Erweiterung, Charles Michel

Russland führt seit mehr als 19 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine.

04.10.2023 - 08:00:34

EU-Ratspräsident Michel für EU-Beitritt der Ukraine bis 2030. Die Regierung in Kiew strebt an, möglichst zügig der EU und der Nato beizutreten.

Die Ukraine könnte aus Sicht von EU-Ratspräsident Charles Michel schon 2030 zur Europäischen Union gehören. Voraussetzung sei aber, dass beide Seiten ihre Hausaufgaben machen, sagte der Belgier dem «Spiegel». Kiew bekomme dabei keinen politischen Rabatt, betonte er, sondern müsse sich weiter reformieren und die Korruption bekämpfen.

Unterdessen wachsen in der Nato Sorgen, dass die milliardenschwere Militärhilfe der USA für den ukrainischen Abwehrkampf gegen Russland ins Stocken gerät. Hintergrund ist, dass der neue US-Übergangshaushalt keine weiteren Ukraine-Hilfen vorsieht. Auch deshalb rief Präsident Joe Biden die wichtigsten Verbündeten zusammen, um die weitere Unterstützung des Westens abzustimmen.

Michel: EU kann mit Aufnahme Kiews Handlungsfähigkeit beweisen

Das Thema Erweiterung soll unter anderem bei einem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs diese Woche im spanischen Granada diskutiert werden. Michel forderte vorab eine Beschleunigung der Entscheidungsprozesse. Mit einer zügigen Aufnahme Kiews würde die EU auch «beweisen, dass sie geopolitisch handlungsfähig ist», sagte er.

Zugleich erklärte er, dass es weder für die Ukraine noch für die anderen EU-Beitrittskandidaten Erleichterungen gebe. «Die Ukraine und die anderen Beitrittskandidaten müssen Reformen umsetzen, Korruption bekämpfen und die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen», sagte Michel. Neben der Ukraine sind dies die Türkei, die sechs Westbalkanstaaten und die Republik Moldau.

Nächtliche Drohnenangriffe

Das russische Militär wehrte nach eigenen Angaben in der Nacht zum Mittwoch in grenznahen Landesteilen Dutzende ukrainische Drohnen ab. Über den Gebieten Belgorod, Brjansk und Kursk seien von der Luftverteidigung insgesamt 31 unbemannte Flugkörper abgefangen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Details nannte die Behörde nicht. Unabhängig ließen sich die Angaben nicht überprüfen. Das ukrainische Portal «Ukrajinska Prawda» schrieb unter Berufung auf Quellen im Geheimdienst, in Belgorod sei ein russisches Flugabwehrsystem vom Typ S-400 getroffen worden.

Russland führt seit mehr als 19 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Seit längerem schon häufen sich Attacken auf russischem Staatsgebiet, wobei die russische Seite deren Folgen oft herunterspielt. Zugleich stehen das Ausmaß der Schäden sowie die Opferzahlen in keinem Verhältnis zu den Kriegsfolgen in der Ukraine.

Nahe der von Russland besetzten Stadt Tokmak in der Südukraine schoss die russische Flugabwehr nach britischer Einschätzung aus Versehen einen eigenen Kampfjet ab. Es handele sich um die fünfte verlorene Maschine des Typs Su-35S, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Insgesamt habe Russland seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine nun etwa 90 Flugzeuge verloren.

Biden verbreitet Zuversicht im Bündnis

US-Präsident Biden versuchte indes Sorgen zu zerstreuen, dass die US-Militärhilfe für die Ukraine versiegen könnte. In dem Gespräch mit den Nato-Verbündeten und Partnern äußerte er sich zuversichtlich, dass die USA trotz der nun fehlenden Haushaltsposten ihre Hilfszusagen einhalten könnten und es dafür weiterhin überparteiliche Unterstützung gebe.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen teilte über das Onlinenetzwerk X mit, von europäischer Seite seien neue Finanzhilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro für Reformen und Investitionen vorgeschlagen worden. Bis März 2024 wolle man überdies eine Million Schuss Munition an die Ukraine liefern.

An der Telefonkonferenz nahmen unter anderem auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg teil, des Weiteren Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Kanada, Italien, Japan, Polen, Rumänien und die französische Außenministerin.

Russische Journalistin in Abwesenheit verurteilt

Die durch einen Anti-Kriegs-Protest bekanntgewordene und mittlerweile ins Ausland geflohene Journalistin Marina Owsjannikowa wurde in ihrer Heimat Russland zu achteinhalb Jahren Straflager verurteilt. Ein Gericht in Moskau befand Owsjannikowa in Abwesenheit der angeblichen Verbreitung von Falschmeldungen über die russische Armee für schuldig, wie die Agentur Interfax meldete.

Die damals noch beim russischen Staatsfernsehen angestellte Redakteurin hatte kurz nach Kriegsbeginn im März 2022 für großes Aufsehen gesorgt, als sie mitten in einer Live-Nachrichtensendung ins Bild sprang und ein Protestplakat hochhielt.

@ dpa.de