Israels Armee ruft die Einwohner im nördlichen Gazastreifen zur Evakuierung auf.
13.10.2023 - 09:12:13Israel: Zivilisten sollen Norden des Gazastreifens verlassen. Derweil steht die Versorgung der eingeschlossenen Zivilisten vor dem Kollaps.
Die israelische Luftwaffe hat im Kampf gegen die Angreifer der islamistischen Hamas im Norden des Gazastreifens Hunderte Ziele angegriffen. Dutzende Kampfflugzeuge hätten in der Nacht 750 militärische Ziele angegriffen, teilte Israels Militär am frühen Freitagmorgen mit. Zu den angegriffenen Zielen gehörten unterirdische Tunnel der Hamas, militärische Einrichtungen, Wohnsitze hochrangiger Terroristen, die als militärische Kommandozentralen genutzt würden sowie Waffenlager.
Nach Angaben der Hamas sollen 13 Geiseln bei israelischen Luftangriffen getötet worden sein. Darunter sollen auch ausländische Staatsangehörige sein, behaupteten die Al-Kassam-Brigaden in einer Stellungnahme. Unabhängig können diese Angaben nicht überprüft werden.
Die israelische Armee rief die Zivilbevölkerung in Gaza auf, sich südlich vom Fluss Gaza in Sicherheit zu bringen. Das deutet auf den baldigen Beginn einer israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen hin.
«Die Terrororganisation Hamas führt einen Krieg gegen den Staat Israel, und Gaza ist ein Gebiet, in dem militärische Operationen stattfinden», begründete das Militär den Aufruf. «Sie werden erst dann nach Gaza zurückkehren können, wenn eine weitere Ankündigung erfolgt, die dies erlaubt», hieß es weiter. Niemand solle sich dem Bereich des Sicherheitszauns zum Staat Israel nähern.
Die islamistische Hamas bezeichnete den Aufruf zur Evakuierung dagegen als «Propaganda». Zivilisten sollten nicht auf die «Propagandanachrichten reinfallen», teilte die im Gazastreifen herrschende Palästinenserorganisation am Freitag mit. Israel, die USA und die EU haben die Hamas als Terrororganisation eingestuft.
Gesundheitssystem kurz vor Zusammenbruch
Die leidende Zivilbevölkerung in dem von Israel hermetisch abgeriegelten Küstenstreifen steckt am siebten Tag nach dem Hamas-Massaker an Hunderten Israelis in einer immer aussichtsloseren Lage. Das Gesundheitssystem stehe «am Rande des Zusammenbruchs», warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO). «Ohne Strom laufen Krankenhäuser Gefahr, zu Leichenhallen zu werden», schrieb auch Fabrizio Carboni, Regionaldirektor Nahost des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), auf der Online-Plattform X.
Ausländische Spitzenpolitiker in Israel erwartet
Nach den verheerenden Terrorattacken der Hamas auf Israel werden eine Reihe von Spitzenpolitikern aus dem Ausland heute in Israel erwartet, darunter Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Geplant sei ein Treffen Austins mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant und anderen Mitgliedern der Notstandsregierung, kündigte das US-Verteidigungsministerium an.
Austin wolle das «unerschütterliche Engagement» der USA für die Sicherheit Israels deutlich machen, hieß es. Mit der israelischen Führung wolle er über ihre Einsatzplanung und Ziele in dem Konflikt sprechen. Es gehe auch darum, den Bedarf an Militärhilfe zu erörtern. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens Außenminister Antonio Tajani reisen zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel.
Zahl der in Gaza getöteten Palästinenser steigt auf über 1500
Die Zahl der bei den israelischen Luftangriffen getöteten Palästinenser stieg unterdessen auf mindestens 1537. Mindestens 6612 weitere Menschen wurden verletzt, wie das Gesundheitsministerium in Gaza gestern Abend mitteilte. Nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch setzte Israels Militär im Gazastreifen sowie im Libanon auch weißen Phosphor ein. Das zeigten verifizierte Videos und Zeugenaussagen. Der Einsatz in den dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens verstoße gegen das humanitäre Völkerrecht, beklagte die Menschenrechtsorganisation.
Iran: US-Unterstützung Israels schürt Sorgen vor neuer Front
Irans Außenminister warnte angesichts der US-Militärunterstützung für Israel vor einer Eskalation. «Amerika fordert alle zur Zurückhaltung auf, außer Israel, und das ist inakzeptabel», sagte Hussein Amirabdollahian laut einer veröffentlichten Mitteilung des iranischen Außenministeriums bei seiner Ankunft im Libanon. Die US-Unterstützung schüre Sorgen vor einem Flächenbrand und neuen Fronten, sagte er.
Unterdessen traf Amirabdollahian in der libanesischen Hauptstadt Beirut auf den Generalsekretär der Schiitenorganisation Hisbollah, Hassan Nasrallah, einen treuen Verbündeten Teherans. Die Organisation gilt als weitaus mächtiger als die Hamas im Gazastreifen. Ihr Einfluss reicht tief in den von Krisen gelähmten libanesischen Staat. Die Organisation kontrolliert vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, wo bereits viele Menschen aus Furcht ihre Orte verließen.
US-Außenminister will palästinensischen Präsidenten Abbas treffen
US-Außenminister Antony Blinken will sich derweil mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas treffen. Er werde nach seinem Aufenthalt in Israel nach Jordanien weiterreisen, um dort Abbas sowie den jordanischen König Abdullah II. zu treffen, kündigte Blinken gestern in Tel Aviv an.
Danach will er auch Katar, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten besuchen, um mit Regierungsvertretern zu sprechen, hieß es. Bei jedem dieser Treffen gehe es darum, auf die Länder einzuwirken, um eine Ausweitung des Konflikts in der Region zu verhindern und eine Freilassung der Geiseln in Gaza zu erreichen, sagte Blinken.
Türkische Gemeinde: Nicht von Hamas instrumentalisieren lassen
Nach dem Aufruf der Hamas zu ihrer weltweiten Unterstützung heute warnt die Türkische Gemeinde davor, dem nachzukommen. «Halten Sie sich von der Manipulation der Hamas fern, diese schadet den Muslimen in aller Welt!», sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu dem Berliner «Tagesspiegel».
«Wir sollten gemeinsam klare Kante zeigen. Ich appelliere deshalb an alle Muslime in Deutschland, sich nicht von der Hamas instrumentalisieren zu lassen.» Wegen befürchteter Gewaltakte von Hamas-Unterstützern gegen jüdische Einrichtungen heute mahnt Israel seine Bürger im Ausland zur Wachsamkeit. «Es ist davon auszugehen, dass es in verschiedenen Ländern zu Protestveranstaltungen kommen wird, die in Gewalt umschlagen können», warnte das israelische Außenministerium.
Russland kritisiert israelische Luftangriffe auf Syrien scharf
Russland hat die Angriffe der israelischen Luftwaffe auf Flughäfen in Syrien als groben Verstoß gegen die Souveränität des Landes kritisiert und vor einer weiteren Eskalation in Nahost gewarnt. Angesichts der Zuspitzung des palästinensisch-israelischen Konflikts könnten solche Handlungen eine Ausweitung der militärischen Auseinandersetzung auf die ganze Region provozieren, schrieb das Außenministerium in Moskau gestern in einer Pressemitteilung.