Israels Militär bleibt hart: Die Bodenoffensive im Gazastreifen werde kommen, heißt es.
20.10.2023 - 04:50:18Gaza-Hilfe soll vor Bodenoffensive anlaufen. Derweil scheint die Lieferung dringend nötiger Hilfe für die Bevölkerung in der Enklave kurz bevorzustehen.
Kurz vor der drohenden Bodenoffensive Israels gegen die islamistischen Hamas-Angreifer im Gazastreifen kommt in das Ringen um die dringend nötige Hilfe für die verzweifelte Bevölkerung Bewegung.
Die in Ägypten am Grenzübergang Rafah lagernden Hilfsgüter sollen laut einem israelischen Armeesprecher spätestens am Samstag im Gazastreifen ankommen. Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte derweil Medienberichten zufolge eine baldige Bodenoffensive an. «Der Befehl wird kommen», sagte er demnach den nahe der Grenze zur von Israel abgeriegelten Küstenenklave aufmarschierten Truppen. US-Präsident Joe Biden will unterdessen beim Kongress ein Hilfspaket beantragen, das auch «beispiellose Hilfe für Israel» enthalten soll.
Biden: «Dürfen den Frieden nicht aufgeben»
«Wir werden dafür sorgen, dass andere feindliche Akteure in der Region wissen, dass Israel stärker ist als je zuvor, und verhindern, dass sich dieser Konflikt ausweitet», sagte Biden am Donnerstagabend (Ortszeit) in einer Rede an die Nation. Israel und die Palästinenser verdienten es gleichermaßen, in Sicherheit, Würde und Frieden zu leben. «Wir dürfen den Frieden nicht aufgeben. Wir dürfen eine Zweistaatenlösung nicht aufgeben», sagte Biden. Von Frieden können die Menschen in der Region jedoch derzeit nicht einmal träumen.
Blutiger Häuserkampf droht
Experten warnen vor einem blutigen Häuserkampf, sollte Israel wie erwartet Bodentruppen in den dicht besiedelten Gazastreifen am Mittelmeer schicken. Israel will nach den verheerenden Terroranschlägen der Hamas die militärischen Fähigkeiten sowie die Herrschaft der islamistischen Organisation ausschalten. Mehr als 1400 Menschen sind in Israel den Hamas-Angriffen zum Opfer gefallen.
Mehrheit der Geiseln im Gazastreifen am Leben
Israels Armee geht eigenen Angaben zufolge davon aus, dass die meisten der mehr als 200 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln noch am Leben sind. Das teilte das Militär mit. Woher sie die Informationen haben, sagte die Armee nicht.
Offiziellen Angaben zufolge haben Terroristen auf Geheiß der im Gazastreifen herrschenden Hamas nach dem Massaker am 7. Oktober mindestens 203 Menschen aus Israel in den Küstenstreifen verschleppt. Darunter sind nach Armeeangaben von Freitag mehr als 20 Kinder und Jugendliche. Zwischen zehn und 20 Geiseln seien ältere Menschen ab 60. Seit den Terroranschlägen gelten demnach noch 100 bis 200 Menschen als vermisst.
Israels Armee fliegt weitere Angriffe gegen Hamas
Die israelische Luftwaffe hat ihr Bombardement von Stellungen der islamistischen Hamas im Gazastreifen fortgesetzt. Kampfflugzeuge griffen in der Nacht mehr als 100 Stellungen an und töteten auch ein an den Terrorattacken in Israel vor knapp zwei Wochen in Israel beteiligtes Hamas-Mitglied, teilte die israelische Armee mit. Unter anderem seien ein Tunnel, Waffenlager sowie Dutzende von Kommandozentren bombardiert worden, hieß es. Der Getötete habe der Hamas-Marine angehört und sich an dem Massaker vom 7. Oktober an mehr als 1400 Menschen in grenznahen Orten beteiligt.
Zudem sei ein Terrorkommando bei einem gezielten Angriff in Gaza-Stadt «ausgeschaltet» worden, nachdem dieses versucht habe, Raketen auf ein Kampfflugzeug abzufeuern, erklärte die Armee. Ferner seien Einrichtungen und Waffen der Hamas in einer Moschee in Dschabalia nördlich der Stadt zerstört worden, die von Terroristen als Beobachtungsposten und Aufmarschgebiet genutzt worden seien. Seit Seit dem 7. Oktober starben nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen 3785 Menschen.
Hilfslieferung scheinen bevorzustehen
Nach UN-Angaben sind in den vergangenen Tagen rund eine Million Bewohner des nördlichen Gazastreifens in den südlichen Teil geflohen. Israels Armee, die dazu aufgerufen hatte, um zivile Opfer bei einer Ausweitung der Kämpfe zu vermeiden, sprach von rund 600.000 Menschen. Im Süden liegt an der Grenze zu Ägypten der Übergang Rafah. Auf ägyptischer Seite stauen sich Dutzende von Lastwagen mit humanitären Versorgungsgütern.
Die dringend benötigte Lieferung von Hilfsgütern in den abgeriegelten Gazastreifen dürfte nach Einschätzung der UN im Laufe der nächsten Tage über den Grenzübergang Rafah von Ägypten aus anlaufen. Davon geht UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths aus, wie ein Sprecher seines Büros in Genf sagte. Seine genaue Formulierung am Morgen war, die erste Lieferung sollte «im Laufe des nächsten Tages oder so» beginnen.
Griffiths ist wie auch UN-Generalsekretär António Guterres im Norden Ägyptens, nahe dem Grenzübergang Rafah, um die Koordination der Lieferungen voranzutreiben. Die Verhandlungen liefen auf Hochtouren, sagte der Sprecher.
Deutschland kündigt Hilfe für Menschen in Gaza an
Deutschland verstärkt seine Unterstützung für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit einer humanitären Soforthilfe in Höhe von 50 Millionen Euro. Mit dem Geld sollen internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm, das UN-Kinderhilfswerk Unicef und vor allem das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) unterstützt werden, wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gestern in Jordanien ankündigte. Heute reist sie nach Israel und danach in den Libanon.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat seinem israelischen Kollegen Joav Galant die Unterstützung Deutschlands beim Kampf gegen die Hamas zugesichert. Vordringlichste Aufgabe sei es, eine Freilassung der Verschleppten zu erreichen, sagte der SPD-Politiker in Tel Aviv bei einem Treffen mit Galant. Deutschland wolle auch dies unterstützen, wo immer möglich und sei bereit, Israels Militär mit Material zu unterstützen. Derweil hat Israel die Vorbereitungen für eine Bodenoffensive abgeschlossen. Wann genau diese beginne, unterliege der Geheimhaltung, sagte der Armeesprecher.
Scharfe Kritik von Menschenrechtlern
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf den USA und ihren Verbündeten mangelnde Kritik am Vorgehen Israels im Gazastreifen vor. Tom Porteous, stellvertretender HRW-Programmdirektor, fragte, wo «die klare Verurteilung der grausamen Verschärfung der seit 16 Jahren bestehenden Abriegelung des Gazastreifens» bleibe. Diese komme «einer kollektiven Bestrafung, einem Kriegsverbrechen», gleich.
Weiter Schusswechsel an Israels Grenze zum Libanon
Unterdessen griff das israelische Militär auch in der Nacht Stellungen der pro-iranischen Hisbollah im Libanon sowie mutmaßliche Terroristen an. Als Reaktion auf Beschuss der schiitschen Miliz am Mittwoch habe die Armee unter anderem Beobachtungsposten der Hisbollah attackiert, teilte das Militär mit. Zudem habe ein Kampfjet drei Menschen getroffen, die versucht hätten, Raketen in Richtung Israel abzufeuern. Unklar ist, ob es dabei Verletzte oder Tote gab.
Seit den Terrorattacken der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel und Israels Gegenschlägen auf den Gazastreifen kam es in den vergangenen Tagen regelmäßig zu Zwischenfällen an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon. International gibt es die Befürchtung, die Hisbollah könnte verstärkt in den Gaza-Konflikt eingreifen und Israel eine zweite, nördliche Front aufzwingen. Die Hisbollah unterhält enge Verbindungen zur Hamas im Gazastreifen. Das Auswärtige Amt forderte deutsche Staatsbürger und ihre Angehörigen im Libanon auf, das Land wegen der Sicherheitslage zu verlassen.