Wohin führt der „Raubtier-Kapitalismus“?
+++Gedanken zum Jahreswechsel+++Tsunami an den Weltbörsen möglich?+++Chinesen und Araber als Retter der Welt+++
Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt ist nicht der einzige, der die Folgen eines fehlgeleiteten und nicht mehr zu beherrschenden „Raubtier-Kapitalismus“ anmahnte. Die renommierte Unternehmensberatung Mc Kinsey warnt vor einem möglichen „Erdbeben im Welt-Finanzsystem“ durch Notverkäufe zur Refinanzierung von finanziellen Schieflagen. Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt in ihrem Quartalsbericht von einer Fortsetzung der Wertverluste bei strukturierten Produkten in 2008. Auch wird von weiteren Problemen im Bereich von Kreditkarten und Autoleasing in den in den USA ausgegangen. Bei Hedgefonds und Banken wird es demnach in 2008 eine Marktbereinigung geben, die für manche Anleger schmerzlich sein wird. Auch Ex-Notenbankchef Alan Greenspan geht davon aus, dass nach dem „irrationalem Überschwang“ nun eine dramatische Korrektur droht, wobei die steigende Inflation ein weiteres Problem darstellt.
In die Kritik kamen in diesem Jahr vor allem Top-Manager von Investmentbanken (und deren ausgegliederte und jetzt wieder integrierte Zweckgesellschaften), Hypothekenbanken, Hedge Fonds und Private Equity Fonds, die aber auch zuvor einer der Gründe waren, dass die meisten Weltbörsen trotzt hoher Risken neue historische Höchstkurse feierten. Es mehren sich die Befürchtungen, dass unkontrollierte Spekulationen in Kombination mit unkontrollierten und intransparenten Kredit-Derivaten einen „Tsunami an den Welt-Finanzmärkten“ auslösen könnten. In diesem Jahr durften wir schon einige Auswüchse des Raubtier-Kapitalismus miterleben, allerdings noch ohne nachhaltige Folgen für die Weltbörsen und Weltwirtschaft. In 2008 wird wie im Vorjahr ein Wachstum das Welt-BIP um etwa 5% erwartet, wobei die Wachtums-Tiger weiterhin in den Emerging Markets zu finden sind. Für USA wird (noch) von einigen Wirtschaftsexperten für 2008 ein Soft landing, also ein Abschwächung der Konjunktur, aber keine Rezession in Aussicht gestellt. Triebfeder der Auswüchse des Raubtier-Kapitalismus sind Gier und Machtkämpfe. Zudem neigen die Märkte bekanntermaßen immer wieder zur Blasenbildung durch Überspekulation, die dann in scharfen Korrekturen bzw Crashs enden.
In diesem Jahr waren wieder Zeugen einiger Auswüchse des Raubtier-Kapitalismus, der auf dem Rücken von ahnungslosen Anlegern ausgetragen wird. So gab es unverantwortliche Kreditvergaben bei Immobilienbesitzern in den USA in Kombination mit Kredit-Derivaten und strukturierten Produkten, die in Kreditpyramiden münden. Die Banken haben vor lauter Gier neue Produkte so entwickelt, dass sie hernach keiner mehr verstand. Bei machen Bankprodukten muss man sich fragen, ob sie die Konstrukteure überhaupt selbst verstanden haben oder ob sie nur Mittel waren, um das Geschäftspotential auszuweiten. Dies trifft zum Teil auf die Inflationierung von Zertifikaten zu, die zwar die Produktvielfalt erhöhen, aber die Transparenz und Verständlichkeit mindern. Selbst Top-Manager in Großbanken scheinen den Überblick zu verlieren. So war es nicht verwunderlich, dass sogar erzkonservative (?) deutsche Landesbanken und Geldmarktfonds am Rande des Ruins waren und nur durch Fusionen oder externe Hilfe gerettet werden konnten. Auch intransparente Hedgefonds, die mit großen Hebeln arbeiten, und in illiquiden Märkten in Schwierigkeiten kommen, sind Auswüchse eines Kapitalismus, die geradezu den Ruf der Politiker nach mehr Regulierung und Transparenz herausfordern. Die Auflösung von Carry Trades, was auch eine reine Finanzspekulation ist, können die Liquiditätsengpässe im globalen Interbanken-System verstärken und Hedgefonds in Bedrängnis bringen.
Dazu passt auch die Managergehaltsdiskussion, die Bundeskanzlerin Angela Merkel – teilweise zu Recht – als neues ernstzunehmendes politisches Thema in die Debatte warf. Wenn Fehlleistungen mit Millionen-Abfindungen honoriert werden, stimmt in der Tat irgendetwas mit dem System „Kapitalismus“ nicht mehr. Auch die Klimaschutzdebatte ist reine Spiegelfechterei, wenn die USA und die Chinesen nicht mitmachen wollen. Hier steht nicht nur das Weltfinanzsystem, sondern auch unsere (Um-)Welt auf dem Spiel. Zunehmende Klimakatastrophen, die auch Auswüchse eines fehlgeleiteten Raubtier-Kapitalismus sind, sind Faktoren, der irgendwann auch die Weltbörsen mit in den Bann ziehen werden. Man denke dabei nur an die CO2-Emissionbelastung für die Industrie in der Zukunft, was ein erheblicher Kostenfaktor werden könnte. Immerhin profitieren von der Debatte schon einige Jahre die in Mode gekommenen Klimawandel-Aktien und ein Ende der Debatte ist nicht in Sicht.
Nachdenklich mag es auch stimmen, dass nach den Milliardenverlusten bei vielen Investmentbanken nun einerseits die Notenbanken in konzertierten Aktionen die „Retter des (Raubtier-)Kapitalismus“ sind, anderseits aber auch Chinesen, Araber und vermehrt auch Russen die Gesetze des (Raubtier-)Kapitalismus schneller gelernt hatten und die Schwächen im Finanzsystem zum eigenen Vorteil ausnutzten, was keinem übel zu nehmen ist, aber ins Bild passt. Ohne die Liquiditätsspritzen der Notenbanken und die Not-Aufkäufe der Chinesen und Araber wäre einigen Investmentbanken - eigentlich ohne konjunkturelle Not – in erhebliche Schieflagen gekommen. Da aber eine Pleitewelle bei großen Investment-Banken das gesamte weltweite Finanzsystem zum Beben bringen könnte, waren diese Maßnahmen wohl erforderlich.
Es fragt sich aber, ob die Banken auch auf eine mögliche US-Rezession und Stagflation in diesem Jahr hinreichend vorbereitet sind. Es fragt sich auch, ob der Dollarkursverfall gestoppt werden kann, der anderseits künstlich die US-Wettbewerbsfähigkeit erhöht und das Handelsbilanzdefizit vermindert. Auch die Verschuldungspyramide in den USA macht nachdenklich und es ist fraglich, wie lange die US-Schutzgruppe einen Tsunami an der Wall Street noch verhindern kann. In diesem Jahr kamen „nur“ Immobilienaktien, einige Konsumaktien (wie Wal Mart) und vor allem Bankaktien wie Hypothekenbanken (Freddie Mac, Fannae Mae) und Investmentbanken Merrill Lynch, Citibank, Bank of America, Bear Stearns und zuletzt sogar Morgan Stanley, aber auch Nicht-US-Banken wie UBS unter die Räder. Wenn sich die Kurse im Bankensektor im Durchschnitt dritteln, kann man schon von einem sektoralen Crash sprechen.
Man kann nur hoffen, dass die Banken ihre Risiko- und Frühwarnsystem so ausgefeilt haben, dass sie dann auch bei einer sich abschwächenden Welt-Konjunktur nicht unter die Räder kommen. Der Konsum dürfte in 2008 in einigen Industrie-Ländern wie den USA erheblich nachlassen, was sich bei dem Privatkreditgeschäft zu vermehrten Abschreibungen führen wird. In den USA könnte sich dies zunächst in der Automobilindustrie niederschlagen. Mit Sicherheit steht der Kapitalismus in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen aufgrund der Verschuldungspyramiden und Blasenbildungen, aber die Kreativität der klugen Köpfe kennt keine Grenzen, so dass auch diese Probleme gelöst werden und sei es nur wieder mit Hilfe der Notenbanken und der reichen Chinesen, Araber und Russen. Morgan Stanley hat den Wert aller arabischen Ölreserven auf 44 Billionen US-Dollar geschätzt. Die arabischen Länder verdien jährlich jetzt 600 Mrd. USD. Der staatliche Fonds hat ein Volumen von 1,5 Billionen an US-Dollar. Es ist also genug Kapital da, die in Falle einer bereinigenden Bankenkrise als Aufkäufer parat stehen und auf Schnäppchenjagd zu gehen wie zuletzt bei Morgan Stanley und der Citibank. Fatal ist das „Moral Hazard-Dilemma“, wonach in der Gewissheit der Liquiditätsspritzen der Notenbanken eine bereinigende Krise und effektive Kontrolle ausbleibt.
Wissen diese klugen Köpfe aber auch, wie man eine Inflation wirkungsvoll mit sinkenden Zinsen und einer unverantwortlichen Ausweitung der Geldmengen begegnen kann? Falls die Inflation mehr als die Einkommen/Renten steigen wird, wird die Inflation sehr schnell zum sozialen Problem, um nicht zu sagen zum sozialen Sprengstoff. Dies dürfte auch ein Problem für einige Emerging Markets wie China, Russland und Ukraine werden. Im neuen Jahr sind Notenbanker, Finanzjongleure, Politiker, Top-Manager und Aufsichtsräte aller Welt mehr denn je herausgefordert, kreative Lösungsansätze zu finden, die weltweit den Wohlstand erhöhen, um einen Tsunami an den Welt-Finanzmärkten“ zu vermeiden. Mehr Ethik und weniger “Raubtier-Kapitalismus“ würde uns allen sicherlich auch weiterhelfen, aber zuweilen ist auch eine bereinigende Krise hilfreich, um Fehlentwicklungen zu korrigieren. Nur könnte dies wiederum auf dem Rücken der ahnungslosen Anleger ausgetragen werden.
Die deutschen DAX-Aktien werden zu 53% von Ausländern gehalten. Die deutsche Börse wurde in den letzten Jahren überwiegend von Ausländern nach oben gepusht, was aber auch fundamental gerechtfertigt war. Der deutsche Anleger war an der Hausse kaum beteiligt. Noch weniger war er an dem Boom an den Ostbörsen beteiligt. Hier wurden sicherlich große Chancen verpasst und auch Vermögensverwalter haben diesen Mega-Trend der letzten Jahre überwiegend verschlafen. Jetzt wird die Luft aber auch in Osteuropa dünner, wobei einige Ost-Länder eine erfreuliche Eigendynamik entwickelt haben. Dennoch können sie sich globalen Entwicklungen nicht entziehen. Vor allem Kasachstan und das Baltikum litten in 2007 schon unter den Folgewirkungen der US-Subprimekrise. Wenn der Dow Jones unter 12.800 Punkte schließt, sollte der Anleger auch an den Ostbörsen mehr in Liquidität und hernach auf Schnäppchenjagd gehen.
Hinweis: Der Autor hat im letzten Rohstoff-Spiegel (www.Rohstoff-Spiegel.de) vom 15.12.07 eine ausführliches Interview über die Aussichten der Ostbörsen gegeben.
@ ad-hoc-news.de
| 29.12.07 13:59 Uhr