Politische Börsen haben kurze Beine!
Politische Börsen haben kurze Beine!. Parlamentswahlen in Tschechien mit keiner klaren Perspektive - Makrodaten weiter positiv
Nachdem zuvor in Ungarn ein neues Parlament gewählt wurde, wobei der alte Primier (und Multi-Millardär!) Gyurcsany letztendlich im Amt bestätigte wurde, mussten nun am 2/3. Juni die Bürger Tschechiens über die Zusammensetzung des Parlaments befinden. Die bürgerlichen Parteien haben die Wahl zwar in Tschechien gewonnen Es deutet sich jedoch eine Pattsituation an – mit anschließenden schwierigen Koalitionsverhandlungen, Kompromissbildungen und vielen Fragezeichen. Die Prager Börse reagierte bisher verhalten . In Tschechien dürfte sich auch einen wichtige Weichenstellung Pro oder Contra „EWU“ ergeben, nachdem das Thema „EU“ abgehakt ist. Bekanntermaßen ist der Oppositionsführer Vaclav Klaus ein vehementer EU-Gegner. In jedem Fall üben die Anleger im Vorfeld von Wahlen eine gewisse Kaufzurückhaltung aus. Man nennt dies auch „Käuferstreik“. In der Slowakei soll am 17. Juni die neuen Volksvertreter (sind sie das wirklich?) gewählt werden. Nachdem sich die politischen Fakten (=Regierungen mit Regierungsprogrammen) aber herausbilden, wird auch die Prager Börse wieder zur Tageordnung übergehen und nach wirtschaftlichen Kriterien entscheiden.
Wie alle Weltbörsen musste auch die Prager Börse im Mai erhebliche Kursverluste von über 10% hinnehmen. Den Prager PXD-Index dominieren die beiden Gesellschaften CEZ und Cesky Telecom. Während Cesky Telecom im letzten Jahr privatisiert wurde und die spanische Telefonica nun dort das Sagen hat – erstmal genehmigte sich Telefonica eine kräftige Dividendenzahlung zur „Eigenfinanzierung“ - , hält der Staat an CEZ noch 67%. Hier soll die Privatisierung erst im nächsten Jahr in Angriff genommen werden, was wiederum aber eine politische Entscheidung sein wird. Die Makrodaten waren in Tschechien zuletzt sehr erfreulich. Im 4Q05 stieg das Bruttosozialprodukt sogar um 6% an. Mit einem KGV von 16 ist die Prager Börse aber nicht mehr preiswert. Der Kurs des Tabakkonzerns Philip Morris brach schon seit Februar von 650 auf 375 Euro ein, um sich jetzt wieder auf 450 € zu erholen. Auch hier waren Politiker die „ wahren Sünder“, die eine Erhöhung der Tabaksteuer ins Gespräch brachten. Früher war Philip Morris CR ein Musterknabe an Dividendenkontinuität mit jährlichen Dividendenzahlungen von 1100-1300 CZK (=38-45 €). Auch das erscheint jetzt nicht mehr gewährleistet. Auf Politiker ist eben kein Verlass! Aber vielleicht bringt ja die neue tschechische Regierung wieder Schwung in den zuletzt lahmenden tschechischen Aktienmarkt. Früher oder später wird aber auch die neu gewählte Regierung der Prügelknabe der Massen sein, denn wann war man schon mit Politikern zufrieden?
Orientieren wir uns lieber auf wirtschaftliche Fakten, die letztendlich langfristig über das Wohl oder Unwohl der Börse entscheiden. Und hier sieht es an den meisten Ostbörsen weiterhin positiv aus. Ach ja – auch in der Ukraine wird gegenwärtig krampfhaft nach der „richtigen“ Integrationsfigur als Primier gesucht. Schade, das „Angela“ nicht überall sein kann, aber auch dort bietet sich als eine - nicht unumstrittene - Frau, namens Julia (Timotschenko), als „Retter der Nation“ an. Wie gut, dass es solche Hoffnungsträger(innen) gibt - auch für die Börse. Aber politische Börsen haben bekanntlich „kurze Beine“ ebenso wie Politiker vor den Wahlen - mit Ausnahme bei „Julia“, wo die Beine (und Zöpfe) recht lang sein sollen!
Andreas Männicke, Geschäftsführer der ESI East Stock Informationsdienste GmbH und Herausgeber des EAST STOCK TRENDS (www.eaststock.de).
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| 09.06.06 13:10 Uhr