Trendwechsel im DAX oder doch nur Trendbruch?
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
aktuell befinden wir uns im Sommerloch und die Ferien haben überall bereits begonnen. Natürlich sind auch viele Trader und institutionelle Investoren im Urlaub. Dadurch verringern sich die Kursschwankungen oder werden „unerklärlich“ volatil. So oder so verschlechterte sich aber die Qualität von Signalen rapide.
Hat uns das Sommerloch erwischt?
Und auch diejenigen, die in dieser Hitze irgendwo die Stellung halten, haben ihre Mühe, Motivation und Konzentration auf dem nötigen Level zu halten. Das gilt genauso für Börsianer wie für alle anderen. Während ich also über das Thema dieser Börse-Intern nachdachte, schreckte mich ein Leser mit folgender Frage auf:
Ist es vermessen, im Dax eine mögliche SKS-Formation zu erkennen?
Natürlich hat jeder Trader den Ehrgeiz, wichtige Chartsignale in den großen Indizes schnell zu erkennen. Dabei handelt es sich bei einer SKS (Schulter-Kopf-Schulter-Formation) zweifellos um eine der wichtigsten Formationen überhaupt. Es wäre also ein wahres Trauerspiel, wenn die geballte Börsenkompetenz von Stockstreet diese SKS im DAX nicht erkannt hätte!
Glücklicherweise schickte der besagte Leser einen entsprechenden Chart mit und so war schnell klar, was er meinte. Und noch glücklicher war, dass wir diese SKS tatsächlich auch auf dem Schirm hatten. Denn bereits Ende April warnte Sven Weisenhaus an dieser Stelle vor dieser möglichen SKS (siehe Börse-Intern vom 26.04.2018). Zu jener Zeit entstand gerade die rechte Schulter.
Die Auferstehung einer SKS
Doch eine baldige Vollendung dieser SKS wurde Anfang Mai durch einen dynamischen Anstieg im DAX zerschlagen. Entsprechend wurde die SKS zu den Akten gelegt. Ist sie nun aber vielleicht wieder auferstanden? Schauen wir uns dafür zunächst den weitgehend „nackten“ Chart an:
Als die April-Analyse entstand, waren die linke Schulter („S“) und der Kopf („K“) bereits vorhanden. Die rechte Schulter bestand nur aus der linken Flanke, wobei sich der Kurs nach dem Tief vom März (siehe Pfeil) noch unterhalb der gestrichelten blauen Linie befand. Diese Linie verläuft parallel zur Nackenlinie (blaue durchgehende Linie), die auch damals schon ermittelt werden konnte.
Idealerweise verläuft die Nackenlinie dabei waagerecht. Bei einer SKS ist es aber auch möglich, dass sie wie in diesem Fall leicht geneigt ist. Dann müssten aber auch die Hochs der beiden Schultern ebenfalls schief und etwa parallel zur Nackenlinie stehen. Dieses Kriterium wurde mit dem Anstieg des DAX im Mai spätestens oberhalb der 13.000-Punkte-Marke zunichte gemacht.
Kriterien einer SKS nicht erfüllt
Ganz Unrecht hat der Leser aber dennoch nicht. Denn der Anstieg hielt nicht an, sondern der DAX zeigte erneut Schwäche und fiel. Dadurch lässt sich nun abermals eine SKS-Formation erkennen – genauer: eine SKS-ähnliche Formation. Damit man von einer echten SKS-Formation sprechen kann, fehlen noch einige wichtige Kriterien, wie die Parallelität von Nacken- und Schulterlinie. Darunter leidet auch die Symmetrie der Formation insgesamt, was ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für eine regelgerechte SKS ist!
Zudem passt das Volumen (siehe unterer Chartteil) als eines der wichtigsten Kriterien bei einer SKS überhaupt nicht zur Theorie. Denn idealerweise sollte der Volumenanstieg während der Bildung der linken Schulter größer sein als alle vorherigen im Bullenmarkt. Dies ist hier nicht der Fall (siehe linker gelber Bogen) und weckte bereits im April Zweifel an eine SKS. Ein wirkliches Ausschlusskriterium ist aber ganz eindeutig das sehr hohe Volumen in der rechten Schulter (siehe rechter gelber Bogen).
Fazit: Diese Formation ist definitiv keine SKS!
Man muss unterscheiden
Können wir deshalb also das mögliche baldige Ende des Bullenmarkts ausschließen? Nein, denn hier muss man die Dinge klar unterscheiden: Bei einer SKS handelt es sich um eine Formation, nach deren Vollendung eine rund 90%-ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Kursziel der SKS erreicht wird (siehe dazu den o.g. Beitrag vom April). Auch eine SKS-ähnliche Formation kann eine Top-Formation sein. Jedoch ist diese für das Trading keineswegs so zuverlässig, weil zum einen ihre Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich niedriger und zum anderen diese nicht exakt bestimmbar ist.
Somit müssen wir diese mögliche Top-Formation dennoch aus langfristiger Sicht ernst nehmen. Dabei hilft uns diesmal aber nicht das einfache Kriterium der Vollendung einer SKS (Durchbruch durch die Nackenlinie nach unten). Stattdessen müssen wir zur Bewertung der Lage weitere charttechnische Hilfsmittel benutzen. Im Folgenden also nochmal der gleiche Chart mit einigen weiteren Elementen:
Trendbruch = Trendwechsel?
Hier ist zunächst der langfristige Aufwärtstrend des gesamten Bullenmarkts seit 2009 (grün) zu erkennen. Der DAX hat diesen mit der großen Korrektur von 2015/16 verlassen, konnte Ende 2016 aber wieder darin zurückkehren (siehe blauer Pfeil). Nach einem zwischenzeitlichen Rücksetzer von der 13.000-Punkte-Marke kam es 2017 zu einer weiteren punktgenauen Bestätigung dieses Trends (siehe grüner Pfeil).
Durch den erneuten Bruch dieses Trends im Frühjahr bekamen wir aber ein wichtiges Warnsignal, denn dadurch wurde die Bestätigung des Trends hinfällig und minderte so dessen weitere Relevanz für den Verlauf des DAX dramatisch. Entsprechend schlugen zwei weitere Wiedereintrittsversuche in diesen Trend im Mai und Juni fehl (siehe rote Ellipse). Und durch das Abdrehen des DAX nach seinem Juli-Hoch an dessen Unterkante (siehe roter Pfeil), wurde der grüne Trend endgültig hinfällig.
Jedoch läuft ein Trendbruch nicht zwangsläufig auf einen Trendwechsel hinaus. Häufig genug ersetzt ein flacherer Trend einfach den steileren Trend in die gleiche Richtung. Die Gefahr eines Trendwechsels in reifen Bullenmärkten steigt natürlich trotzdem stark an. Derzeit befindet sich der DAX aber noch oberhalb einer steileren, seit dem Tief von Anfang 2016 gültigen, Aufwärtslinie (grün). Wird diese auch gebrochen, bekämen wir das nächste Warnsignal.
Unsere Rechteck-Methode
Wenn bald ein derartiger Rückfall geschieht, was auch aufgrund der aktuellen Schwäche des DAX wahrscheinlicher wird, dürfte der Kurs auch die blaue Linie bei 12.391 Punkten durchbrechen. Das alte Allzeithoch von 2015 scheint nämlich keine größere Relevanz mehr zu haben, da es im abgebildeten Monatschart an dieser Linie keine wichtigen Umkehrpunkte mehr gibt.
Dies verhält sich im Tageschart jedoch anders und zudem hat diese Linie eine weitere Bedeutung. Denn ihr Abstand zur 13.000er Marke ist etwa 609 Punkte. Trägt man diese Spanne nach oben und unten ab, erhält man neue Kursmarken bei 13.601 und 11.782 Punkten (siehe blaue Rechtecke). Mit unserer Target-Trend-Methode vertraute Leser sollten darin unsere Rechteck-Methode wiedererkennen.
Auf dieses Niveau kommt es an
Und diese vermeintlich willkürlich ermittelten Marken im DAX-Chart haben tatsächlich Relevanz: So bildete sich das aktuelle Allzeithoch vom Januar bei 13.597 Punkten, also fast genau an der 13.600er Marke (siehe rot gestrichelte Linie). Zudem ist der Bereich um 11.782 Punkte immer wieder relevant geworden seit dem Zwischenhoch vom Juli 2015 (siehe waagerechte grüne Linie/hellgrüne Zone).
Dieses Niveau dient nun als Dreh- und Angelpunkt für den weiteren Verlauf des DAX. Wenn der Kurs darunter fällt und das auch noch sehr dynamisch, wäre dies ein äußerst bearishes Signal! In diesem Fall wäre die SKS-ähnliche Formation vollendet und es ist ein zumindest kurzfristiger Trendwechsel zu erwarten. Zwar bietet die theoretische Nackenlinie (blau gestrichelte Linie) nur eine zweitrangige Unterstützung, ihr Bruch wäre aber dennoch ein weiteres negatives Zeichen und würde die Gefahr eines Trendwechsels zunehmend steigern.
Vereinbarkeit mit unserem Elliott-Wellen-Szenario
Doch wie lässt sich dieses Szenario einer SKS-ähnlichen Top-Formation mit unserem Elliott-Wellen-Szenario vereinbaren, wonach noch eine Welle 5 zu erwarten ist, die im besten Fall für ein neues Allzeithoch sorgt (siehe Börse-Intern vom 31.07.2018)?
Zunächst klingt dies natürlich widersprüchlich. Doch in der Elliott-Wellen-Theorie bewegen sich die 5er-Wellen nicht immer nach dem eigentlichen Plan, indem sie neue Hochs bilden, sondern sie enden („versagen“) teilweise auch unter dem alten Hoch von Welle 3. (Näheres hierzu von Sven Weisenhaus in den nächsten Tagen.)
Dies ist auch insofern einleuchtend, da die Welle 5 stets das Ende einer Rallyphase markiert. Dann passiert es häufig genug, dass die Bullen nicht mehr genug Energie haben, die Kurse auf ein neues Hoch zu bringen. Dafür ist ja auch die SKS ein anschauliches Beispiel.
Die Saisonalität belastet zusätzlich
Dieses Szenario mit einer SKS-ähnlichen Top-Formation und einer versagenden Elliott-Welle 5 erhält zudem Unterstützung von der Saisonalität (siehe auch Börse-Intern vom 04.07.2018):
(Quellen: MarketMaker, eigene Berechnungen)
Hier ist es inzwischen egal, ob man den einfachen Durchschnitt seit Einführung des DAX (grün) oder nur den Durchschnitt der Zwischenwahljahre des US-Präsidentschaftzyklus (schwarz) wählt. Ab Juli/August zeigen die Weichen nur noch nach unten. Und bis dato hielt sich der DAX recht gut an die schwarze Kurve. Somit wird auch die Saisonalität für den DAX in den kommenden Wochen eine Belastung darstellen.
Doch ein Hoffnungsschimmer bleibt: Die Jahresendrally ab Anfang Oktober. Wenn der DAX aber bis dahin die SKS-ähnliche Formation bereits vollendet hat, könnte diese dann nur zur Gegenbewegung in einem neuen, größeren Abwärtstrend werden. Das wird man aber erst sehen, wenn es soweit ist.
Die Handlungsempfehlung
Was gilt es also zu tun angesichts eines solch düsteren Szenarios? Ich nannte Ihnen verschiedene neuralgische Marken im Text, deren Bruch weitere negative Signale bedeuten. Sie können die dazugehörigen Punkte bzw. Linien z.B. als (mentale) Stoppmarken betrachten, nach deren Unterschreiten Sie Ihre Positionen reduzieren sollten. Dann empfiehlt es sich auch die ohnehin schlecht laufenden Werte auszusortieren. Wenn Sie die entsprechende Depotgröße und Erfahrung mitbringen, könnten Sie sogar gegebenenfalls auch Short-Positionen eingehen. Für Trader gilt das sinngemäß.
Noch handelt es sich dabei aber um einen von mehreren möglichen Verläufen. Denn die US-Börsen sind immer noch im Rally-Modus und gelten als Schrittmacher für die Aktienmärkte. Es könnte also passieren, dass uns das selbe blüht wie der SKS im April: dass wir dieses Szenario schon bald zu den Akten legen können, wenn die genannten Marken nicht gebrochen werden, sondern die Kurse wieder anziehen.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
(Quelle: www.stockstreet.de)