Paukenschlag, Portugal

Portugal galt lange als Bollwerk gegen Rechtsextreme.

10.03.2024 - 23:36:41

Paukenschlag in Portugal: Rechte legen bei Wahl stark zu. Doch Korruption, Wohnungsnot und andere soziale und wirtschaftliche Probleme haben dem bei dieser Richtungswahl wohl ein Ende gesetzt.

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal hat die sehr junge rechtspopulistische Chega (Es reicht) nach ersten aussagekräftigen amtlichen Ergebnissen stark zugelegt und damit für einen Paukenschlag gesorgt. Die erst 2019 gegründete Partei des früheren TV-Sportkommentators André Ventura verbesserte sich von gut sieben Prozent bei der letzten Abstimmung Anfang 2022 auf jetzt rund 19 Prozent, wie am späten Sonntagabend nach Abschluss der Stimmen-Auszählung in über zwei Dritteln aller Wahlbezirke hervorging. Portugal hatte europaweit lange als Bollwerk gegen Rechtsextremismus gegolten.

Die amtliche Auszählung schien auch Prognosen von Medien zu bestätigen, wonach die seit Ende 2015 regierende Sozialistische Partei (PS) von Spitzenkandidat Pedro Nuno Santos diesmal hinter dem konservativen Bündnis Demokratische Allianz (AD) von Luís Montenegro nur Rang zwei belegt haben könnte. Das Rennen um Platz eins war allerdings am späten Abend noch völlig offen, da die AD zunächst auf etwas mehr als 30 Prozent und die PS auf knapp 29 Prozent kam.

Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte die Abstimmung im November ausgerufen, nachdem der sozialistische Ministerpräsident António Costa im Zuge eines Korruptionsskandals zurückgetreten und nur geschäftsführend im Amt geblieben war.

Regierungsbildung könnte schwierig werden

Eine «große Koalition» von PS und AD gilt als ausgeschlossen. Montenegro wird deshalb wohl auf Abkommen mit kleineren Parteien angewiesen sein. Der 51-jährige gelernte Jurist wird in erster Linie auf die Liberale Initiative (IL) zählen, die mit bis zu sieben Prozent rechnen kann. Beide Partien sind aber auch gemeinsam von einer regierungsfähigen Mehrheit weit entfernt. Angesichts einer sich abzeichnenden schwierigen Regierungsbildung prophezeiten Beobachter bereits im Vorfeld der Abstimmung eine Neuwahl im Sommer.

Mit der Partei Chega will Montenegro nicht verhandeln. In Portugal gibt es nämlich - ähnlich wie in Deutschland gegenüber der AfD - weiterhin eine sogenannte Brandmauer nach rechts.

Im In- und Ausland wurde der frühere Erfolg der Sozialisten als das «portugiesische Wunder» gefeiert. Nach der Euro-Schuldenkrise hatte Costa das einstige EU-Sorgenkind jahrelang sehr solide geführt. Ausgabendisziplin, aber auch soziale Verantwortung zeichneten seine Arbeit aus. Die Wirtschaft wuchs all die Jahre fast immer über EU-Schnitt, die Arbeitslosigkeit wurde ebenso wie die Schulden stetig zurückgeschraubt.

Gleich mehrere Korruptionsskandale unter anderem bei der staatlichen Airline TAP setzten der Erfolgsgeschichte ein Ende. Auf dem Höhepunkt sah sich Costa im November mit Korruptionsvorwürfen bei Lithium- und Wasserstoff-Projekten konfrontiert. Nach aktuellem Ermittlungsstand hat sich der 62-Jährige persönlich aber nichts zuschulden kommen lassen.

Die Wahl war zudem von sozialen und wirtschaftlichen Problemen wie Wohnungsnot und Inflation geprägt, die das Niedriglohnland besonders hart treffen - und die laut Beobachter auch den Nährboden für den Rechtsruck bieten. Seit Ende der Pandemie wird Portugal von einer zunehmenden Streikwelle überrollt: Ärzte, Lehrer, Polizisten und viele andere protestieren immer lauter.

@ dpa.de