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Wir wissen, was Hunger ist

In einem fernen Land wird jeder Besucher der eigenen vier Wände wie auch der Gast in einem Restaurant immer mit einem Eiswasser erfrischt, natürlich kostenlos. Im hohen Norden Europas wird der Kaffee zum Kuchen gereicht, kostenlos. Bei uns gibt es Mineralwasser in hässlichen bis annehmbaren Flaschen und nur in wenigen guten Restaurants in der Karaffe, die nicht mit bunter Werbung auf aktuelle Zeitgeisttrends reagieren. Der jenseits jeder normalen betriebswirtschaftlichen Kalkulation überhöhte Wasserpreis subventioniert das ein oder andere, das ist ja wie bei den Wasserwerken, dem öffentlichen Geheimvertrag sei Dank. Das Wasser in der Weltraumstation ISS kann kaum preisintensiver sein. Catch of the Day ist dann, wenn der Gast, der sich zu fein ist, zu fragen, was das Tagesgericht kostet, das der Kellner empfiehlt oder seit wann das Haltbarkeitsdatum überschritten ist, einfach nur ja sagt und der inbrünstig vorgetragenen Empfehlung folgt. Kaa aus dem Dschungelbuch lässt grüßen. Hauswein ist die Assemblage des Hausherrn, der die am Abend zuvor nicht geleerten Weine zu einer täglich wechselnden Cuvee kreiert, jetzt weiß jeder, warum der Wein gestern geringfügig anders schmeckte. Hier ist der Hausherr nicht nur der Müllvermeidung verpflichtet, sondern auch der abwechslungsreichen Weinkarte. Würde dies in Berlin nicht gemacht werden, müsste jedes Jahr ein Weinanbaugebiet in der Größe Saale-Unstruts neu entdeckt werden, um den Weindurst der Berliner kostengünstig zu stillen. Arm, aber durstig. Unwissenheit der Gäste über Herkunft, Aussehen, Geschmack und Namen speziell von Fischen führt dazu, dass der innig geliebte Pangasius schon das ein oder andere Mal auch als Seezungenfilet Karriere machen konnte. Brot und Butter sind noch kostenlos am Tisch, in der feineren, dem leichten Genuss verpflichteten mediterranen Küche natürlich das den Teller benetzende Olivenöl mit dem groben Meersalz. Wann dürfen wir uns weltmännisch fühlen und für das Gedeck endlich auch extra bezahlen, wie in den südlichen Touristenhochburgen? Die teuerste Nudel der Pastawelt wird in der vornehmen Gastronomie in Form der Ravioli verkauft. Teigtasche mit Füllung, egal ob Ricotta oder Kürbis, die homöopathische Dosis der Füllung im Zweifel auch mit Fleisch ist dann auch für Vegetarier geeignet. Das Produkt, seit Generationen als Notration bekannt, als bestmögliches Essen beim Camping, besonders im Regen in der Dose am Feuer gegart und unter Vermeidung von weiterem Geschirr zu sich genommen. Ein Klassiker, die 800 Gramm mit 38 Stück gefüllter Pasta, am besten mit Fleisch in der Soße zu 1,99 €, werden in Deutschland 40.000.000 mal verzehrt. Noch Fragen? In der besseren Gastroszene ist der Brauch der unbestellten und unbezahlbaren Grüße aus der Küche aus fernen Landen zu uns gekommen. Es gipfelt, wie beim Italiener mit den leckeren frischen Tomaten mit Knoblauch auf Toastbrot, auch gern beim Sternekoch mit dem Sud der Algengarung. Das Feigenblatt ist diesmal eins vom Shisokraut, was auch nicht wirklich hilft. Wann erhalten wir als Feinschmecker das Nudelwasser vom Nachbartisch als Consommé von Maldon und Pfeilwurzel, die der wissende Gourmet mit dem Genießerblick des Besserschmeckenden voller Hingabe löffeln darf? Danke für diesen kulinarischen Hochgenuss. Escoffier würde sich nicht im Grabe umdrehen, er würde schlichtweg kotzen. Und dann erst Recht wissen, was Hunger ist. Helmut Schulz
@ ad-hoc-news.de | 06.09.13 10:27 Uhr