Korrektur am Aktienmarkt? Das Verhalten der Anleger entscheidet!
Zu der Frage, was im kommenden Jahr eine Korrektur am Aktienmarkt auslösen kann, hat mir ein Leser folgendes geschrieben:
„Aufgrund der durch die Krise gesunkenen Umsätze und Auftragslage werden [..] diese niedrige Kapazitätsauslastungen noch lange, viele Jahre andauern und die Wachstumsaussichten somit niedriger ausfallen und dies in die Bewertungen einfließen.
Wie denken Sie darüber?“
Ich kann dem durchaus zustimmen, zumindest in Teilen. So hatte ich bereits wiederholt geschrieben, dass die Krise zu einem geänderten Konsum- und Sparverhalten führt. Derzeit wird weniger konsumiert und mehr gespart (siehe auch „Corona-Krise führt zu weniger Konsum und höherer Sparquote“). Die Umsätze und Aufträge vieler Unternehmen sind daher noch geringer als vor der Krise. Ob dies noch „viele Jahre andauern“ wird, wie der Leser es befürchtet, lässt sich nicht genau sagen. Ich bin da etwas optimistischer. Aber wahrscheinlich wird es zumindest auch im kommenden Jahr noch anhalten, weil die Krise erst mit einer breiten Impfkampagne nachhaltig unter Kontrolle gebracht werden kann, was noch einige Monate benötigen wird.
Sind die Belastungen der Krise jetzt noch ein Grund für eine Korrektur am Aktienmarkt?
Aber lässt sich aus einer anhaltend niedrigen Kapazitätsauslastung und gedämpften Wachstumsaussichten eine Korrektur am Aktienmarkt ableiten? Oder stellt dies aktuell eine Gefahr für den Aktienmarkt dar? Diese Fragen würde ich eher verneinen. Denn es ist längst bekannt, dass viele Unternehmen weniger produzieren. In den Prognosen der Analysten ist das bereits enthalten. Und somit sollte es eigentlich auch bereits in den Aktienkursen eingepreist sein.
In der Börse-Intern vom 20. November hatte ich auch bereits berichtet, dass die Gewinnerwartungen für das kommende Jahr reduziert wurden. Zur Erinnerung: Laut Daten von FactSet lagen die durchschnittlichen Erwartungen für das Gewinnwachstum 2021 im S&P 500 am 31. Juli 2020 bei 29,2 %, nach 29,6 % am 30. Juni. Mitte November gingen Analysten für den S&P 500 nur noch von um 22,1 % höheren Gewinnen als im laufenden Jahr 2020 aus. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Analysten die Krise, je länger sie anhält, zunehmend berücksichtigen.
Das Problem der Aktienmärkte ist die hohe Bewertung
Allerdings wies ich bei der Besprechung dieser Gewinnschätzungen auch darauf hin, dass die Analystenschätzungen auch gerne einmal recht weit an der Realität vorbei gehen und dass die Aktienmärkte relativ hoch bewertet sind. Die Gefahr für den Aktienmarkt ist also aus meiner Sicht weniger die geringe Kapazitätsauslastung, sondern die Möglichkeit, dass die daraus resultierenden negativen Konsequenzen für die Unternehmen unterschätzt werden, die Gewinnerwartungen also zu hoch sind. Hinzu kommt die hohe Bewertung der Aktienmärkte.
Fallen die Gewinne nun geringer aus als erwartet, dann muss dies eigentlich über eine Anpassung der Aktienkurse nach unten korrigiert werden. Da die Aktienkurse sowieso recht hoch notieren, könnte diese Abwärtskorrektur groß ausfallen. Und damit hätten wir dann einen Grund für eine größere Korrektur am Aktienmarkt im kommenden Jahr.
Eine Korrektur ist abhängig von der Laune der Anleger
Die Anleger müssen diesen Grund aber auch erkennen und/oder ihre Stimmung ändern. Denn aktuell stören sich die Anleger auch nicht an der hohen Aktienmarktbewertung. Warum sollten sie es also zukünftig tun? Und wenn die Unternehmensgewinne im kommenden Jahr geringer ausfallen, die Aktienkurse aber nicht fallen, dann steigt die Aktienmarktbewertung, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), eben weiter an. Who cares? Wen stört`s?
Wenn die Antwort auf diese Frage „Niemanden!“ oder „Kaum jemanden!“ lautet, dann wird die Korrektur wohl ausbleiben. Sobald sich aber viele Anleger an der hohen Aktienmarktbewertung stören, muss es gar nicht erst zu enttäuschten Gewinnerwartungen kommen, um eine Korrektur am Aktienmarkt auszulösen. Ein Stimmungsumschwung der Anleger reicht völlig.
Anleger müssen nicht nur pessimistischer werden, sie müssen auch verkaufen
Wobei ein Stimmungsumschwung genau genommen nicht reicht. Denn die Stimmung der Anleger ist sehr schwankungsfreudig.
Und nicht immer, wenn die Stimmung von Optimismus auf Pessimismus dreht, führt dies auch zu einer größeren Korrektur (siehe auch Analyse von Torsten Ewert vom 23. November: „Warum jetzt Optimismus statt Trübsinn angebracht ist“). Das ist nur dann der Fall, wenn die Anleger auch wirklich ihre Aktien aus den Depots werfen. Aber das tun sie eben nicht jedes Mal, wenn die Stimmung schlecht ist oder von überwiegendem Optimismus auf überwiegenden Pessimismus dreht, wie der direkte Vergleich der Anlegerstimmung (Grafik oben) mit dem S&P 500 (folgender Chart) zeigt.
Beispiel: Die Optimisten sind derzeit seit 6 Wochen nicht mehr in der Minderheit. In dieser Zeit hat der S&P 500 von Mitte bis Ende Oktober kräftig nachgegeben und dann noch kräftiger zugelegt. Und ausgerechnet als der S&P 500 vor etwa 6 Wochen in die Oktober-Korrektur ging, drehte das Sentiment vom negativen in den positiven Bereich.
Allerdings war die Stimmung der US-Privatanleger kürzlich so bullish wie seit Anfang 2018 nicht mehr. Damals korrigierte der S&P 500 wenig später um mehr als 10%. Aktuell macht der Index keine Anstalten, dies zu wiederholen. Mal sehen, ob dies so bleibt…
Ohne die Charttechnik geht es kaum
Der heutige Text zeigt noch einmal auf, dass es gute Gründe für fallende Aktienkurse gibt. Aber letztlich kann man so viel analysieren, wie man will – eine klare Aussage darüber, wann die Aktienkurse fallen, wird man alleine anhand von fundamentalen Gründen nie treffen können. Und daher achten wir bei Stockstreet auch stets sehr stark auf die Charttechnik. Denn nur die Charts werden bearishe Signale offenbaren, also Signale für fallende Kurse bzw. den klaren Willen der Anleger, ihre Aktien auf den Markt zu schmeißen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)