Inmitten internationaler Turbulenzen ist das US-Repräsentantenhaus mit sich selbst beschäftigt - seit McCarthys Abwahl steht die Parlamentskammer weitgehend still.
18.10.2023 - 03:58:44Suche nach Vorsitzendem: US-Parlament im Wartestand
Nach einem ergebnislosen ersten Wahlgang geht im US-Repräsentantenhaus die Suche nach einem neuen Vorsitzenden weiter. Der republikanische Hardliner Jim Jordan war gestern im ersten Anlauf am Widerstand aus den eigenen Reihen gescheitert. Aufgrund von Gegenstimmen aus seiner Partei kam der Vertraute des früheren US-Präsidenten Donald Trump bei der ersten Abstimmung für die Nachbesetzung des mächtigen Postens nicht auf die nötige Mehrheit. Heute Abend deutscher Zeit wird ein weiterer Wahlgang erwartet.
Ob Jordan bis dahin weitere interne Skeptiker auf seine Seite ziehen kann, war zunächst unklar. Die Parlamentskammer steht damit vorerst weiter zum Großteil still. Bis ein neuer Vorsitzender bestimmt ist, liegt die Gesetzgebungsarbeit weitgehend brach.
Jordan hatte bei dem Votum gestern 200 Stimmen aus seiner Fraktion geholt, 20 Parteikollegen verweigerten ihm die Gefolgschaft. Die Demokraten wiederum stimmten geschlossen gegen Jordan. Der 59-Jährige verfehlte so deutlich die nötige Mehrheit von 217 Stimmen. Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus nur eine dünne Mehrheit. Die Fraktion stellt derzeit 221 Sitze in der Parlamentskammer, die Demokraten haben 212 Sitze. Die republikanische Fraktion zog sich nach dem Votum gestern zu internen Beratungen zurück, und Jordan suchte einmal mehr das Gespräch mit einigen seiner Gegner.
Der Hardliner Jordan
Der Abgeordnete aus Ohio gehört zum rechten Rand der Fraktion und ist seit Jahren ein ergebener Getreuer Trumps. Er war im Verteidigerteam bei Trumps erstem Amtsenthebungsverfahren und stand auch im zweiten Impeachment-Verfahren gegen den damaligen Präsidenten wegen der Kapitol-Attacke vom 6. Januar 2021 stramm an dessen Seite. Inzwischen leitet Jordan den einflussreichen Justizausschuss, der sich auch mit Ermittlungen gegen US-Präsident Joe Biden beschäftigt.
Vor nicht allzu langer Zeit schien es noch als undenkbar, dass ein Hardliner wie Jordan überhaupt für den mächtigen Posten an der Spitze der Parlamentskammer infrage kommen könnte. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses kommt in der staatlichen Rangfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize. Jordans Aufstieg von einem rechten Rebellen am äußersten Rand seiner Partei bis zu einem potenziellen Frontmann der Kongresskammer zeigt, wie weit die republikanische Fraktion nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump und dessen Gleichgesinnte auf die Partei haben.
Die zerrüttete Fraktion
Die republikanische Fraktion ist extrem zersplittert und nur schwer auf einen Nenner zu bringen. McCarthy hatte es im Januar erst im 15. Wahlgang auf den Vorsitzenden-Posten geschafft. Nach dessen Abwahl bestimmte die Fraktion zunächst den rechtskonservativen Steve Scalise als möglichen McCarthy-Nachfolger. Doch Scalise konnte sich in den eigenen Reihen nicht die nötige Mehrheit sichern und zog seine Kandidatur noch vor einer Abstimmung im Plenum zurück.
Das Gezerre der Republikaner und die Lähmung der Parlaments fallen in Zeiten großer internationaler Konflikte in der Ukraine und in Israel, mit denen sich das US-Parlament eigentlich beschäftigen müsste. Das Repräsentantenhaus hat unter anderem über weitere Hilfen für Kiew zu entscheiden, wie auch über einen Bundeshaushalt insgesamt. Vorerst ist nur ein Übergangshaushalt bis Mitte November beschlossen, in dem keine Unterstützung für die Ukraine enthalten ist.
Der Plan B
Vorerst fungiert der Republikaner Patrick McHenry als Übergangs-Vorsitzender im Repräsentantenhaus. Er ist aber eigentlich nur für formelle Aufgaben vorgesehen, etwa die Organisation der Wahl eines Langfrist-Vorsitzenden. Mehrere Abgeordnete brachten ins Gespräch, McHenry für einen befristeten Zeitraum mit weiteren Befugnissen auszustatten, falls sich die Suche nach McCarthys Nachfolge länger hinziehen sollte. Dies soll legislative Arbeit ermöglichen und verhindern, dass es Mitte November zu einem Stillstand der Regierungsgeschäfte, einem «Shutdown», kommt, falls bis dahin kein neuer Bundeshaushalt beschlossen ist. Ob am Ende eine Mehrheit für die Idee zustande kommen könnte, ist aber ebenso offen.