Der Präsidentschaftszyklus sendet ein wichtiges Signal
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
viele Leser des Steffens Daily, aber insbesondere die Leser unserer Premium-Dienste und Jahresausblicke wissen, dass wir regelmäßig den US-Präsidentschaftszyklus in die Bewertung der längerfristigen Perspektiven an den Aktienmärkten einbeziehen. Unlängst gab es ein sehr eindrucksvolles Bespiel für die Relevanz dieses wichtigen Zyklus – und das ist durchaus bullish für die Märkte!
So funktioniert der Präsidentschaftszyklus
Kurz zur Erinnerung die Hintergründe des Präsidentschaftszyklus: Bekanntlich wird in den USA alle vier Jahre ein neuer Präsident (und gleichzeitig auch ein Teil der Senatoren und Kongressabgeordneten) gewählt. Das entsprechende Jahr ist das Wahljahr, gefolgt vom Nachwahljahr. Diesem folgt das Zwischenwahljahr, in dem die Zwischenwahlen stattfinden, bei denen ein weiterer Teil des US-Kongresses gewählt wird. Dann schließt das Vorwahljahr den Zyklus ab, bevor mit dem nächsten Wahljahr ein neuer beginnt.
Diese Regelmäßigkeit führt zu einem typischen Handlungsmuster der Politik: Während kurz nach den US-Präsidentschaftswahlen in der Regel unliebsame Reformen durchgesetzt werden (bis zu den nächsten Wahlen ist schließlich noch genügend Zeit), ist vor allem dem Amtsinhaber im Vorwahljahr sowie im Wahljahr daran gelegen, sein Ansehen bei den Wählern zu steigern. Kritische Reformen stellen in einer solchen Zeit somit eher eine Ausnahme dar. Zusätzlich versuchen die Amtsinhaber die Wirtschaft vor den Wahlen meist noch besonders zu stimulieren, um weitere Wählerstimmen zu gewinnen.
Die Börsen lieben diese Form der politischen Kontinuität und Berechenbarkeit. Das ist auch an den Kursen abzulesen, die im Wahljahr, aber vor allem im Vorwahljahr gewöhnlich kräftig steigen. Das zeigt der folgende Durchschnittsverlauf dieses Zyklus sehr deutlich (siehe grüne Markierungen):
Der Haushalt – ein alter Zankapfel
Nun wird im kommenden Jahr in den USA erneut gewählt, und auch wenn der amtierende Präsident Obama nicht mehr antreten kann, versucht er doch für seine(n) potenzielle(n) Nachfolger(in) aus den eigenen, demokratischen Reihen den Boden zu bereiten. Die oppositionellen Republikaner haben diese Möglichkeit in der Regel nicht. Dennoch bot sich auch ihnen kürzlich eine Gelegenheit, um sich bei den Wählern zu profilieren – denn die Verabschiedung des Haushalts für das kommende Finanzjahr (das eigentlich schon Anfang Oktober begann) stand an.
Und da werden unangenehme Erinnerungen wach: 2013 führten die Verhandlungen im Kongress und zwischen Kongress und Präsident derart in die Sackgasse, dass es zu einem sogenannten Government Shutdown kam, währenddessen die USA gut zwei Wochen zahlungsunfähig waren. Und Ende 2012 kam es zur sogenannten Fiskalklippe, weil wiederum aufgrund von fehlender Einigung zwischen Kongress und Regierung automatische Budgetkürzungen in Kraft traten, die ihrerseits auf weitgehend ergebnislose Verhandlungen vom Sommer 2011 zurückgehen. Damals führte eine erste große Runde in diesem andauernden Haushaltsstreit dazu, dass die Bonitätsnote der USA herabgesetzt wurde.
Im Budget Deal war diesmal für alle etwas dabei
Diesmal hingegen ging der Budget Deal vergleichsweise geräuschlos über die Bühne, obwohl im Vorfeld durchaus wieder über einen neuen Government Shutdown spekuliert worden war. Dass letzterer und überhaupt größere Querelen ausblieben, liegt daran, dass sich beide Parteien im längst begonnenen Wahlkampf bei ihren Wählern vorteilhaft präsentieren und nicht – wie in den Fällen zuvor insbesondere die Republikaner – als Blockierer dastehen wollten.
Insofern nutzten beide Seiten die Übereinkunft weidlich dazu aus, ihren Anteil daran herauszustreichen. Denn traditionell werden solche Haushaltsverhandlungen auch dazu genutzt, der eigenen Klientel echte oder vermeintliche Geschenke zu machen. Am besten ist es natürlich, wenn dabei für jede Seite etwas abfällt, das sie bei ihren Wählern als Erfolg verkaufen kann. Davon bot der jüngste Budget Deal reichlich, so dass er als eine nahezu perfekte Demonstration für die Funktionsweise des Präsidentschaftszyklus gelten kann.
So gab es einen Kompromiss bei der Finanzierung der Gesundheitsleistungen insbesondere für Ältere. Hier drohte eine saftige Beitragserhöhung von 52 % für rund ein Drittel der Versicherten. Diese wurde durch einen Kredit der Regierung an die Krankenversicherung abgewendet, der durch künftige Beitragserhöhungen abgezahlt werden soll. De facto wurde das Problem also nur in die Zukunft verschoben, aber hier und jetzt können sich bei Bedarf beide Seiten als Retter der Alten und Armen feiern.
Auch die Wirtschaft profitiert
Auch die Wirtschaft kam nicht zu kurz: So wurde der Verteidigungsetat kräftig aufgestockt (+11 %, inkl. außerbudgetärer Mittel) und eine seit längerem geplante, aber bislang nicht umgesetzte Ergänzung von Obamacare (der neuen, durch Präsident Obama eingeführten Krankenversicherung für bisher nicht Versicherte) – die automatische Versicherung neuer Arbeitnehmer auf Kosten der Arbeitgeber im Fall großer Konzerne – wurde endgültig gestrichen. Beides können sich vor allem die Republikaner als Erfolg auf die Fahnen schreiben. Die Demokraten können hingegen Handlungsfähigkeit demonstrieren – immerhin hat der Präsident inzwischen in beiden Kammern des Kongresses die republikanische Mehrheit gegen sich, die damit jeden Kompromiss leicht hätten platzen lassen können. Und alle zusammen haben zudem den Haushaltstreit bis 2017 vom Hals, denn die Einigung beinhaltet bis dahin eine Erhöhung der Schuldenobergrenze.
Für uns als Börsianer sind die politischen Details und vor allem ihre Bewertung eigentlich eher nebensächlich. Viel wichtiger ist, dass diese politischen Muster noch immer bzw. nun wieder funktionieren – und damit auch der Präsidentschaftszyklus. Bisher fiel das traditionell starke Vorwahljahr 2015 eher durchwachsen aus. Aber diese Einigung im Haushaltsstreit könnte endlich der Anlass sein, die (Kurs-)Bremsen endgültig zu lösen, wenn die Anleger ihn als Zeichen sehen, dass die Politik wieder eine konstruktive Rolle für Wirtschaft und Märkte spielt – oder zumindest keine destruktive mehr (siehe oben).
Aus zyklischer Sicht kommt dieses Zeichen genau richtig, denn nicht nur seitens des Präsidentschaftszyklus stehen die (Börsen-)Ampeln eigentlich auf grün, sondern auch mit Blick auf den typischen Jahreszyklus (Stichwort Jahresend- bzw. Weihnachtsrally)! Und weil die Börsen wie gesagt einiges nachzuholen haben, könnte sich die womöglich schon Anfang Oktober gestartete Rally bis weit ins nächste Jahr fortsetzen...
Nun stehen alle Börsenampeln auf grün!
Wenn das geschieht, dann sollten die demnächst erreichten Widerstände in den Charts der US-Indizes (siehe z.B. Steffens Daily vom 30.10.2015) keine größeren Hürden sein. Sie liegen in greifbarer Nähe von zwei bis drei Prozent – das ist in einer Jahresendrally normalerweise ein Klacks! Börsianer lieben Sicherheit – vermeintliche genauso wie echte. Und wenn die Politik zu altvertrauten Mustern zurückkehrt, bringt das ein Stück mehr „Sicherheit“, genauer gesagt: Berechenbarkeit. Und das ist aus Sicht der Börsianer durchaus bullish.
Wundern Sie sich also nicht, wenn eine mögliche nächste Stufe der Rally die Kurse in neue Höhen treibt!
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
(Quelle: www.stockstreet.de)