Umverteilungsphase ist angelaufen
Liebe Leserinnen und Leser,
keine Frage, heute, und aus dem Rückspiegel betrachtet, hat es wieder jeder gewusst oder mindestens geahnt. Als ich vergangenen Donnerstag meine hiesige Wochend-Kolumne vorbereitet habe, begann der aktuelle Kursrutsch als relativ laues Lüftchen. Der dann aber folgende dynamische Abverkauf kann getrost als eine faustdicke Überraschung bezeichnet werden, der für die meisten Anleger unangenehme Nebenwirkungen gehabt haben dürfte. Trotzdem hat sich die „launische Diva" Börse nicht einmal besonders hinterhältig verhalten, sondern einfach nur ihr altbekanntes Verhaltensmuster aufgezeigt. Den Weg zu gehen, der den meisten Anlegern die größten Schmerzen bereitet. Im aktuellen Fall hatten sich viel zu viele Anleger an die geringe Volatilität gewöhnt, haben zu große Positionen gehandelt und diese auch noch unzureichend abgesichert. Per Saldo brachten die vergangenen Tage speziell den am DAX orientierten Anlegern Verluste von etwa 9 Prozent. Sehr auffällig ist die anhaltende relative Schwäche der deutschen Märkte gegen die führenden US-Indizes. Dies ist u.a. deshalb beachtenswert, da die derzeitige Euroschwäche (gegen den US-Dollar) einigen europäischen Exporteuren sogar sehr gut gelegen kommen dürfte.
Kursrutsch mit diffusen Argumenten
Auch heute macht es keinen Sinn, nach den „wahren" Hintergründen für das Kurs-Gemetzel zu suchen. Denn die Nachrichtenlage ist in etwas so gut oder schlecht, wie sie es auch während der freundlichen Handelstage zuvor war. Auch gute Unternehmensdaten, wie beispielsweise bei Intel oder Nokia, werden nach einer sehr kurzen Erholung abrupt verkauft, was natürlich psychologisch sehr negativ zu bewerten ist.
Die gegenwärtige Kursschwäche legt also den Gedanken nahe, dass die abgedroschene Phrase „die Liquidität treibt die Märkte", nicht mehr zieht und keinen potentiellen Käufer mehr hinter dem Ofen hervorlockt, auf der anderen Seite aber wachsendes Verkaufsvolumen nach sich zieht. Es gibt in der jüngeren Vergangenheit einige gute Beispiele dafür, dass trotz intakten Aufwärtstrends irgendwann die fundamentalen Daten IMMER an Bedeutung gewinnen und die jeweilige Hausse abwürgen. Denken Sie nur an das warnende Beispiel des Neuen Marktes!
Die derzeitige Bedrohung für die Fortsetzung der Hausse sind der schleppende Konsum durch die hohe Arbeitslosigkeit, der schmerzhafte und langwierige Weg der Entschuldung in Kombination einer demnächst drohenden Reduzierung der Liquidität durch die Notenbanken und steigende Zinsen. Erschwerend kommt hinzu, dass in den ersten Januartagen traditionell frisches Geld in die Märkte fließt, dieses aber aktuell nicht ausreicht, die Kapitalabflüsse zu neutralisieren. Dies ist kein gutes Anzeichen für das beginnende Börsenjahr und könnte der Beleg für eine Umverteilungsphase von starken in die schwachen Hände sein! Diese Befürchtung wird dadurch verstärkt, dass vor wenigen Tagen noch praktisch jede Bank und jede Fondsgesellschaft positiv für die erste und sehr zurückhaltend für die zweite Jahreshälfte eingestellt war. Ein Schelm wer böses dabei denkt. Das kann natürlich nicht gut gehen, da dies jeder rationale Anleger antizipieren und die Party vor der Masse verlassen würde. Davon einmal abgesehen, dass kaum eine Analyse, die ohne Entgelt von institutionellen Anlegern veröffentlich wird, aus purer Menschenliebe geschrieben wurde. Die Börse ist und bleibt ein Haifischbecken, in dem die Gewinne der Einen durch die Verluste der Anderen gespeist werden.
Sind die Bullen nur angezählt oder bereits K.O.?
Vergangene Woche bin ich hier davon ausgegangen, dass die Unterstützungszone etwas oberhalb von 5.650 Punkten im DAX wahrscheinlich den ersten Angriff der Bären überstehen würde, was sich als falsch erwies. Ebenfalls habe ich vermutet, dass die sehr wichtige gleitende 50-Tage-Linie gehalten wird. Diese stellt eine Angewohnheit großer Investoren und Fondsmanager dar, die quartalsweise an ihre Kunden berichten, und sollte niemals unterschätzt werden. Vor allem eine fallende 50-Tage-Linie birgt die Gefahr eines Tests der nach wie vor positiven und steil steigenden 200-Tage-Linie! Die steigende 200-Tage-Linie ist übrigens auch eines der größten Argumente der Bullen, da diese deren langfristige Dominanz unterstreicht und jedem Einstieg auf der Long-Seite eine hohe Erfolgsquote zuweist. Falls sich nun der gestrige Ausflug unter die Marke von 5.550 Punkten im DAX nicht sehr schnell als Fehlsignal entwickelt, wäre das (alte) Projektionsziel der Point & Figure Technik von 6.500 für eine längere Zeit zu den Akten zu legen. Das zyklische Tief bei 5.400, oder sogar das August-Tief bei 5.200 Punkten wären dann absolut realistisch!
Trotzdem kann gesagt werden, dass der aktuelle Kursrutsch noch längst nicht das Ende des übergeordneten Aufwärtstrends ist. Die Bullen sind stark angeschlagen, aber nicht K.O!
Gut erkennen Sie auf der einen Seite die intakte steigende Aufwärtstrendgerade, die auch in gesunden Bullenmärkten zeitweise getestet wird. Negativ ist aber die sehr lange O-Spalte, die den Angebotsüberschuss zeigt und mittlerweile die positive X-Spalte total überlagert. Die Bären sind also kurz bis mittelfristig eindeutig am Drücker. Mit der jüngsten Kursbewegung wurde ein frisches Verkaufssignal generiert, bzw. die vorhergehende O-Spalte bei 5.650 unterschritten. Der Chart verdeutlicht sehr gut die große Bedeutung der Marke von 5.550, deren Kästchen bisher nur kurz „angetestet" und bestätigt wurde. Hier befinden sich die letzten guten Unterstützungen auf dem Weg in Richtung 5.400 und 5.200 Punkte.
US Märkte wieder in erhöhtem Risiko Modus
Sehr gut zeigt dieser „innere" Chart des breiten Aktienmarkts der NYSE, in welchem Marktzustand wir uns wirklich befinden. Am Mittwoch wechselte der von favorisierte NYSE Bullish-Percent in eine O-Spalte (Angebotsüberschuss). Dies ist ein untrügliches Zeichen für Sie als Investor, dass die Defensive aufs Spielfeld geschickt werden muss! Mindestens sechs Prozent der gehandelten Werte haben also ein „frisches" objektives Verkaufssignal generiert und zeigen eine deutliche Verschlechterung des Verhältnisses von Angebot zu Nachfrage!
Wie ich hier bereits früher darlegte, ist der „Bullish Percent Index" ein Risiko- und kein Timing-Parameter! Daher ist er auch kein geeignetes Instrument für sehr kurzfristig orientierte Trader, obwohl er auch denen natürlich zeigt, ob eher die Bullen oder Bären am Zug sind, bzw. wie weit sich eine Kursbewegung noch ausbreiten könnte. Aktuell könnte also noch ein gute Strecke nach unten vor uns liegen.
Heute notiert der Index bei knapp 69 % und in einer O-Spalte, die den anhaltenden Kapitalabfluss symbolisiert! Mittlerweile handeln also „nur" noch 69 % der an der NYSE gehandelten Aktien auf einem objektiven Kaufsignal der P & F Technik! Mithin wurde die kritische 70 %-Marke von oben durchstoßen in Verbindung mit einem Volatilitäts-Ausbruch der Indizes! Dies ist die klassische Ausdrucksform eines Marktes in einem hohen Risiko-Zustand, der von weiteren Kapitalabflüssen bedroht ist.
Long-Engagements sind hier mit hohen Risiken behaftet!
Ebenfalls gut zu erkennen ist, wie stark sich der breite Markt der NYSE mit über 3.600 Aktien bereits von seinen extrem überkauften Ausprägungen bei 84 % im September 2009 zurückgezogen hat. Wie bereits gesagt, der NYSE BPI ist ein Risiko und kein Timing-Indikator! Übrigens befindet sich der Index bei anderen Datenanbietern und anderer Zählweise noch in einer X-Spalte und oberhalb der kritischen 70 %-Zone. Auch die traditionellen äußeren Charts lassen die Möglichkeit zu, dass wir vor einem „Turnaround" stehen, da alle wichtigen Indizes in unmittelbarer Nähe ihrer sehr robusten Unterstützungen in Form der Oktober-Tiefs, bzw. November-Hochs handeln. Ein Gegenangriff der Bullen ist also sehr gut möglich, obwohl ich dann auf ein längeres Übergewicht der Bären tippe, welches sich über mehrere Wochen hinziehen könnte.
Näheres zu der Philosophie und dem Nutzen der P & F Technik erfahren Sie auch in meinem Newsletter!
Der Autor kombiniert für seine Kunden marktneutrale, vermögensverwaltende und Absolut Return Strategien in Abhängigkeit seines Trendbarometers!
Herzliche Grüße!
Ihr Klaus Buhl
@ ad-hoc-news.de
| 31.01.10 15:11 Uhr