Israelische, Armee

Während Israels Armee im Süden des Gazastreifens die Hamas-Führung jagt, wird die Lage für die Zivilisten immer unerträglicher.

07.12.2023 - 05:30:12

Israelische Armee meldet Einkesselung von Chan Junis. Der Chef der UN greift nun zu einem ungewöhnlichen Mittel. Der Überblick.

Israels Militär setzt seine Kämpfe gegen die Hamas in der größten Stadt des südlichen Gazastreifens fort. Dutzende Stellungen der Terroristen seien in Chan Junis angegriffen worden, teilte die Armee mit. Auch im Norden des Küstengebiets gebe es weiter Kämpfe. In Dschabalia hätten Soldaten ein Militärgelände der Hamas angegriffen und dabei ebenfalls mehrere Terroristen getötet. Auf dem Areal fand das Militär eigenen Angaben nach Tunnel und Waffen. Auch Israels Marine habe wieder Hamas-Stellungen im Gazastreifen beschossen.

Angesichts von Leid und Vertreibung palästinensischer Zivilisten wächst international die Kritik am Vorgehen der Armee. UN-Generalsekretär António Guterres forderte in einem seltenen Schritt den Weltsicherheitsrat dringend auf, sich für die Abwendung einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen einzusetzen.

«Ich wiederhole meinen Aufruf, dass ein humanitärer Waffenstillstand ausgerufen werden muss. Das ist dringend. Der zivilen Bevölkerung muss größeres Leid erspart bleiben», schrieb er an den Sicherheitsrat und berief sich auf Artikel 99 der UN Charta. Dieser erlaubt dem Generalsekretär, den Sicherheitsrat auf «jede Angelegenheit hinzuweisen, die seiner Meinung nach die Gewährleistung von internationalem Frieden und Sicherheit gefährden kann» und ist nach Angaben der UN seit Jahrzehnten nicht mehr angewandt worden.

Kairo warnt vor Vertreibung

Ägypten hat Israel vor einer Vertreibung der Bevölkerung des Gazastreifens auf ägyptisches Gebiet gewarnt. Die Regierung in Kairo werde es nicht zulassen, dass die Bewohner des Küstenstreifens in Richtung oder gar auf die zu Ägypten gehörende Sinai-Halbinsel gedrängt würden, teilte am Donnerstag der Staatsinformationsdienst (SIS) mit. Damit würde eine «rote Linie» überschritten, weil Ägypten darin eine Gefahr für die nationale Sicherheit und Souveränität des Staates sehe. Weiterhin hieß es, der Übergang Rafah an der südlichen Grenze des Gazastreifens sei für Einzelpersonen und Güter «dauerhaft geöffnet». Alle «Hindernisse am Übergang» kämen von der israelischen Seite.

Bisher gab es keine Berichte über größere Versuche von Zivilisten aus dem Gazastreifen, die Grenze zu Ägypten zu stürmen. Manche Menschen äußerten jedoch die Angst, sie könnten gezwungen werden, nach Ägypten zu gehen. Sie hätten Sorge, dann später nicht in den Gazastreifen zurückkehren zu dürfen, sagten mehrere Bewohner in Chan Junis einem dpa-Reporter. Deshalb würden sie versuchen, trotz des Krieges im Gazastreifen zu bleiben. Andere hatten Sorge, in Ägypten möglicherweise schlecht behandelt zu werden. Der Sinai sei kein guter Ort zum Leben.

Aus Furcht vor einer Massenflucht hatte Ägypten bereits vor einer Vertreibung der Palästinenser gewarnt. Das hat auch mit der Befürchtung zu tun, dass daraus am Ende eine dauerhafte Vertreibung werden könnte.

Israel erlaubt mehr Treibstoff für Gaza

Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung wächst international die Kritik am Vorgehen der israelischen Armee. Israel erlaubt nun die Einfuhr von mehr Treibstoff in den Süden des Gazastreifens. Das Sicherheitskabinett habe einer Empfehlung des Kriegskabinetts zugestimmt, teilte Netanjahus Büro mit. Eine Erhöhung der erlaubten Mindestmenge sei erforderlich, «um einen humanitären Zusammenbruch und den Ausbruch von Epidemien zu verhindern», hieß es. Unklar war zunächst, um wie viel die Treibstoffmenge, die täglich in den Gazastreifen gebracht werden darf, konkret erhöht werden soll.

Ministerium meldet aktuelle Opferzahlen

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Beginn des Kriegs nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 17.177 gestiegen. 46.000 Menschen seien verletzt worden, teilte das Ministerium mit. Am Dienstag hatte die Behörde noch von 16.248 Toten gesprochen.

Die Opferzahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen, die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.

Israel übt erneut scharfe Kritik an Guterres

Israels Außenminister übte derweil erneut scharfe Kritik an UN-Generalsekretär Guterres. «Sein Antrag, Artikel 99 zu aktivieren und die Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza stellen eine Unterstützung der Terrororganisation Hamas dar», so Eli Cohen auf X. «Jeder, der den Weltfrieden unterstützt, muss die Befreiung Gazas von der Hamas unterstützen.» Guterres Amtszeit gefährde den Weltfrieden.

Direkte Folgen hat eine Berufung auf den Artikel nicht. Es sei aber zu erwarten, dass der Sicherheitsrat noch diese Woche zusammenkomme, so ein Sprecher. Guterres hatte immer wieder auf die prekärere Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen hingewiesen. Berichten von Augenzeugen zufolge sind Tausende Familien von Chan Junis nach Al-Mawasi geflohen. Auch dort fehlten Nahrungsmittel, Wasser und Unterkünfte. «Es gibt keine 'sichere' Zone. Der ganze Gazastreifen ist zu einem der gefährlichsten Orte der Welt geworden», so das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) auf X.

Die nächste Phase der Kämpfe im Gazastreifen drohe Zehntausende von Zivilisten nach Rafah nahe der ägyptischen Grenze zu treiben, berichtete das «Wall Street» weiter. Ägypten habe die Sicherheitsabsperrungen an der Grenze zum Gazastreifen verstärkt. Auch die Hafenstadt Al Arish, etwa eine Autostunde westlich von Rafah, sei abgeriegelt worden. Diese sei zur Sammelstelle für humanitäre Hilfsgüter für den Gazastreifen geworden.

Auch Huthi-Rebellen greifen Israel direkt an

Unterdessen haben auch die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen nach eigenen Angaben Gebiete in Israel angegriffen. «Eine Ladung ballistischer Raketen» sei auf verschiedene militärische Ziele im Süden Israels abgefeuert worden, erklärten die vom Iran unterstützten Rebellen am Mittwochabend. Die Angriffe «gegen den israelischen Feind» würden so lange fortgesetzt «bis die Aggression gegen unsere Brüder in Gaza endet», hieß es. So lange würden auch israelische Schiffe daran gehindert werden, das Rote Meer zu befahren.

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