Moskauer Börse auf Allzeit-Hoch
+++Ölpreis stimuliert Ölaktien+++Putin auf Konfrontationskurs mit den USA+++ Branchenselektion sorgt für Outperformance+++neue IPOs in Sicht+++Russen kaufen sich in Deutschland ein+++
Der RTS-Index, eines der vielen russischen Börsenbarometer, stieg zuletzt im Oktober im Gleichklang mit den Weltbörsen auf ein neues Allzeit-Hoch von 2144 Indexpunkten, was ein Kursplus von 11% seit Jahresbeginn bedeutete. Damit haben sich auch an der Moskauer Börse die Bullen wieder eindrucksvoll zurückgemeldet, nachdem es im August noch Befürchtungen einer weltweiten Finanzkrise und ein kräftiges Minus beim RTS-Index gab.
Der anhaltend hohe Ölpreis von über 80 USD/Barrel unterstützte vor allem die russischen Öl- und Gasaktien, die die zahlreichen Indices dominieren. Schon vorher konnte der Anleger durch eine gezielte Branchenselektion aber eine Outperformance der Benchmark erzielen. So konnten sich die Blue Chips in der Stahl-, Versorger-, Konsum- und Telekombranche im Kurs fast verdoppeln.
Putin demonstrierte kürzlich auch beim Gespräch mit der US-Außenministerin Rice das wieder gewonnene russische Selbstbewusstsein und droht erneut mit dem Ausstieg aus dem Atom-Abrüstungsvertrag, wenn die USA darauf beharre, das geplante Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien errichten zu wollen. Hier scheint es noch keine Annäherung, sondern mehr diplomatischen Sprengstoff zu geben. Dagegen signalisierte US-Präsident Bush nun, die von Russland angestrebte WTO-Mitgliedschaft im Jahr 2008 im Grundsatz zu unterstützen. Putin wird auch mit Angela Merkel in den nächsten beiden Tagen beim Petersburger Dialog in Wiesbaden über neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Energiebereich diskutieren. Putin hat einige Industriezweige wie den Öl/Gassektor zu strategischen Schlüsselindustrien erklärt und hier wird der Kremleinfluss offensichtlich immer größer. Anderseits fordert jetzt der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann, auch für Europa „Schlüsselindustrien“ zu identifizieren, die vor dem Ausverkauf von ausländischen Investoren geschützt werden sollen. Damit meint er auch den Schutz vor der Dominanz russischer und chinesischer Großinvestoren. Russland hat jetzt schon über 400 Mrd. USD Währungsreserven und auch die Kriegskassen der russischen Oligarchen sind prall gefüllt. Die Ölgesellschaft Surgutneftegas schiebt zum Beispiel einen Cash-Bestand von 16 Mrd. USD vor sich her.
Es gibt Gerüchte, wonach Russen bei der Deutschen Bahn einsteigen wollen, nachdem zuvor die Deutsche Telekom im Visier des russischen Oligarchen Jewtuschenko war. Auch an der Norddeutschen Affinerie sollen angeblich russische Oligarchen Interesse haben. Die russischen VTB Bank hält bereits einen 6%igen Anteil an EADS, der nun Ende des Jahres an United Aviation oder Sukhoi weitergereichet werden soll. Sukhoi hat unlängst den neuen Superjet 100 als neues Vorzeigemodell vorgestellt und erhofft sich eine verstärkte Kooperation mit Airbus. Auch bei Kali+Salz AG sind unlängst Russen eingestiegen, was den Kurs gleich sprunghaft nach oben brachte. Mit der österreichischen STRABAG AG geht diese Woche eine Aktiengesellschaft an die Wiener Börse, dis ich schon zu 30% im Besitz des russischen Oligarchen Deripaska befindet. Gegen feindliche Übernahmen von ausländischen Investoren in strategisch sensiblen Breichen will auch Ministerpräsident Koch Maßnahmen einleiten. Insofern findet das „Putin.Modell“ jetzt sogar in Europa Nachahmer. Der französische Präsident Sarkozy will zwar auch mit den Russen ins Geschäft kommen, mahnt dabei aber auch die vorhandenen Demokratiedefizite und die Einschränkung der Pressefreiheit an.
In Russland finden am 2. Dezember 2007 die Dumawahlen und im März 2008 die Präsidentschaftswahlen statt. Während bei den Parlamentswahlen – übrigens fast ohne „echten“ Wahlkampf - die kremlnahe Partei „Geeintes Russland“ wohl klar als Sieger hervorgehen dürfte, bleibt es eine offene Frage, wer der Präsidentschaftsnachfolger von Putin wird, nachdem nun klar ist, dass Putin selbst als Präsident nach zwei Amtsperioden nach der Verfassung nicht mehr antreten darf. Als mögliche Nachfolger werden der neue Primier Subkow, der Aufsichtsratschef von Gazprom Medwedew und der Vize-Primier Iwanow genannt. Dafür will Putin als Spitzenkandidat für die Partei „Geeintes Russland“ möglicherweise als Ministerpräsident kandidieren. Wer auch immer die Führung übernehmen wird; klar sein dürfte, dass auch der nächste Präsident die Handschrift Putins tragen wird. Insofern kann der Anleger mit einer gewissen Kontinuität und Stabilität rechnen. Ein „starker Staat“, so wie ihn Putin für richtig hält, bedeutet aber auch Druck auf die Öl- und Gasunternehmen, die den Wettbewerb durch den zu starken Staatseinfluss gefährdet sehen. Ölgesellschaften wie Russneft und Bashneft können sich nicht mehr frei entfalten, sondern werden im Gegenteil zu einem zweiten „Yukos-Fall“. Auch die privaten Ölgesellschaften LUKoil und Sugutneftegas sind wegen des dominierenden Kremleinflusses, der hohen Ölförderabgaben und fragwürdigen Lizenzvergaben besorgt
In den nächsten Wochen kommen einige weitere russische IPOs auf den Markt wie der fünftgrößte Kaliproduzent Uralkali, die St. Petersburg Bank und die Zenit Bank. Eine mögliche Liquiditätskrise im russischen Bankenmarkt will der Notenbank-Chef mit einer Liquiditätspritze von 60 Mrd. USD im Notfall begegnen. Die letzten russischen IPOs hatten überwiegend zu ambitionierte IPO-Preise, so dass die meisten IPOs nun weit unter dem Eröffnungskurs notieren. Die Aktien von der Mikrochipherstellers Sitronicis halbierten sich sogar. Sehr positiv entwickelte sich hingegen der Kurs des Softwareunternehmen IBS Group, an der sich auch die deutsche Beteiligungsgesellschaft KREMLIN AG beteiligt hat. IBS war das erste russischen IPO an der Frankfurter Börse, wobei die Liquidität noch zu wünschen übrig lässt. Der Kurs der KREMLIN AG, die nun auch die Holding AFK Sistema und Sitronics mit ins Portfolio aufgenommen hat, ist aufgrund des hohen Discounts des Aktienkurses zum NAV von über 30% unterbewertet. Auch der Kurs der zweitgrößten Position im Portfolio der KREMLIN AG Sberbank entwickelt sich positiv, obwohl sich der Kurs der Sberbank seit Erstaufnahme im Depot schon mehr als verachtzigfacht hat.
Fazit: Geduld und Disziplin haben sich neben Risikobewusstsein also auch am russischen Aktienmarkt für Langfristinvestoren schon ausgezahlt. Wer in „Schubladen-Systemen“ und „Schwarz-Weiß-Malerei“ einseitig denkt, hat es nicht nur schwer, Russland „richtig zu verstehen, sondern er verpasst auch große Chancen am Aktienmarkt.
Hinweise: Der Autor wurde am 10. Oktober auf N24 (siehe www.n24.de/boerse, unter Investmentvideos) und am 12. Oktober in 3SATBörse (siehe www.3satboerse.de) über die Chancen in Russland interviewt. Sein nächstes TV-Interview über Russland ist am 26. Oktober in Bloomberg TV. Das nächste ESI-Ostbörsen-Seminar „Go East – Die Karawane zieht weiter““ findet am 25. Oktober in Frankfurt/M statt. Anmeldung unter ESI GmbH, Jüthornstr. 88, 22043 Hamburg, Tel: 040/6570883; Fax: 040/6570884, E-Mail: info@eaststock.de, web: www.eaststock.de.
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| 14.10.07 14:40 Uhr