deutschland eigentlich eine gute Nachricht für den Aktien- und den Rentenmarkt. Denn die Inflation in Deutschland hat sich im November abgeschwächt. Im Vergleich zum Vorjahr kletterten die Preise „nur noch“ um durchschnittlich 10,0 %. Erst im Monat zuvor hatte die Teuerungsrate mit 10,4 % noch den höchsten Stand seit 1951 erreicht. Und Ökonomen hatten für den aktuellen Monat mit einem unveränderten Wert gerechnet.
Im Vergleich zum Vormonat sanken die Preise sogar um 0,5 %. Für die heutigen Daten der Eurozone sind das positive Vorzeichen.
Positive Vorzeichen für die heutigen Daten der Eurozone
Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hatte erst vorgestern noch gesagt, dass die Inflation in der Eurozone ihren Höhepunkt wohl noch nicht erreicht habe und damit alle Türen für weitere Zinserhöhungen offen gehalten werden. Womöglich hat sie sich geirrt. Allerdings wird dies vorerst nichts am Zinspfad ändern. Denn dafür braucht es eine Reihe positiver Inflationsdaten. Ein einzelner Monatswert reicht da nicht aus. Mit einer überraschend niedrigen Inflation wird höchstens eine Zinsanhebung von „lediglich“ 0,5 Prozentpunkten gegenüber einer erneuten Anhebung um 75 Basispunkte im Dezember wahrscheinlicher.
Nachlassende Inflationsdaten wurden bereits hinreichend gefeiert
Aber selbst diese Hoffnung ist für die Börsen kein Grund mehr zum Feiern, da rückläufige Inflationsdaten bereits kräftig eingepreist wurden und sich die Kurse am Aktienmarkt damit äußerst dynamisch von ihren Korrekturtiefs erholt haben.
Teilweise sind sie dabei sogar in eine massiv überkaufte Situation geraten (DAX und Dow Jones). Und daher sehe ich die vorgestrigen Rücksetzer eher als Auftakt zu einer längeren Konsolidierung auf dem erreichten Niveau oder einer stärkeren Gegenbewegung.
Ölpreis neigt weiterhin zum Durchschnittspreis von 75 USD
Übrigens: Der Inflationsdruck hat vor allem wegen deutlich gesunkener Preise für Benzin, Diesel und Heizöl nachgelassen. Und verantwortlich für diese Entwicklung sind die anhaltend schwächelnden Rohölpreise. Die US-amerikanische Sorte West Texas Intermediate (WTI) hat kürzlich den Durchschnittspreis von 75 Dollar erreicht und sogar unterschritten (blaue Linie im folgenden Chart).
Allerdings konnte sich die Notierung, wie schon am 21. November, noch am selben Tag wieder deutlich erholen und letztlich auf Tagesschlusskursbasis die Marke von 76,87 USD verteidigen (grüner Pfeil).
Dies ist jedoch nur sehr knapp gelungen. Und der Fehlausbruch hat wieder keine starke Kursbewegung in die entgegengesetzte Richtung ausgelöst. Damit bleibt der Ölpreis relativ schwach. Und so bleibe ich bei meiner Erwartung, dass er sich am langjährigen Durchschnittspreis von 75 USD einpendeln wird (siehe dazu auch Börse-Intern vom 5. Oktober und 22. November).
Nur wenn die aktuellen horizontalen Unterstützungen weiterhin verteidigt werden und es mit den Ölpreisen bald noch einmal kräftig nach oben geht, bis über die Marke von rund 86 USD, wäre auch wieder eine Seitwärtsbewegung zwischen rund 77 und 93,50 USD ein wahrscheinliches Szenario. Aber selbst mit diesem dürften die Aktienmärkte wohl relativ gut leben können. Lediglich darüber hinaus steigende Preise könnten die Aktienmärkte wieder unter Druck setzen.
Ich wünsche Ihnen damit viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)