Russisch, Roulette

Russisch Roulette: Yukos kämpft ums Überleben

+++Heiße Gerüchte machen (auch) Kurse+++40% Tagesgewinn, aber auch Totalverlust möglich+++Yukos bleibt ein „Politikum“+++

Während sich der RTS-Index in den letzten Wochen gestützt durch den hohen Ölpreis wieder auf 1560 Indexpunkte erholte, was immerhin ein Kursplus von 38% seit Jahresbeginn bedeutet, macht eine Aktie in den letzten Tagen sehr seltsame Jo-Jo-Sprünge: die ehemalige Vorzeigeaktie Yukos, die jetzt ein Konkurskandidat ist, wird - einmal mehr - zum Spielball der Spekulanten. Während Anfang der Woche sich die Liquidationspläne der Gläubiger verdichteten, verbreitete nun der Vorsitzende des Aufsichtsrats Viktor Geraschenko am 27. Juli das Gerücht, dass es angeblich einen „weißen Ritter“ geben soll, der sowohl die Steuerverbindlichkeiten von Yukos im Volumen von 8,5 Mrd. USD übernehmen als auch die Mehrheit der Yukos-Anteile erwerben möchte. Dieses Gerücht löste am 27. Juli einen Kursprung um über 40% von 1,67 auf 2,41 € aus. Am 28. Juli brach die Aktie schon wieder um 10% auf 2,1 € ein, weil „Ross und Reiter“ nicht benannt wurden und das Gerücht ein Gerücht blieb. Ende Juli brach der Kurs bereits um über 30% von 3,8 auf 1,7 € ein, weil die Lage Yukos ausweglos erschien und der Präsident Steven Theede bekannt gab, das er am 1. August das sinkende Schiff verlassen werde. Vor kurzem wurden von der CitiGroup noch Kusrziele von 4 USD bei Yukos angegeben. Nach der CitiGroup haben die veräußerbaren Vermögenswerte von Yukos einen Wert von 21,7 Mrd. USD und die Zahlungsverpflichtungen einen Wert von 16,9 Mrd. USD, was einen Restwert von 8,9 USD pro Aktie rechtfertigen würde. Aber die meisten Investmentbanken hatten sich schon zuvor lange Zeit getäuscht, weil sie ein derartiges Kursdebakel und eine Quasi-Enteignung der Aktionäre nicht für möglich hielten. Die gegen den russischen Staat anhängigen Klagen aus den USA sind wenig aussichtsreich. Die Stunden von Yukos scheinen also gezählt zu sein. Am 10. August wird ein Moskauer Gericht über die 8,3 Mrd. USD-Klage der Ex-Tochter Yuganskneftegas (jetzt Rosneft) gegen Yukos wegen angeblich zu hoher Transferpreise entscheiden. Damit ist Yukos weiterhin in „Gottes richterlicher Hand“. Yukos versucht im Moment, alles zu verkaufen, was verkaufbar ist. So wurde im Juni die litauische Raffinerie Mazeikiu Nafta an die polnische Ölgesellschaft PKN Orlen für geschätzte 1,5 Mrd. USD verscherbelt. Nun stehen auch die durchaus werthaltigen Anteile an Yuganskenftegaz (23%) und an Gazoromneft (Ex-Sibneft, 20%) zur Disposition. Gazprom hat für den 20%-igen Anteil an Gazpromneft nur 1,3 – 1,9 Mrd. USD geboten. Nach Angaben des vom Gericht bestellten Liquidators Eduard Rebgun ist Yukos schon heute überschuldet. Nach seinen Angaben betragen die Verbindlichkeiten von Yukos 18,6 Mrd. USD und den Wert der verbleibenden Assets auf nur noch 16,7 Mrd. USD. Steven Theede ist aber ganz anderer Auffassung – ebenso wie die meisten Yukos-Manager, die die Verbindlichkeiten als staatliche Willkürakte bezeichnen und den Wert der Assets weit höher einschätzen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Tochtergesellschaften Samaraneftegaz und Tomskneft schon bald per Auktion zwangsversteigert werden – wahrscheinliche Aufkäufer sind Gazprom oder Rosneft – und dass die Yugsanskneftegas- und Sibneftanteile auch unter Wert verkauft werden müssen. Ob dann noch was vom ehemals größten russischen Öl-Konzern Yukos übrig bleibt, ist zweifelhaft. Wenn also an den Gerücht des „weißen Ritters“ nichts dran sein sollte, Finger weg von Yukos! Der Kreml sitzt nun mal - leider- am längeren Hebel. Wer die Yukosanteile später aufkauft, dürfte der wahre Gewinner sein. Yukos bleibt ein „Politikum“, das im Kreml entschieden wird. Fundamental- und Chartanalysen sind da wenig hilfreich. Ein typischer Fall von „russisch Roulette“ oder neudeutsch „betandwin - Totalverlust nicht ausgeschlossen!
@ ad-hoc-news.de | 28.07.06 22:12 Uhr